Abschiebungshaft in Deutschland
Eine Situationsbeschreibung
Hubert Heinhold
Herausgegeben vom Förderverein PRO ASYL e.V.
und dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. März 1997
im von Loeper Literaturverlag
(Volltext ohne Anmerkungen)
1.1 Die Vorbereitungshaft (§ 57 I AuslG)
1.2 Die Sicherungshaft (§ 57 II, III AuslG)
2.1 Baden-Württemberg
2.2 Bayern
2.3 Berlin
2.4 Brandenburg
2.5 Bremen
2.6 Hamburg
2.7 Hessen
2.8 Mecklenburg-Vorpommern
2.9 Niedersachsen
2.10 Nordrhein-Westfalen
2.11 Rheinland-Pfalz
2.12 Saarland
2.13 Sachsen
2.14 Sachsen-Anhalt
2.15 Schleswig-Holstein
2.16 Thüringen
2.17 Bundesdeutsche Statistik
3. Die Abschiebungshaft in der Praxis
3.1 Die Verhaftung
3.2 Zugangssituation
3.3 Haftbedingungen
3.3.1 Örtlichkeiten
3.3.2 Hygiene
3.3.3 Sicherstellen von Habe, Besitztum
3.3.4 Vermögen
3.3.5 Betreuung
3.4 Die Interessen der Häftlinge
4. Frauen und Minderjährige in der Haft
5. Der Tod in der Abschiebungshaft
6. Beendigung der Haft
6.1 Beendigung der Haft ohne Abschiebung
6.2 Die Abschiebung
7. Fazit
7.1 Überlegungen
7.2 Forderungen
Anhang
Abschiebungshaft in Deutschland
(mit Forderungen von diversen Organisationen)
Auszüge in der Frankfurter Rundschau (12/97)
Heinhold bei einer Diskussion mit Minister Beckstein

Vorwort
Dieses Buch versucht, die Bedingungen und Ausgestaltung der Abschiebungshaft in Deutschland darzustellen. Dem Föderalismus ist auch hier eine große Vielfalt zu danken. Teilweise wird die Abschiebungshaft in speziellen Abschiebungshaftanstalten vollzogen, teilweise in den normalen Strafvollzugsanstalten. Einige Länder haben spezielle Vollzugsgesetze erlassen, manche wenigstens Richtlinien und manche sind der Auffassung, das Freiheitsentziehungsgesetz und das Strafvollzugsgesetz ließe sich entsprechend anwenden. Dementsprechend unterschiedlich sind die Bedingungen, unter denen Abschiebungshaft in Deutschland stattfindet: Sie sind, hält man überhaupt eine Abschiebungshaft für zulässig, manchmal akzeptabel, oft ungenügend und gelegentlich menschenrechtswidrig. Gemessen am Zweck der Abschiebungshaft ist die Situation in Deutschland insgesamt nicht nur als unbefriedigend, sondern als überwiegend rechtswidrig zu bezeichnen.
Der vorliegende Bericht versucht nicht, diese Behauptung juristisch zu beweisen. Dies hat bereits Peter Knösel in seinem Rechtsgutachten zur Verfassungswidrigkeit der Abschiebungshaft (ZDWF-Heft Nr. 62) getan. Dieses Buch will für diese zutreffende juristische Bewertung Tatsachenmaterial liefern und sie sinnlich erfahrbar machen. Deshalb enthält es auch subjektive Schilderungen Betroffener und ihrer Helfer und Auszüge aus Erfahrungsberichten.
Mein Versuch, die bundesdeutsche Wirklichkeit in den „Abschiebeknästen“ darzustellen, wäre ohne die Mitarbeit vieler Menschen vor Ort zum Scheitern verurteilt gewesen. Ich danke den Kollegen, den Initiativen und den haupt- und ehrenamtlichen Helfern in den Vollzugsanstalten für die Informationen und die Berichte, die sie mir übermittelt haben. Besonderen Dank schulde ich meiner Praktikantin, Frau Nele Meyer, für die Zuarbeit, die Systematisierung und Aktualisierung der Informationen. Dank schulde ich auch meiner Mitarbeiterin, Gabi Mayr, ohne die auch dieses Buch nicht möglich gewesen wäre.
