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TAG DES FLÜCHTLINGS 1997

Der Tod eines unbedeutenden
Mitläufers

Mehmet Kaya, Kurde aus der Türkei, wurde am 24. Juni 1996 in seiner Heimat erschossen. Bis zu seiner Abschiebung im Oktober 1993 hatte Kaya mit seiner Ehefrau und drei Kindern in Handschuhsheim gelebt. Flüchtlingsorganisationen und die örtliche Kirchengemeinde luden am 21. Juli 1996 zu einer Gedenkveranstaltung ein.

Etwa fünfzig Menschen folgten dieser Einladung. Eine Vertreterin des Asylarbeitskreises wies darauf hin, daß der Leidensweg der Familie bereits im Mai 1988 begonnen hatte. In der Schweiz war ihr Asyl verwehrt worden, deshalb führte die Flucht sie im Juli 1989 nach Deutschland. Auch dort hatte Kaya sich politisch engagiert, bevor man die ganze Familie schließlich im Oktober 1993 nach einer regelrechten Odyssee durchs Asylverfahren in die Türkei abgeschoben hatte.

Der damalige Rechtsanwalt der Familie stellte bei der Gedenkfeier die Stationen der Flucht und des Asylverfahrens dar. Nachdem das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag abgelehnt hatte, stufte auch das Verwaltungsgericht Karlsruhe Herrn Kaya als »unbedeutenden Mitläufer« ein, dem keine Gefahr in der Türkei drohe. Die Obergerichte sahen dies ebenso. Die Abschiebung wurde schließlich in die Wege geleitet. Familie Kaya, die sich zunächst 14 Tage lang versteckt gehalten hatte, erwog – im Bewußtsein der Gefährdung in der Heimat – eine freiwillige Rückkehr, da sie keine Chance in Deutschland mehr sahen. Die Behörden kamen der Familie zuvor.

Zurückgekehrt in die Türkei engagierte sich Mehmet Kaya auch weiter in der kurdischen demokratischen Partei HADEP. Auf dem Rückweg von einem Kongreß dieser Partei warten die Mörder. Sie täuschen eine Autopanne vor. Als Kaya und seine Parteifreunde anhalten und helfen wollen, fallen Schüsse. Kaya und zwei weitere Männer sind tot, ein weiterer schwer verletzt. Für den Überfall erklärte sich die »Türkische Rachearmee« (Türk Intikam Tugayi) verantwortlich, von der bekannt ist, daß sie Teil staatlich geduldeter Todesschwadrone in der Türkei ist. Kayas Vater erklärt gegenüber der kurdischen Zeitung »Özgür Politika«, daß sein Sohn bereits vorher von Zivilpolizisten mit dem Tode bedroht wurde und offensichtlich auf einer Todesliste stand. Bis heute wurde keiner der Mörder gefaßt.

Seinen Mördern war Kaya offensichtlich wichtig. Drei Jahre nach der Abschiebung haben sie das Bild des deutschen Verwaltungsgerichts vom »unbedeutenden Mitläufer« gewaltsam korrigiert.


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