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TAG DES FLÜCHTLINGS 1990

„Alles wegen eines Weihnachtsbaumes“

Flüchtlingsschicksale

Hella Rietenbach, Flüchtlingsrat Berlin

Mitte Dezember entwendete ein 16jähriger Palästinenser, auf Bitten seines erwachsenen Bruders, einen Weihnachtsbaum.

Drei Polizeibeamte kamen daraufhin in die nahegelegene Wohnung des Bruders. Obwohl dieser sofort seine Schuld eingestand und den Baum zurückgab, wurde die gesamte Wohnung durchsucht. Man suchte auch unter der Bettdecke, in den Schubladen und schaute in den Kühlschrank.

Die Beamten nahmen die Personalien auf und erteilten den beiden Brüdern für die gesamte Zeit ein Kontaktverbot.

Da der Jugendliche seinen Paß im Wohnheim bei den Eltern aufbewahrt hatte, wurden ein vergitterter Mannschaftswagen und vier weitere Kollegen gerufen.

Diese übernahmen den Jugendlichen, durchsuchten ihn erneut und fuhren mit ihm ins Wohnheim.

Unterwegs wurde der 16jährige mit Ausdrücken belegt wie: „Du stinkst!“ – „Sprich Deutsch (oder deutlich), sonst kriegst Du von mir etwas aufs Maul!“

Zueinander: „Wir pissen auf ihn in seine Taschen!“ -„Der wohnt bestimmt im Keller!“ etc.

Gegen Ende der Fahrt legten die Polizeibeamten dem Jugendlichen Handschellen an. Damit mußte er erst in dem Wagen knien, dann stehen. Beim Bremsen fiel er auf den vor ihm sitzenden Beamten, woraufhin es hieß: „Greif meinen Freund nicht an!“

Auf der Straße wurde er geohrfeigt, sowie mehrmals in die Lebergegend geschlagen, wobei gleichzeitig ein weiterer Polizeibeamter die Handfesseln zusammenzog, bis es schmerzte.

– Hier endet die „Weihnachtsgeschichte“! –

Zur Hintergrundinformation über den Jugendlichen:

Seit seinem dritten Lebensjahr erlebte er den Krieg im Libanon. Oft mehrmals im Jahr ausgebombt, z. T als Ziel von Anschlägen mußte die Familie den Ort wechseln. 1986 wurde der 16jährige von der Amal-Miliz mit der Waffe im Anschlag nachts aus dem Bett geholt und im Buji al Murr Gefängnis tagelang eingesperrt – weil er Palästinenser ist.

Nun ist er in Berlin!


Seid willkommen

ihr Schwestern

und Brüder der Welt, seid willkommen. Die Wände,

die Euch hier im Land kränken,

wurden nicht

von meinen Händen beschmiert.

Die Blicke,

die Euch mit Verachtung treffen,

kommen nicht

aus meinen Augen.

Die Sprache, die Euch täglich

beschimpft,

kommt nicht

aus meinem Mund.

Doch ich schäme mich

für diese Wände,

diese Blicke,

diese Sprache

und heiße Euch herzlich willkommen!

Alfons Czeskleba
aus: In die Flucht geschlagen, Anja Tuckermann (Hg.), Luchterhand Literaturverlag 1989

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