München im März 1997
1. Die Abschiebungshaft
„Die Abschiebungshaft dient dem Zweck, durch sichere Verwahrung der Abschiebungsgefangenen die Durchführung von Abschiebungen zu gewährleisten“.
Abschiebemaßnahmen können nur gegen Personen eingeleitet werden, die nach § 42 I AuslG vollziehbar einer Ausreisepflicht unterliegen. Ausreisepflichtig ist derjenige, der sich unberechtigt in der Bundesrepublik aufhält. Dies kann bei illegaler Einreise der Fall sein oder auch bei Beendigung einer Aufenthaltsgenehmigung durch Widerruf oder Fristablauf (§ 42 II AuslG). Folglich können nur Ausländer und Ausländerinnen und Staatenlose von Abschiebung (und Abschiebungshaft) betroffen sein, da Deutsche grundsätzlich ein uneingeschränktes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik innehaben.
Kommt eine Person ihrer Ausreisepflicht nicht innerhalb der ihr gesetzten Ausreisefrist (in der Regel 8 bis 30 Tage) nach, kann ihr aber die tatsächliche Möglichkeit dazu unterstellt werden, so greift § 49 II AuslG: die Person ist abzuschieben.
Abschiebung ist die Durchsetzung der Ausreisepflicht einer Person durch die Ausländerbehörde. Die Ausländerbehörde ist verpflichtet, alle Möglichkeiten zur Abschiebung, bei denen auf eine Inhaftierung der/des Betroffenen verzichtet werden kann, auszuschöpfen (Direktabschiebung). Daher darf nur nach einem gescheiterten Versuch einer Direktabschiebung oder beim Vorliegen besonderer Gründe, die im Verhalten der abzuschiebenden Person liegen und die Durchführung einer Abschiebung verhindern, gemäß § 57 II AuslG die Abschiebungshaft verhängt werden. Die Praxis ist hierbei jedoch – zu Lasten der Betroffenen – sehr großzügig.
Die Abschiebungshaft ist keine Strafhaft, sie hat also weder sanktionierenden noch rehabilitierenden Charakter. Eine strafrechtliche Verurteilung muß ihr nicht vorangehen. Vielmehr ist die Abschiebungshaft eine Zivilhaft mit – so die Vorstellung des Gesetzgebers – Sicherungsfunktion. Die Abschiebungshaft ist dem Zivilrecht zuzuordnen und als Verwaltungsvollstreckungsmaßnahme zu verstehen, die allein der Durchsetzung der Ausreisepflicht durch Abschiebung dient und nur unter bestimmten Voraussetzungen verhängt werden kann.
Diese zu erfüllenden Voraussetzungen finden sich in § 57 AuslG, der die Abschiebungshaft regelt:
§ 57 Abschiebungshaft
Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.
Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
1. der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist,
2. die Ausreisepflicht abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
3. er aus von ihm zu vertretenden Gründen zu einem für die Abschiebung angekündigten Termin nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde,
4. er sich in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen hat
5. oder der begründete Verdacht besteht, daß er sich der Abschiebung entziehen will.
Der Ausländer kann für die Dauer von längstens einer Woche in Sicherungshaft genommen werden, wenn die Ausreisepflicht abgelaufen ist und feststeht, daß die Abschiebung durchgeführt werden kann. Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nr. 1 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, daß er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, daß aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.
Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen der Ausländer seine Abschiebung verhindert, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
Zunächst werden zwei Arten von Abschiebungshaft unterschieden, die Vorbereitungshaft (§ 57 I AuslG) und die Sicherungshaft (§ 57 II, III AuslG).
1.1 Die Vorbereitungshaft (§ 57 I AuslG)
Ein Ausländer ist nach § 57 I AuslG dann auf richterliche Anordnung zur Vorbereitung der Ausweisung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde. Die Ausländerbehörde muß also ein Ausweisungsverfahren betreiben und die Durchführung der Abschiebung muß zugleich besonders stark gefährdet sein.
