TAG DES FLÜCHTLINGS 1995
Datenschutz ist Flüchtlingsschutz
INHALT
- Grußwort der Vertreterin der Hohen Flüchtlingskommissarin der Vereinten Nationen (UNHCR) in der Bundesrepublik Deutschland
- Kriegsflüchtlinge brauchen eine Lebensperspektive
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GRENZEN: LAND, WASSER, LUFT
- Justizlotto am Flughafen
- Kein faires Verfahren für nigerianische Flüchtlinge
- Datenschutz ist Flüchtlingsschutz
- Ein natürlicher Tod
- Deutsche Ufer – Tod an der Grenze
- Festung Europa: Die Odyssee eines Deserteurs aus Kosova
- Verhaftet, gefoltert, verschwunden – wenn deutsche Behörden abschieben
- Lageberichte des Auswärtigen Amtes: Verharmlosung von Menschenrechtsverletzungen?
- Zweierlei Wahrnehmungen: Behördliche Auskünfte und die Realitäten vor Ort
IN DEN HERKUNFTSLÄNDERN
Deutsche können sich in der Regel darauf verlassen, daß erkennungsdienstliche Unterlagen, wenn die Identität festgestellt ist, vernichtet werden soweit gegen die Betroffenen nichts vorliegt. Anders bei Ausländern. Ihre persönlichen Daten, Fotos, Fingerabdrücke bleiben beim Bundeskriminalamt bis zehn Jahre nach der Ausreise gespeichert.
Gegenüber den Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen ist nunmehr jegliche Zurückhaltung aufgegeben worden: Sie sind alle erkennungsdienstlich zu behandeln, sobald sie 14 Jahre alt sind, ganz egal, ob die Identität feststeht oder nicht. Was ist das anderes als die pauschale Verdächtigung aller Asylbewerber? Ist den Verantwortlichen eigentlich bewußt, welch schlimme Botschaft von derartigen Praktiken ausgeht?
Der mangelhafte Datenschutz für Asylbewerber ist auch aus anderen Gründen verantwortungslos. Die Daten im Asylverfahren sind besonders sensibel. Im Ringen um die Anerkennung als Flüchtling geben viele Ausländer Informationen über sich preis, die leicht Anlaß zu erneuter politischer Verfolgung sein können. Lebensgefährlich kann es für manchen Flüchtling sein, wenn die Gründe seiner Flucht ohne viel Federlesens an die Sicherheitsbehörden des Herkunftslandes übermittelt werden.
Nach wie vor haben die Geheimdienste im Zirndorfer Bundesamt für die Anerkennung von Asylbewerbern die Möglichkeit, Einblick in Asylanträge zu nehmen und sich daraus Notizen und Kopien zu fertigen. Sind die Daten erst einmal in den Unterlagen der Geheimdienste, dann führen sie ein Eigenleben. Nicht auszuschließen, daß im Rahmen der Zusammenarbeit mit ausländischen Partnerdiensten hier und da Informationen fließen.
Gewiß, Daten direkt an den Dienst des Herkunftslandes zu übermitteln, das wird man sich hoffentlich zweimal überlegen. Aber an den befreundeten Dienst eines Drittlandes, warum nicht? Was der dann mit den Informationen macht, kann natürlich niemand kontrollieren.
Datenschutz ist Flüchtlingsschutz.
Quelle: SPIEGEL 43/1994 (Auszug)