Asylsuchende Palästinenser auf dem Rhein-Main-Flughafen
BGS kontaktierte israelische Botschaft
widerrechtlich noch vor der Anhörung
PRO ASYL: Kurzer Dienstweg kein Einzelfall?
Noch bevor zwei asylsuchende Palästinenser vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu ihrem Asylverfahren angehört wurden, hat der Bundesgrenzschutz ihre persönlichen Daten an die israelische Botschaft weitergeben und Erkundigungen über ihre mögliche Beteiligung an Straftaten eingezogen.
Bereits zwei Tage nach dieser BGS-Befragung lagen dem BKA und dem Bundesamt Erkenntnisse der israelischen Botschaft vor, die in einem Gesprächsvermerk festgehalten wurden (siehe Anlage). Ohne Quellennennung wurden den Asylsuchenden im Rahmen ihrer Anhörung beim Bundesamt diese Erkenntnisse entgegengehalten. Am 11. Dezember 1997 wurden die Asylanträge der beiden abgelehnt, die Abschiebung „in die palästinensischen Autonomiegebiete über Israel“ angedroht.
In einer kürzlich bekannt gewordenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt wird festgestellt, daß die Einschaltung israelischer Stellen ohne hinreichende Rechtsgrundlage erfolgt ist. Dennoch wurde die Abschiebungsentscheidung des Bundesamtes nicht korrigiert.
Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL kritisiert, daß auch der Verdacht auf Straftaten es nicht rechtfertige, einen kurzen Draht zum möglichen Verfolgerland herzustellen. Zulässig wäre höchstens ein Versuch des Bundesamtes gewesen, über das Auswärtige Amt zu versuchen, Informationen auf einem für die Betroffenen ungefährlichen Weg einzuziehen, wie dies in anderen Fällen auch geschehe.
PRO ASYL weist darauf hin, daß nach den Vorgaben des Asylverfahrensgesetzes die von einem Flüchtling vorgetragenen Verfolgungsgründe selbst an den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen nur übermittelt werden dürfen, wenn der Betroffene seine ausdrückliche Einwilligung erteilt hat. Um so weniger sei natürlich die direkte Auskunftssuche bei Botschaften zulässig.
PRO ASYL fordert das Bundesinnenministerium auf, zu dem Vorfall Stellung zu nehmen und darüber hinaus anzugeben, ob und gegebenenfalls in welche Staaten Informationen während eines laufenden Asylverfahrens übermittelt werden. Der kurze Dienstweg sei möglicherweise kein Einzelfall.
Der Fall der beiden Palästinenser hat inzwischen eine überraschende Entwicklung genommen. Weder die Verwaltung der palästinensischen Autonomiegebiete noch Israel scheinen zur Zeit Paßersatzpapiere ausstellen zu wollen. Die Palästinenser mußten deshalb aus der Abschiebungshaft entlassen werden.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes ist in erheblichem Maße fehlerhaft. Die Auskünfte der israelischen Seite hätten niemals ungeprüft ins deutsche Asylverfahren eingehen dürfen oder zum Gegenstand bloßer Plausibilitätserwägungen genommen werden dürfen. Auskünfte potentieller Verfolgerstaaten können nämlich immer in dem Interesse manipuliert sein, einer Person habhaft zu werden. Darüber hinaus ist die Abschiebung in die Autonomiegebiete angedroht worden, obwohl sich der Richter mit der Frage einer Gefährdung dort überhaupt nicht auseinandergesetzt hat. Die Tatsache, daß das VG rechtswidrig eingeholte Auskünfte verwertet hat, ohne Konsequenzen zu ziehen und sich um die für die Betroffenen möglicherweise entstehenden Folgen zu kümmern, öffnet im übrigen Tür und Tor für weitere Versuche, Informationen von Asylsuchenden ausländischen Interessenten frei Haus zu liefern.
Beim laxen Umgang bei der Einholung und Erteilung von Auskünften über Asylsuchende handelt es sich im übrigen nicht um einen Ausnahmefall. Erst vor kurzem hat das Verwaltungsgericht Gießen festgestellt, daß der von Generalbundesanwalt und Bundesjustizministerium seit Jahrzehnten praktizierte „Strafnachrichtenaustausch“ rechtswidrig ist. Eine gesetzliche Grundlage für die Weitergabe personenbezogener Daten gebe es bis heute nicht. Im konkreten Fall eines Kurden sei die Weitergabe seiner Straftaten an die Türkei ein Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewesen. Die übermittelnden deutschen Stellen hätten darüber hinaus nachträgliche Asylgründe erst geschaffen, weil ihm nun Verfolgung drohe. Das Bundesjustizministerium hat sein rechtswidriges Verhalten damit gerechtfertigt, es sei bekannt, daß die gesetzliche Grundlage für den Informationsaustausch fehle, man nehme jedoch einen „Übergangsbonus“ für die Anpassung an das Bundesverfassungsgerichtsurteil zur informationellen Selbstbestimmung in Anspruch. PRO ASYL hält eine 15-jährige Übergangsfrist für die Umsetzung einer grundgesetzlichen Vorgabe für skandalös, um so mehr, da es in dieser Frage für die Betroffenen um Kopf und Kragen geht.