TAG DES FLÜCHTLINGS 1987
Aufruf des Vertreters des
Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen
zum Tag des Flüchtlings 1987
INHALT
- Aufruf des Vertreters des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen zum Tag des Flüchtlings 1987
- Aufruf: Pro Asyl
- Abschied von einem Grundrecht
- Christen und Asyl
- „Möchten Sie das Los eines Flüchtlings…?“
- Hilfe und Schutz für Flüchtlinge in Berlin
- Sprühaktion gegen Ausländerfeindlichkeit
- Flüchtlinge suchten Gespräch mit Bürgern
- Mit Plakatwänden Gegenöffentlichkeit schaffen
- Stellungnahmen zur Asyldiskussion
Millionen Menschen sind derzeit in der Welt auf der Flucht. Sie fliehen nicht nur vor der Gewalt lokaler und regionaler militärischer Auseinandersetzungen oder sind auf der Suche nach einer menschenwürdigen Existenz, die oft wegen katastrophaler wirtschaftlicher Bedingungen in ihren Heimatländern nicht gewährleistet ist. Sie entfliehen auch Herrschaftssystemen, die die elementarsten Menschenrechte mit Füßen treten. Millionen Menschen sind gezwungen, ihre Heimat infolge begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung zu verlassen (Art. I A Abs. 2 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951). Derzeit gehen wir von etwa 13 Millionen Menschen aus, die unter das Mandat des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) fallen.
Mehr als die Hälfte der von UNHCR erfaßten Flüchtlinge nur ein Teil der Gesamtzahl des weltweiten Flüchtlingsproblems wurden in Asien, mehr als ein Drittel in Afrika aufgenommen. Insgesamt befinden sich über 95% der Schutzbedürftigen in .Erstaufnahmeländern der sogenannten „Dritten Welt“, in Ländern, die oft kaum in der Lage sind, die Ernährung der eigenen Bevölkerung zu gewährleisten, und dennoch bereit sind, Flüchtlinge .aufzunehmen. Staatliche und nicht-staatliche Hilfsorganisationen wie UNHCR bemühen sich, dieseLänder in ihrem humanitären Anliegen finanziell zü unterstützen.. Sie sind dazu aber auf die großzügige Unterstützung der Länder der „Ersten Welt“ angewiesen.
Die überwältigende Mehrheit der schutzsuchenden Personen findet Aufnahme in den Ländern der Dritten Welt, also innerhalb der Region, in der sich auch die Heimatländer der Flüchtlinge befinden. Die Mehrheit der Flüchtlinge würde auch gar nicht aus der Region abwandern, wenn nur die Bedingungen für eine menschenwürdige Existenz vor Ort gewährleistet wären. Nur eine geringe Zahl von Personen wandert spontan aus den verschiedensten Gründen aus der Region aus und erreicht die Grenzen der westlichen, industrialisierten Welt, wo sie aber. immer häufiger die Türen verschlossen finden.
„Flüchtlinge annehmen ein Beitrag zum Frieden“, so sagt das Plakat zum diesjährigen Flüchtlingstag. Vor dem Hintergrund des Weltflüchtlingsproblems heißt dies u.a.: -Alle Bemühungen zu unterstützen, die zur Beseitigung der Ursache von Flüchtlingsströmen führen. Die volle :moralische, aber insbesöndere auch finanzielle Unterstützung derjenigen Länder der Dritten Welt, die ihre Türen für Flüchtlinge geöffnet haben, damit die notwendigen Bedingungen. für die Wiedererlangung einer menschenwürdigen Existenz für die betroffenen Personen geschaffen werden können. Ein wachsendes Verständnis und Hilfsbereitschaft für die Flüchtlinge und Asylbewerber, die . bei uns um Hilfe nachsuchen.
Toleranz und Solidarität sind zwei Pfeiler des Beitrages, den jedermann leisten kann. Solidarität heißt nicht nur die Bereitschaft, die Not der Flüchtlinge. in der Dritten Welt durch Spenden zu lindern, sie erfordert auch die Unterstützung politischer Initiativen, die die Friedensarbeit insgesamt fördern.
Solidarität heißt natürlich auch, daß man die Tür des eigenen Landes offenhält und Vorurteilen den Fremden gegenüber entschlossen und wirksam entgegentritt, damit das Verständnis für das Verfolgungsschicksal des einzelnen Flüchtlings wächst. Mißtrauen, oder gar die Ablehnung gegenüber Fremden generell, insbesondere gegenüber schutzsuchenden Fremden, rriuß der menschlichen Anteilnahme an der besonderen Situation der Flüchtlinge weichen.
Generelle Abwehrmaßnahmen, so hat die Erfahrung in den letzten Jahren gelehrt, sind nicht die geeigneten. Instrumente, um die Probleme, die durch die unrechtmäßige Inanspruchnahme des Asylrechts entstehen, in den Griff zu bekommen. Dazu ist eher ein zügiges und faires Asylverfahren geeignet. Abwehrmaßnahmen verlagern zwar die Probleme, sie lösen sie aber. nicht! ..
Das Weltflüchtlingsproblem kann nur im gemeinsamen Bestreben nach einer menschenwürdigen Handhabung der humanitären Prinzipien bewältigt werden.
In .diesem Sinne verbindet sich mit diesem Aufruf auch die Hoffnung, daß die Malnahmen, die in der Bundesrepublik zur Abschreckung von Asylsuchenden eingeführt wurden und die besonders in ihrem Zusammenspiel mit der langen Asylverfahrensdauer die betroffenen Menschen bis an die Grenze ihrer psychischen Belastbarkeit einschränken, abgebaut werden. Das Flüchtlingsproblem ist immer ein menschliches Problem gewesen, und menschliche Belange sollten auch bei der Erarbeitung von Lösungswegen den Vorrang haben.
Rene van Rooyen
Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in der Bundesrepublik Deutschland.
Aufruf des Kirchen
Zu uns kommen viele Flüchtlinge aus den Krisengebieten der Erde. In den öffentlichen Auseinandersetzungen. werden dazu sehr verschiedene Meinungen vertreten. Für uns Christen aber gilt:. Flüchtlinge sind Menschen, deren Leben und Existenz bedrängt und bedroht sind. Es ist unsere Pflicht, ihnen zu helfen und sie aufzunehmen, solange sie nicht zurückkehren können. Es reicht aber nicht, ihnen die mindesten materiellen Mittel zu geben, damit sie leben können; sie brauchen auch unsere Zuwendung. Sie müssen erfahren, daß sie nicht in einen perfekt funktionierenden Apparat, sondern daß sie zu Menschen gekommen sind . Wir haben deshalb die dringende Bitte, Flüchtlinge in ihren Unterkünften zu besuchen. und sie zu .gemeinsamen Veranstaltungen und zum Gottesdienst einzuladen. Ein Anstoß dazu soll der Tag.des Flüchtlings am Freitag, dem 2. Oktober 1987 sein. Im Gleichnis vom großen Weltgericht sagte Jesus Christus: „Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen. Amen: Ich sage Euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25, 35. 40).
Bischof Dr. Kruse
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
Metropolit Augoustinos
Griechisch-Orthodoxer Metropolit in Deutschland
Kardinal Höffner
Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz