04.08.1998
Frankfurter Rundschau
Bayern will Überwachung albanischer Opposition
Beckstein berichtet von Spenden für „Befreiungsarmee“
Abschiebung von Straftätern strittig
MÜNCHEN/FRANKFURT A. M., 3. August (ap/pit). Angesichts des Kosovo-Konflikts müssen die Aktionen albanischer Oppositioneller in Deutschland nach Ansicht des bayerischen Innenministers Günther Beckstein stärker überwacht werden. Mehrere ihrer Organisationen hätten in kürzester Zeit Millionenspenden zur Unterstützung der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) gesammelt und Kämpfer rekrutiert, sagte der CSU-Politiker bei der Vorstellung des Halbjahresberichts des bayerischen Verfassungsschutzes am Montag in München.
Im ersten Halbjahr 1998 sind nach Angaben Becksteins mehr Kosovo-Albaner nach Deutschland gekommen als die von der Bundesregierung geschätzten 10 000. Es gebe eine größere Zahl von Kosovo-Albanern, die kein Asyl beantragten und deshalb nicht von den Behörden erfaßt würden. Das UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR gibt die Zahl der Kosovo-Albaner in Deutschland mit bis zu 200 000 an. Davon seien 130 000 bis 150 000 jetzt oder demnächst ausreisepflichtig, sagte Sprecher Stefan Telöken der FR.
Seine Organisation hat wie Pro Asyl und amnesty international schon mehrfach an europäische Regierungen appelliert, von der Abschiebung von Menschen aus Kosovo abzusehen. Das UNHCR betonte in diesem Zusammenhang, daß von dem Bürgerkrieg „nicht nur Kosovo-Albaner, sondern auch Serben, Montenegriner, Roma und muslimische Slawen betroffen“ seien. Die Schweiz hat nach UNHCR-Angaben beschlossen, zunächst bis Ende September auf Abschiebungen nach Kosovo zu verzichten. In der Bundesrepublik gibt es keinen entsprechenden formalen Abschiebestopp. Bonn argumentiert, es sehe eine „inländische Fluchtalternative“ in Jugoslawien. Das UNHCR meint jedoch, dieses Konzept sollte „grundsätzlich nicht angewandt werden, wenn eine Person vor staatlicher Verfolgung flieht“. Die deutschen Bundesländer haben in den vergangenen Wochen ausschließlich Kosovo-Albaner zurückgebracht, die straffällig geworden sind. Als Voraussetzung gilt ein Rechtsverstoß, der mit mindestens 50 Tagessätzen geahndet wird. Pro Asyl meint, daß auch diese Menschen ein Recht auf Schutz vor einer Gefährdung hätten, zumal eine solche Strafe auch durch Verstöße gegen das Ausländerrecht erreicht werden könnte. „Wenn die Situation so ist, wie sie im Moment in Kosovo ist, dann gibt es auch keine Rechtfertigung zur Rückführung von Straftätern“, meint Bernd Mesovic von Pro Asyl. Der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Jamal Karsli (Grüne) stimmt ihm zu. Er befürchtet: „Viele von diesen Menschen sympathisieren mit der UCK. Wenn sie nicht gleich festgenommen werden, macht man sie zu Kanonenfutter. Das heißt: Man gießt Öl aufs Feuer.“