09.07.1998
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge wird nun auch im Ausland tätig
Das Amt schreibt sich die Beweismittel jetzt selbst zusammen
PRO ASYL: Manipulativer Eingriff ins Asylverfahren
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ist die zuständige Behörde für die Entscheidung über Asylanträge. Aufgabe der dort tätigen Einzelentscheider ist es, die Asylgründe im Einzelfall unter Heranziehung und Bewertung verschiedener Quellen zur Lage im Herkunftsstaat zu prüfen. Eine der wichtigsten Quellen sind die Lageberichte des Auswärtigen Amtes, die auf Informationen der deutschen Auslandsvertretungen zurückgehen.
Mit einer neuen Maßnahme beweist die Leitung des Bundesamtes nun, daß sie eine unabhängige Entscheidung der eigenen Bediensteten auf keinen Fall will. Dies belegt die PRO ASYL vorliegende Juni-Ausgabe der bundesamtsinternen Zeitschrift „Der Einzelentscheider-Brief“. Demnach sind seit kurzem Bundesamtsmitarbeiter an die deutschen Botschaften in folgenden Ländern abgestellt: Armenien, Bundesrepublik Jugoslawien, Georgien, Demokratische Republik Kongo, Nigeria, Pakistan, Sri Lanka, Türkei. Togo wird in Kürze folgen. Die Bediensteten des Bundesamtes arbeiten unmittelbar mit bei der Feststellung der Lage vor Ort, bei der Beobachtung des Schicksals abgeschobener Rückkehrerinnen und Rückkehrer und – besonders wichtig zur Verhinderung jeder Flucht – im Visumbereich. Darüber hinaus werden Ermittlungen im Einzelfall durchgeführt. Die Bundesamtsentscheider schreiben an den Auskünften des Auswärtigen Amtes mit, die dann als eine angeblich objektive Schilderung Grundlage der Asylentscheidung bis hin zu den Verwaltungsgerichten sind.
PRO ASYL kritisiert die jetzt bekannt gewordene Kooperation zwischen Bundesamt und dem Auswärtigen Amt. Schon bisher seien die Auskünfte des Auswärtigen Amtes, in denen diplomatische Rücksichten auf die potentiellen Verfolgerstaaten genommen werden müßten, im Asylverfahren grotesk überbewertet worden. Jetzt produziere das Bundesamt Hand in Hand mit dem Auswärtigen Amt seine Erkenntnisquellen gleich selbst. Das Ergebnis sei absehbar: Bisher hätten deutsche Botschaften gelegentlich Menschenrechtsverletzungen – wenn auch diplomatisch verklausuliert – benannt. Künftig werde bis in die Formulierungen hinein abgestimmt, wie asylrelevante Sachverhalte zu beschönigen seien.
PRO ASYL Sprecher Heiko Kauffmann: „Was das Bundesamt verschleiernd „Unterstützung der Auslandsvertretungen“ nennt, ist in Wahrheit ein drastischer manipulativer Eingriff ins Asylverfahren – mit dem Ziel vorweggenommener mundgerechter Ablehnungsbescheide. Der seit dem Ende der Inquisition geltende Grundsatz, daß niemand zugleich Zeuge und Partei sein kann, ist in Sachen Flüchtlinge abgeschafft. Zu hoffen ist, daß die Verwaltungsgerichte nun die Konsequenzen ziehen und den unter Mitarbeit des Bundesamtes erarbeiteten Lagebeurteilungen und Stellungnahmen für die Gerichte jeden Beweiswert absprechen.“