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TAG DES FLÜCHTLINGS 1998

Entscheidungsdruck
und rassistische Textbausteine

Die Anhörung von Asylsuchenden beim Bundesamt

Martin Link | Bernd Mesovic

Herausgegeben zum Tag des Flüchtlings am 2. Oktober 1998

Herausgeber: PRO ASYL, Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Stiftung für UNO- Flüchtlingshilfe e. V., dem Deutschen Caritasverband e. V., dem Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit und dem Interkulturellen Beauftragten der Ev. Kirche in Hessen und Nassau.

Der Tag des Flüchtlings findet im Rahmen der Woche der ausländischen Mitbürger (27. September bis 3. Oktober 1998) statt und wird von PRO ASYL in Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Vorbereitungsausschuß zur Woche der ausländischen Mitbürger vorbereitet.

INHALT

Die Anhörung von Asylsuchenden beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ist entscheidend für das weitere Verfahren und das Schicksal von Flüchtlingen. Was hier nicht zur Sprache kommt, kann später kaum noch mit Aussicht auf Erfolg vorgetragen werden. In der Anhörungssituation werden Weichen gestellt. Einfühlungsvermögen und Kompetenz der sogenannten Einzelentscheider sind gefragt, wenn sie Menschen vor sich haben, die es möglicherweise nicht gelernt haben, das ihnen Widerfahrene in chronologischer Reihenfolge vorzutragen und die sich oftmals auch kaum vorstellen können, was von all dem Erlebten in der Anhörung wirklich wesentlich ist.

Im Abschiebegefängnis | Foto:Andreas Herzau

Trotz einiger Verbesserungen im Bereich der Fortbildung und des anerkennenswerten Bundesamtsprojektes, spezialisierte Sonderbeauftragte für die Probleme frauenspezifischer Verfolgung und für unbegleitete Minderjährige auszubil den, erreichen PRO ASYL ständig Anhörungsprotokolle und Entscheidungen, die darauf schließen lassen, daß die Sachkenntnis der Bediensteten des Bundesamtes außerordentlich schwankt, viele die Regeln ihrer Kunst nicht beherrschen und die notwendige sorgfältige Aufklärungsarbeit im Rahmen der Anhörung unterbleibt.

In nicht wenigen Fällen haben betroffene Flüchtlinge gar das Gefühl, der für sie zuständige Entscheider oder die Entscheiderin des Bundesamtes verstehe sich selbst als verlängerter Arm jener Verfolgungsorgane des Herkunftslandes, vor denen sich die / der Asylsuchende in Deutschland sicher wähnte. Manche Bescheide des Bundesamtes machen den Eindruck, als seien sie mit Formulierungshilfe behördlicher Stellen der Verfolgerländer entstanden. Der ablehnende Bescheid in der Sache eines kurdischen Asylsuchenden aus der Türkei ist dafür beispielhaft: »Auch die Militäraktionen, die durch den herrschenden Terrorismus, den ein Teil der dort lebenden Bevölkerung unterstützt, ausgelöst werden, vermögen nicht zur Asylgewährung zu führen (…) Übergriffe des Militärs im Rahmen von Suchaktionen nach Separatisten knüpfen weder an die politische Überzeugung noch die Volkszugehörigkeit der betroffenen örtlichen Bevölkerung an, sondern stellen den -unbestritten vereinzelt mit menschenrechtsverletzenden, jedoch nicht politisch motivierten Maßnahmen betriebenen -Versuch dar, dem bewaffneten Angriff auf den Bestand des türkischen Staatsgebietes zu begegnen. (…) Hierzu zählen auch Ermittlungsmaßnahmen im Zuge der Strafverfolgung gegen Personen aus der Bevölkerung, die tatsächlich oder vermeintlich (…) Separatisten unterstützen. (…) Gerade auch die in diesem Zusammenhang behauptete Furcht vor Maßnahmen gegen die eigene Person beruht auf der Unterstützung einer bisher verbotenen und für den Bestand des türkischen Staates äußerst gefährlichen terroristischen Organisation. (…) Die Fahndung nach Personen aus der Bevölkerung, Inhaftierung, Verhör und eventuell Bestrafung (…) knüpfen damit nicht an der möglichen politischen Überzeugung des Betroffenen an, sondern sollen den Guerillagruppen für ihre Kampfhandlung gegen das Militär Rückzugs- und Versorgungsmöglichkeiten entziehen.« (AZ.: C 1963057- 163 vom 27. Februar 1996) Die gewählten Formulierungen machen deutlich, daß der Entscheider oder die Entscheiderin in diesem Fall nicht die nötige Distanz hat, sondern die Sichtweise des türkischen Staates teilt.

