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04.02.1998

Bundesrat berät über weitere Verschärfung
des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Hunderttausende Flüchtlinge würden Anspruch
auf Leistungen verlieren.
PRO ASYL: Abschiebung auf kaltem Weg – durch Aushungern


Im Schatten der Debatte über den „großen Lauschangriff“ berät der Bundesrat am Freitag dieser Woche über eine Gesetzesinitiative zur weiteren Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Die Initiative, von den Ausschüssen des Bundesrates bereits zur Annahme empfohlen, sieht vor, daß mehrere Personengruppen jeden Anspruch auf die bereits jetzt schon gegenüber der Sozialhilfe um 20% geminderten Leistungen verlieren.

„Handelt es sich im Fall des „großen Lauschangriffs“ um einen Angriff auf die Privatsphäre, geht es bei der Streichung der Leistungen für einen Großteil der in Deutschland lebenden Flüchtlinge um einen Angriff auf ihre Existenzgrundlage. Sie werden mit den Mitteln des Sozialhilferechts vogelfrei gestellt,“ erklärte Heiko Kauffmann, Sprecher von PRO ASYL.

Sollte diese Bundesratsinitiative am Freitag vom Bundesrat und danach vom Bundestag verabschiedet werden, gebe es zukünftig kaum einen effektiven Rechtsschutz, wenn die Sozialämter auf der Grundlage des neuen Gesetzes die Hilfe verweigerten. Denn Eilverfahren vor den Verwaltungsgerichten dauerten erfahrungsgemäß von drei Monaten bis zu einem Jahr. Während dieser Zeit müßten die Betroffenen von der Luft leben und könnten sich keine anwaltliche Vertretung leisten. Im einzelnen betroffen wären folgende Personen und Gruppen:

  • die nach Inkrafttreten des Gesetzes unerlaubt eingereist sind, (dazu gehören auch diejenigen, die ein Asylverfahren erfolglos durchlaufen haben),
  • die (angeblich) nur ins Land gekommen sind, um hier Leistungen zu erhalten,
  • bei denen eine Abschiebung aus (angeblich) von ihnen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist,
  • die nicht freiwillig ausreisen, obwohl es (angeblich) keine Hindernisse für eine Ausreise in den Heimat- oder einen Aufnahmestaat gibt.

PRO ASYL weist auf die Gefahr hin, daß die von jeder Leistung Ausgeschlossenen in die Obdachlosigkeit gedrängt und ihnen der Mundraub nahegelegt werde. Weil man die so Betroffenen aus polizeirechtlichen Gesichtspunkten als potentielle „Störer/innen“ schlechterdings nicht völlig auf der Straße liegenlassen könne, würden sie dann wahrscheinlich in Turnhallen verpflegt. Damit wäre ein drittes Leistungsniveau (nach Sozialhilfe und den bereits drastisch geminderten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz) geschaffen.

PRO ASYL weist darauf hin, daß als größte Gruppe von einer solchen Neuregelung bosnische Kriegsflüchtlinge betroffen wären, da sie nach offizieller Lesart auch dann freiwillig ausreisen könnten, wenn sie aus dem serbisch besetzten Landesteil stammten oder nach traumatisierenden Erfahrungen in psychologischer Behandlung seien. Es handele sich allein bei dieser Gruppe um mehr als 200.000 Menschen.

PRO ASYL-Sprecher Heiko Kauffmann: „Die Gesetzesinitiative flankiert die bislang betriebene umstrittene Politik der aktiven Abschiebungen. Als weiteres Mittel kommt nun die Vertreibung mittels sozialer Entrechtung und Aushungerung hinzu. Die Regelung richtet sich gerade auch gegen bosnische Kriegsflüchtlinge. Es liegt auf der Hand, daß technisch weder die Massenabschiebung von 200.000 Menschen noch deren Aufnahme im Herkunftsstaat unter vertretbaren Bedingungen möglich ist. Wenn man ihnen aber bereits hier ein menschenwürdiges Leben verweigert, so das Kalkül der Gesetzesinitiative, dann werden sie gezwungenermaßen das Elend in der Heimat vorziehen.“

PRO ASYL wirft der „Großen Koalition der Innenminister“ weiter vor, mit der permanenten Verschlechterung der Leistungen für Flüchtlinge und der damit einhergehenden populistischen Debatte eine „Gebetsmühle des Leistungsmißbrauchs“ zu betreiben, in deren Räderwerk alle Sozialhilfeempfänger/innen hineingerieten. PRO ASYL ruft alle SPD-regierten Bundesländer auf, im Bundesrat gegen diese Gesetzesinitiative zur Aushungerung und Entrechtung von Menschen zu votieren.


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