Die Vorbereitungshaft darf in aller Regel sechs Wochen nicht überschreiten. Schon im Moment der Haftanordnung durch den Richter muß also als sicher feststehen, daß innerhalb dieser sechs Wochen Höchstdauer der Haft eine Ausweisungsverfügung ergehen wird, ansonsten ist die Haft unzulässig.
1.2 Die Sicherungshaft (§ 57 II, III AuslG)
Die Voraussetzungen für eine Anordnung der Sicherungshaft waren bis 1992 nur allgemein gehalten. Damals war eine zur Ausreise verpflichtete Person zur Sicherung der Abschiebung dann in Haft zu nehmen, wenn der begründete Verdacht bestand, daß sie sich der Abschiebung entziehen wollte. 1992 ergänzte der Gesetzgeber das Ausländergesetz um konkrete Haftgründe, um die Anordnung von Sicherungshaft zu erleichtern (vgl. auch die amtliche Begründung, Bundestags-Drucksache 12/2062, S. 26 und 45).
Deswegen ist heute ein Ausländer auf Anordnung eines Richters zur Sicherung in Haft zu nehmen, wenn
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist,
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
er aus von ihm zu vertretenden Gründen zu einem für die Abschiebung angekündigten Termin nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde,
er sich in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen hat oder
der begründete Verdacht besteht, daß er sich der Abschiebung entziehen will (§ 57 II 1 AuslG).
Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden, meist beschränkt man sich jedoch zunächst auf drei Monate, eine Verlängerung auf sechs Monate ist aber ohne weiteres möglich. In Fällen, in denen ein Ausländer seine Abschiebung verhindert, kann dann noch die Haft um höchsten zwölf Monate auf achtzehn Monate verlängert werden.
Über die oben genannten Gründe hinaus kann eine zur Ausreise verpflichtete Person dann für eine Zeitspanne von höchsten einer Woche in Sicherungshaft genommen werden, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und feststeht, daß die Abschiebung durchgeführt werden kann (sog. kurzfristige Sicherungshaft, § 57 II 2 AuslG).
Die kurzfristige Sicherungshaft und die Vorbereitungshaft kommen in der Praxis nur selten vor.
Alle Haftgründe setzen zwingend voraus, daß die Abschiebung tatsächlich betrieben wird. Auch muß das Merkmal der Notwendigkeit gegeben sein, also die Haft zur Ermöglichung der Abschiebung erforderlich sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nämlich darf auch ein Ausländer, der viele einzelne Tatbestandsmerkmale verwirklicht hat, dann nicht in Abschiebungshaft genommen werden, wenn feststeht, daß sich der Ausländer der Abschiebung gar nicht entziehen will:
„Mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wäre es nicht vereinbar, löste allein die Erfüllung der tatbestandlichen Merkmale der Nrn. 1 – 5 des § 57 Abs. 2 AuslG zwingend die Rechtsfolge der Anordnung von Sicherungshaft aus“.
Dem Haftrichter obliegt damit die Aufgabe, die für und wider eine Abschiebungshaft sprechenden Gründe sorgfältig abzuwägen und dabei das Freiheitsrecht des Ausländers dem Interesse des Staates an einer Gewährleistung der Abschiebung gegenüberzustellen. Keinesfalls darf die Haft verhängt werden, um die Arbeit der Ausländerbehörde zu erleichtern.
Beispielsweise sind keine Gründe zur Haftanordnung:
Die Verweigerung der freiwilligen Ausreise, d. h. das lediglich passive Beharren darauf, nicht „freiwillig“ in das Heimatland zurückkehren zu wollen.
Die Verweigerung der Paßverlängerung, da ein aktives Verhalten des Ausländers insoweit nicht gefordert wird und sich aus einem Umkehrschluß aus § 57 III S. 2 AuslG ergibt, daß die aktive Verhinderung der Abschiebung – etwa durch fehlende Mitwirkung an Paßausstellungsanträgen oder ähnliches – erst als Grund für eine Verlängerung von Abschiebungshaft herangezogen werden kann (streitig).