Aus vielen Anhörungsprotokollen gewinnt man den Eindruck, daß den Flüchtlingen bei der Anhörung von seiten der Mitarbeitenden des Bundesamtes zunächst mit grundsätzlichem Mißtrauen begegnet wird. Daß das Klima in Sachen Flüchtlinge durch die Asyldebatten der letzten Jahre vergiftet worden ist, spiegelt sich auch in manchen Bescheiden von Einzelentscheiderinnen und Entscheidern wider, die sich auch nicht scheuen, ihren Vorurteilen zum Teil in regelrecht rassistischen Formulierungen freien Lauf zu lassen. So heißt es in einer Entscheidung vom 6. April 1997, mit der ein Nigerianer im Flughafenverfahren abgelehnt wird: »Wenngleich zu berücksichtigen ist, daß äußerst bildhafte Darstellungen dem schwarzafrikanischen Wesen entsprechen, …« (AZ.: 2213710- 232/ EA3- 537- 97- A). In der Entscheidung über den Asylantrag eines türkischen Oppositionellen findet sich der Satz: »Schließlich konnte dem Ansinnen des Bevollmächtigten des Antragstellers, einen Zeugen zu befragen, nicht nachgekommen werden, da, wie bereits dargelegt, die Geschichte des Antragstellers erstunken und erlogen ist.« (AZ.: D 2131896- 163 vom 22. August 1996)

Der Fairneß halber sei gesagt: Auch unter den Entscheiderinnen und Entscheidern gibt es etliche, die sich weigern, undifferenziert als Werkzeug staatlicher Interessen im Asylverfahren zu fungieren. Sie klären auf, halten Flüchtlingen mögliche Widersprüche vor, ermitteln zunächst nicht Erwähntes, bemühen sich, auch weniger bekannte Quellen zur Situation im Herkunftsland auszuwerten und gewähren Abschiebungsschutz, wo es geboten ist. Doch gerade diesen sorgfältig arbeitenden Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeitern weht der Wind seit längerem scharf ins Gesicht. Auf die Entscheiderinnen und Entscheider wird starker Druck ausgeübt, möglichst Asylverfahren mit zeitlich kurzen Anhörungen und kurzen Bescheiden auf Kosten der Qualität durchzuführen, so der Personalrat einer Bundesamtsaußenstelle bereits im Februar 1996. Welcher Betriebston dort herrscht, ergibt sich aus einer Weisung vom 11. Februar 1997 an »Alle Einzelentscheider im Hause. Am 3. Februar 1997 habe ich mit dem Präsidenten des BAFl ein Gespräch geführt. Der Präsident hat sich unzufrieden über die Leistungen der Außenstelle gezeigt. Er hat betont, daß zwei Anhörungen und zwei Entscheidungen pro Tag zumutbar sind und von ihm verlangt werden. (…) Ich habe veranlaßt, daß ab Montag, den 17.2.1997, täglich vier Antragsteller pro EE (Einzelentscheider) zur Anhörung geladen werden. Im eigenen Interesse und mit Rücksicht auf die Schreibkanzlei empfehle ich Ihnen, sich möglichst kurz zu fassen.« Drei Wochen später wird der Druck mittels einer weiteren Weisung erhöht: »Ich hatte vier Anhörungen pro Tag verlangt. (…) Mit denen, die das regelmäßig nicht leisten, werde ich noch weitere Gespräche führen, um die Ursachen aufzuklären. Zu meinem Bedauern muß ich feststellen, daß nicht alle meinen Appell, sich bei der Länge der Protokolle zu beschränken, beherzigt haben. Nach der Durchsicht zahlreicher Protokolle komme ich zu der Überzeugung, daß bei einem durchschnittlich gelagerten Fall ca. 10 Seiten (eine Kassette) ausreichen. Ich werde dies auch weiterhin überwachen und auf Beachtung dringen. Das Protokoll gehört nicht zum weisungsfreien Bereich.« 10 Seiten Protokoll sollen also nach Auffassung dieses Vorgesetzten der Regelfall sein. Eine solche Anweisung zwingt geradezu zu fahrlässiger Oberflächlichkeit oder zu bewußter Manipulation.

