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17.11.1995

Anhörung in Karlsruhe am 21. November 1995:
Appell an Karlsruhe: Fluchtgründe müssen wieder entscheidend sein


„Rechtstaatlichkeit sollte das einzige Kriterium für Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes sein“, sagte Heiko Kauffmann, Sprecher von PRO ASYL, anläßlich der bevorstehenden Anhörung des Bundesverfassungsgerichtes zum Asylrecht. „Seit Monaten läuft eine Kampagne der Bundesregierung, Karlsruhe politisch unter Druck zu setzen. Die Verfassungsrichter sollten sich davon nicht beeinflussen lassen.“ Karlsruhe habe keine politische Entscheidung zu treffen, sondern zu prüfen, ob das Asylrecht für den einzelnen Flüchtling noch rechtstaatliche Schutzgarantien biete.

Nach Auffassung von PRO ASYL verstößt das neue Asylrecht in weiten Teilen gegen unsere Verfassung, so z.B. das Konzept sicherer Drittstaaten, das Prinzip des sicheren Herkunftslandes und das Eilverfahren am Flughafen. Diese Elemente des neuen Asylrechts verstoßen zudem gegen das internationale Flüchtlingsrecht.

Die Drittstaatenregelung wird u.a. anhand folgenden Falles in Karlsruhe erörtert werden.

Am 19. August 1993 landete mit dem Flugzeug aus Griechenland kommend, die syrisch-orthodoxe Christin Esther (Name geändert) am Frankfurter Flughafen. Sie floh aus dem Irak über das Gebirge in die Türkei, von dort nach Griechenland. Dort steigt sie in das nächste Flugzeug und fliegt nach Deutschland.

Die Gründe für ihre Flucht sind schwerwiegend: Sie sollte für das Regime Arbeitskollegen ausspionieren. Esther weigerte sich. Die Konsequenz: Sie wurde vorsätzlich mit dem Auto angefahren und als sie sich nach dem Krankenhausaufenthalt immer noch weigerte, kamen die Schergen des Regimes zu ihrem Elternhaus. Sie schlugen und traten die Eltern vor ihren Augen zusammen. Als sie dazwischen gehen wollte, wurde auch sie verprügelt. Man versuchte, sie sexuell zu mißbrauchen. Als eine Nachbarin Alarm schlug, ließen die Eindringlinge ab. Beide Eltern starben an den Folgen ihrer Verletzungen, Esther floh Hals über Kopf.

Nach dem neuen Asylrecht zählt nicht mehr der Grund für die Flucht, sondern allein der Fluchtweg. Esther – und andere – sollen in jedem Fall und um jeden Preis abgeschoben werden, in diesem Fall nach Griechenland. Griechenland wendet seinerseits eine ähnliche Drittstaatenregelung wie die Bundesrepublik an; Esther droht in Griechenland die Abschiebung in die Türkei. Die Türkei gewährt grundsätzlich nur Flüchtlingen aus europäischen Ländern Asyl. Somit droht eine Kettenabschiebung in den Verfolgerstaat.

„Mit der Drittstaatenregelung hat Deutschland ein Instrument geschaffen, bedrohten Menschen selbst den rechtlichen Mindestschutz zu verwehren“, erklärte Heiko Kauffmann. Angesichts der weltweit gestiegenen Flüchtlingszahlen müßten Deutschland und die nördlichen Industriestaaten weitaus mehr für den Schutz von Flüchtlingen tun. Das neue Asylrecht sei jedoch nur noch ein Instrument der Abwehr und Abschottung gegenüber Flüchtlingen, erklärte Kauffmann.


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