Zum Inkrafttreten des Rückführungsabkommens
mit Rest-Jugoslawien am 1. Dezember 1996:
Bonn zündelt im Kosovo
PRO ASYL fordert Aussetzung des Abkommens
Nachdem Menschenrechtsgruppen und Flüchtlingsinitiativen mehrere Fälle von Festnahmen und Mißhandlungen aus Deutschland zurückgekehrter Flüchtlinge in jüngster Zeit dokumentiert haben, fordert die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL die Aussetzung des Rückführungsabkommens mit Rest-Jugoslawien. Die von jugoslawischer Regierungsseite abgegebene Zusicherung einer „vollen Achtung der Menschenrechte und der Würde der zurückkehrenden Personen“ sei bloße Propaganda, solange sie nicht international überprüfbar – so etwa durch die Wiederzulassung einer OSZE-Beobachterkommission – eingehalten werde.
Der Menschenrechtsverein in Prishtina, amnesty international und der Bayerische Flüchtlingsrat hatten vor kurzem Einzelfälle schwerer Menschenrechtsverletzungen im Kosovo dokumentiert. „Wenn wenige Wochen vor Inkrafttreten des Rückführungsabkommens Menschenrechtsverletzungen, von willkürlichen Verhaftungen bis zu Folterungen, vorkommen, ist nicht ernsthaft anzunehmen, daß sich die Lage ab dem 1. Dezember in einer Weise ändert, daß die Sicherheit von Rückkehrern garantiert werden kann“, erklärte Heiko Kauffmann, Sprecher von PRO ASYL.
Besonders gefährdet sind nach Erkenntnissen von Menschenrechtsgruppen und PRO ASYL Flüchtlinge, die in das Blickfeld der jugoslawisch/serbischen Behörden geraten sind, als (mögliche) Regimegegner wahrgenommen und der Unterstützung des „Separatismus“ verdächtigt werden.
Diese Gefährdung, so Kauffmann, werde durch den infolge des Abkommens möglichen Datenaustausch zwischen jugoslawischen und deutschen Behörden noch verstärkt, da die serbische Seite aus den Daten unschwer Herkunft, Identität, Aufenthaltsgrund in Deutschland (z. B. Asylantragstellung) erkennen könne.
Ebenfalls gefährdet seien Wehrdienstverweigerer und Deserteure, weil das am 18. Juni 1996 erlassenen Amnestiegesetz viele Lücken aufweise und z. B. Berufssoldaten, Offiziere und Unteroffiziere von der Amnestie ausschließe. Betroffen sind auch die Angehörigen politisch aktiver Personen. Ihnen droht Sippenhaft. So sei vor kurzem der 14-jährige Bruder eines in Deutschland asylsuchenden Deserteurs 10 Tage lang inhaftiert und mißhandelt worden. Er sei erst nach Zahlung einer hohen Geldsumme freigelassen worden.
Selbst das Auswärtige Amt bezeichne die staatliche Repression im Kosovo in einem Lagebericht als „Willkür“. In dieser Situation könne die Repression jederzeit jeden treffen, müsse aber nicht.
PRO ASYL weist weiter auf die Tatsache hin, daß der serbische Nationalismus im Kosovo den Nährboden für den unaufhaltsamen Aufstieg Milosevics dargestellt habe. Es sei nicht zu erwarten, daß sich die Kosovo-Serben nun damit abfinden würden, daß die Rückkehr einer großen Zahl von Flüchtlingen das Scheitern ihrer Vertreibungspolitik markiere. „Die Stimmungsmache der serbischen Nationalisten gegen die Rückkehrer hat bereits begonnen. UNHCR warnt vor einer Verschärfung der Spannungen. Aber Bonn zündelt mit im Kosovo“, so Heiko Kauffmann.