Erfahrungen von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten sowie Flüchtlingsberaterinnen und -beratern zeigen, daß dem Amtsermittlungsgrundsatz nicht in angemessener Weise genüge getan wird. Hierzu gehören die Pflicht, eine umfassende Sachaufklärung zu betreiben, Widersprüche und sprachliche Unklarheiten im Sachvortrag aufzuklären, auf eine vollständige Schilderung aller möglicherweise asylrelevanten Ereignisse hinzuwirken. Nach der Rechtsprechung ist das Bundesamt zur Erhebung von Beweisen zumindest dann verpflichtet, wenn sich solche Beweise aufdrängen. Trotz gesetzlicher Verpflichtung werden in der Regel auch keine Zeugenanhörungen durchgeführt. Angaben der Flüchtlinge werden im Zweifel selbst dann, wenn sie mit vertretbarem Aufwand überprüfbar wären, eben nicht überprüft, sondern allzuoft pauschal als unglaubhaft abqualifiziert. Zur – wissenschaftliche Erkenntnisse der Psychologie und Medizin außer Acht lassenden – Begründung heißt es in den Bescheiden immer wieder, das Vorbringen der Antragsteller/innen würde »jeglicher Lebenserfahrung« widersprechen. Mit »Lebenserfahrung« ist hier offensichtlich die häufig sehr begrenzte der Bundesamtsbediensteten gemeint.

Ein Beispiel: Statt die deutlich sichtbaren Folterspuren eines togoischen Flüchtlings medizinisch begutachten zu lassen, bewertet der abschlägige Bescheid des Bundesamtes dessen angeblich »wenig engagierte, detailarme und oberflächliche« Folter- und Fluchtangaben folgendermaßen: »Nach aller Lebenserfahrung prägen sich derart gravierende Ereignisse, wie sie der Antragsteller behauptet hat, fest in das Gedächtnis des Betroffenen ein. Auch nach einem längerem Zeitraum hätte dem Antragsteller deshalb eine detaillierte Schilderung zumindest der markanten fluchtauslösenden Ereignisse möglich sein müssen.«

Daß sogenannte Schlepper politischer Flüchtlinge ihren Kundinnen und Kunden die für sie beschafften Pässe während der Reise nicht persönlich aushändigen oder sie ihnen nach erfolgreicher Einreise sofort wieder abnehmen, ist eine allgemein bekannte Tatsache. Das Bundesamt indes wertet entsprechende Angaben von Flüchtlingen nicht selten als Verschleierungstaktik. Während das Vorhandensein eines echten Passes vom Bundesamt in der Regel als Beweis für eine verfolgungsfreie Ausreise aus dem Herkunftsland gewertet wird, wird Asylsuchenden, die keinen Paß vorlegen wollen, mit seltsam verdrehter Logik schon einmal vorgehalten, daß dieser doch ein wichtiges Beweismittel für ihre Flucht gewesen sei. Das Bundesamt: »Eine fluchtbedingte Ausreise aus dem Herkunftsstaat wäre durch nichts leichter zu beweisen gewesen, als gerade durch die Vorlage des verwendeten Reisepasses oder zumindest von Fotokopien desselben. Es steht daher im Widerspruch zur Lebenserfahrung schlechthin, wenn ein derart wichtiges Beweismittel nicht mehr verfügbar ist.« (AZ.: B2079522- 283 vom 22. Mai 1996) – Lebenserfahrung an den Haaren herbeigezogen.

