Anti-Rassismus-Tag, 21. März:
PRO ASYL kritisiert Asylbewerberleistungsgesetz scharf:
Anschlag auf die Menschenwürde!
Kritiker geißeln „Vertreibung durch Aushungern“ – Frankfurter Rundschau vom 21.3.1998
G. Classen: Abschieben durch Aushungern (Beitrag ist nicht mehr erreichbar)
Zum Anti-Rassismus-Tag der Vereinten Nationen appelliert die bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL an alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages, den vom Bundesrat gebilligten Entwurf zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes nicht im Hauruckverfahren in den letzten Sitzungswochen des deutschen Bundestages durchzupeitschen. Angesichts des bevorstehenden Bundestagswahlkampfes würden mit dem Gesetzentwurf ausländerfeindliche Stimmungen verstärkt.
Der Entwurf sei ein „Anschlag auf die Menschenwürde“, erklärte Heiko Kauffmann, Sprecher von PRO ASYL. Die in dem Entwurf vorgesehenen Einschränkungen gingen von der Internierung bestimmter Personengruppen in Unterkünften mit Sachleistungs(zwangs)verpflegung bis hin zur Reduzierung der Hilfen auf „das Unabdingbare“ für Menschen, die angeblich freiwillig ausreisen könnten. „Die Sozialämter werden dabei zu Vollzugsgehilfen eines Rechts gemacht, das Menschen systematisch aushungert. Dies ist staatlich verordnete Unmenschlichkeit und institutionalisierter Rassismus“, so Kauffmann. Wegen der bisher weit unterschätzten Tragweite des Gesetzes fordert PRO ASYL eine Sachverständigenanhörung, zu der auch Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen geladen werden sollten.
Bereits die Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes im Jahre 1993 sei der sozialpolitische „Sündenfall“, der Einstieg in ein Mehrklassen-Leistungsrecht und letztlich der Beginn eines Ausstiegs aus der Sozialhilfe gewesen. Das Europäische Jahr gegen Rassismus 1997 sei der Auftakt gewesen für weitere Versuche, durch permanente Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetzes Flüchtlinge dauerhaft unter das Existenzminimum zu drücken und außer Landes zu drängen.
Vor dem Hintergrund deutscher Geschichte sei gerade die Politik zu erhöhter Sensibilität verpflichtet, wenn es um die Entstehung von Strukturen staatlich legitimierter Ausgrenzung gehe. Die Entwicklung von der Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes bis zu seiner jetzt geplanten 2. Novellierung sei beunruhigend. Man habe zunächst ein Sondergesetz für eine bestimmte Personengruppe gemacht. Nachdem dies als angeblich nur zeitweilige Lösung auf keinen nennenswerten parlamentarischen Widerstand gestoßen sei, habe man die Ausgrenzung für einen längeren Zeitraum eingeführt. Jetzt versuche man permanent, der Öffentlichkeit und desinformierten Parlamentariern weitere „Aus-schlußgründe“ und „Anspruchseinschränkungen“ bis zum vollständigen Entzug von Leistungen schmackhaft zu machen.
„So wird ein Gesetz zum Prügel gegen eine Gruppe von Menschen“, sagte Kauffmann. Es entspreche Standpunkten, die vor wenigen Jahren nur bei den „Republikanern“ denkbar gewesen seien.