Im Fall eines weiteren togoischen Flüchtlings, bis zu seiner Flucht der Vorsitzende einer oppositionellen Jugendorganisation, der einen auf seinen Namen ausgestellten Haftbefehl vorlegt, wird die Echtheit des Dokuments in Zweifel gezogen, ohne sie überprüfen zu lassen. Obwohl der Mann während der Anhörung sichtbar unter den schmerzhaften Nachwirkungen erlittener Folter litt, wurde er dazu nicht befragt und auch kein medizinisches Gutachten beigezogen. Dem Asylsuchenden wird statt dessen vom Bundesamt attestiert: »Der Antragsteller hat auch nicht einmal ansatzweise Gründe vorgetragen, die auf ein politisches Verfolgungsschicksal hinweisen. (…) Es drängt sich hier der Verdacht auf, daß der Antragsteller das Asylverfahren lediglich dazu betreibt, um in den Genuß der aufenthaltsrechtlichen Nebenwirkungen eines solchen Verfahrens zu kommen.« Der Betroffene ist inzwischen vom zuständigen Verwaltungsgericht anerkannt worden.

Im Fall eines iranischen Flüchtlings kommt es im Verlauf der Anhörung zu einer detailreichen Schilderung der Verfolgung- und Fluchtgeschichte. Daten und Orte werden genannt, Demonstrationen, Haftorte und Haftmaßnahmen beschrieben, bis hin zu Angaben über Folter und die dabei erlittenen Verletzungen. Keine einzige der Angaben wird vom Bundesamt durch Einholen von Stellungnahmen von Sachverständigen oder durch medizinische Gutachten überprüft. Statt dessen enthält der Bundesamtsbescheid die Feststellung: »Sein Sachvortrag ist im wesentlichen unsubstantiiert und vage gehalten. (…) Das vom Antragsteller Vorgetragene ist absolut unglaubwürdig. Die Peitschenhiebe, die er im Verlauf seiner Inhaftierung bekommen haben will, würde kein Mensch überleben.« (AZ.: A 2074591- 439 vom 16. Februar 1996)

Besonders betroffen von solchen Mängeln bei der Anhörung sind immer wieder auch gefolterte Menschen und Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen. amnesty international und die Ärzteorganisation IPPNW gehen davon aus, daß weltweit 25- 30% aller Flüchtlinge zu dieser Kategorie gehören. Von vielen Überlebenden des Holocaust weiß man, daß sie bis heute selbst mit ihren engsten Angehörigen über ihre Entwürdigung in den KZ- Lagern nicht reden können. Für viele Flüchtlinge gilt nach erlittener Folter dasselbe. Die Ärztin Waltraud Wirtgen von REFUGIO, dem Münchner Therapiezentrum für Folteropfer, warnt: »Nur weil sie die Erinnerung an den Horror unterdrücken und verdrängen, können schwer traumatisierte Menschen überleben. Jede unbedachte Frage, aber auch Zweifel an den erlittenen Mißhandlungen lösen eine neuerliche Traumatisierung aus, die in Todesangst, Schlaflosigkeit, Gefühlsabspaltung oder tiefe Depression mündet.« (Süddeutsche Zeitung vom 8. Februar 1997)

Untersuchungen aus Berlin zeigen allerdings, daß in der Mehrzahl der Fälle im Rahmen der Anhörung nicht einmal dort gezielt nachgefragt wird, wo Betroffene selbst mehr oder minder deutliche Hinweise auf Foltererlebnisse gegeben ha ben. Das Behandlungszentrum für Folteropfer in Berlin stellte bei der Untersuchung von 40 Fällen von Flüchtlingen, die bei ihrer Anhörung die erlittene Folter zur Sprache gebracht hatten, fest, daß bei der Anhörung schließlich nur in einem Drittel der untersuchten Fälle überhaupt nachgefragt worden war. In den Entscheidungen heißt es dann oft, die Schilderungen seien »widersprüchlich« und »unglaubwürdig«. Den Flüchtlingen wird angekreidet, sie hätten nur »in dürren Worten« oder erst sehr spät und zögerlich über »angebliche Folter« berichtet.

Im Falle einer syrischen Flüchtlingsfamilie hatten die stumm machenden Traumatisierungen fatale Konsequenzen. Der Vater war im Verlauf von über 10 Jahren wiederholt in Haft und wochenlang schwer gefoltert worden. Die Mutter wurde während eigener Inhaftierungen zunächst gezwungen, Vergewaltigungen anderer Frauen beizuwohnen und ist selbst mehrfach von Sicherheitskräften vergewaltigt worden. Die jugendlichen Söhne wurden im Verlauf von Verhören durch Sicherheitsdienste in ihrer Schule krankenhausreif geschlagen. Im Verlauf der Anhörungen macht der Vater zur erlittenen Folter nur knappe Angaben, denen der Anhörer nicht nachgeht. Die Mutter bringt die selbst erlittenen Gewalttätigkeiten -über die sie bislang nicht einmal ihrem Mann berichtet hatte -nicht direkt zur Sprache. Sie beläßt es bei der Andeutung von »Belästigungen und Beleidigungen«. Auch in ihrem Fall fragt der Anhörer nicht nach. Der Bescheid geht in keiner Weise auf den Tatbestand der erlittenen Folter und Mißhandlung ein und vermerkt zu den Gewalttätigkeiten gegen die Söhne: »Auch eine unmittelbare staatliche Verfolgung scheidet aus, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der syrische Staat ihnen wegen der Befragungsmethoden in der Schule Schutz verweigert hätte.« (AZ.: A1031575- 475 vom 4. Juni 1993)

Die Mutter ist inzwischen seit Jahren in psychiatrischer Behandlung, war mehrfach wochenlang in der Psychiatrie. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte attestieren ihr akute, durch ein Gewalttrauma bedingte Störungen und Depressionen. Selbstmordgefahr besteht nach Auffassung der Ärztinnen und Ärzte bei Mann und Frau. Die Familie wird derzeit lediglich aufgrund bestehender krankheitsbedingter Reiseunfähigkeit der Mutter nicht abgeschoben. Entgegen den Erkenntnissen der Traumaforschung wird von manchen Entscheiderinnen und Entscheidern offenkundig erwartet, daß Folter möglichst ausführlich und farbig geschildert wird. Ein schwer gefolterter Kurde aus der Türkei hat dabei nach Auffassung des Bundesamtes offensichtlich versagt: »Für die Schilderung der angeblichen Folter gilt, daß lediglich Foltermethoden aneinandergereiht wurden, ohne daß nach Art der Einlassung der Eindruck entstehen könnte, der Antragsteller habe sie selbst erlitten.« (AZ.: A2106415- 163 vom 18. Juni 1996)

Die weiteren Schlußfolgerungen des Bundesamtes in diesem Fall kommen einer Verhöhnung des betroffenen Flüchtlings gleich: »Gegen solche Willkürmaßnahmen einzelner sind auch Bürger anderer Länder nicht gänzlich gefeit. Daß einzelne Amtsinhaber ihre Befugnisse überschreiten und es zu Entgleisungen kommen mag, ist niemals – auch in einem Rechtsstaat – gänzlich auszuschließen. Amtsmißbrauch und Körperverletzung im Amt sind in der Türkei nach Art. 228ff. und 245 des türkischen Strafgesetzbuches ausdrücklich unter Strafe gestellt. Der Antragsteller hatte daher jederzeit die Möglichkeit, dagegen gerichtlich vorzugehen. (…) Vom Antragsteller wurde nicht vorgetragen, daß er in der gebotenen intensiven Weise gegen das gesetzeswidrige Verhalten der Beamten bei übergeordneten Behörden um Schutz nachgesucht hat. Auch in diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß lan desübliche Gepflogenheiten durchaus eine besondere Rolle spielen und die Vorschriften der deutschen Strafprozeßordnung nicht ohne weiteres auf ein anderes Land übertragbar sind.«

Das Bundesamt verfügt über eine umfangreiche Dokumentation. Quellen, die belegen, daß in der Türkei tausendfach und systematisch gefoltert wird, sind allgemein zugänglich. Landesübliche Gepflogenheiten?

Martin Link ist Geschäftsführer des Flüchtlingsrates Schleswig- Holstein und Flüchtlingsbeauftragter des Kirchenkreises Niendorf, Norderstedt.

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