Die Notwendigkeit der Abschiebung auf dem Luftweg oder auf anderen nicht einfach zu bewerkstelligenden Wegen (auch Bequemlichkeitshaft genannt). Insoweit sei auf das ebenso knappe wie zutreffende Postulat des Oberlandesgerichtes Frankfurt am Main in seinem Beschluß vom 03.03.94 verwiesen:
„Sie, (die Anordnung von Sicherungshaft) ist nicht dazu bestimmt, die Tätigkeit der Ausländerbehörden zu erleichtern.“
Die Einlegung von Rechtsmitteln bzw. die Beschreitung des Verwaltungsgerichtsweges zur Verhinderung der Abschiebung, da es selbstverständlich jedem Ausländer freisteht, den Versuch zu unternehmen, seine Abschiebung mit allen rechtsstaatlichen zulässigen Mitteln zu verhindern.
Das Bestehen von Abschiebungshindernissen, die der Ausländer nicht beseitigen kann, etwa im Falle von Naturkatastrophen im Heimatland, die Gefahren für Leib und Leben ersichtlich bzw. die Abschiebung mangels Verkehrsverbindungen überhaupt unmöglich machen oder (praktisch wichtiger Fall) die Weigerung des Heimatlandes bzw. Herkunftslandes des Ausländers, diesen zurückzunehmen, obwohl der Ausländer sich hierzu bereit erklärt hat (Beispiel palästinensische oder kurdische Volkszugehörige aus dem Libanon, Vietnam).
1.3 Es ist nicht die Aufgabe dieser Broschüre, die rechtlichen Voraussetzungen der Abschiebungshaft und die hierzu ergangene Rechtsprechung darzulegen und zu würdigen. Hierzu sei auf die Darstellung von Hofmann in „Recht für Flüchtlinge“ verwiesen. Auch die Darlegungen in den schon erwähnten Broschüren des Rechtsdienstes der Diakonie sowie in dem ZDWF-Heft Nr. 62 sind für die Praxis recht hilfreich.
Die Länder im Vergleich
2.1 Baden-Württemberg
Zuständigkeit: Justizvollzugsanstalten in Amtshilfe für die Innenverwaltung
Rechtsgrundlage: Freiheitsentszugsgesetz, Strafvollzugsgesetz
Unterbringung: Abschiebungsgewahrsam kgin den JVAs Mannheim und Rottenburg
Kapazität: 150
Haftdauer: durchschnittlich 40 Tage (Stand Dezember 95)
Etwa 80 % der Abschiebungshäftlinge befinden sich im Abschiebungsgewahrsam der Justizvollzugsanstalten Rottenburg oder Mannheim, sind also vom normalen Strafvollzug getrennt. Wird die Kapazität von 150 Plätzen überschritten, werden die Abschiebungshäftlinge in den, dem Vollzug allgemein zur Verfügung stehenden Zellen untergebracht. Dies betrifft stets die Frauen, die „nur“ etwa 5% der Abschiebungshäftlinge ausmachen. Für sie existieren keine gesonderten Einrichtungen zur Abschiebungshaft, ihre Haftbedingungen entsprechen denen der Untersuchungs- bzw. Strafhaft, je nach Anstalt, von der sie aufgenommen werden.
Für die Verhaftung von Minderjährigen gilt generell ein Vermeidungsgrundsatz (Erlaß des Innenministeriums). Die geregelte Ausnahme greift dann, wenn der Minderjährige zuvor eine Jugendstrafhaft oder -untersuchungshaft zu verbüßen hatte.
Weder in Mannheim (100 Personen) noch in Rottenburg (50 Personen) existiert die Regelung des freien Umschlusses. Die zu dritt untergebrachten Häftlinge können ihre Zellen zu den Hofgangzeiten und in den Freizeitstunden verlassen. In den Hafträumen befinden sich, durch eine Wand abgetrennt, eine Toilette und ein Waschbecken. Die Benutzung der anderen hygienischen Einrichtungen entspricht der Regelung, die auch für den restlichen Vollzug der jeweiligen Anstalt gilt.
Es besteht zweimal täglich für 45 Minuten die Möglichkeit des Hofganges. Bis zu sieben Arbeitsplätze können in Rottenburg von länger bleibenden Abschiebungshäftlingen besetzt werden. Als sonstige Freizeitaktivität kann zweimal in der Woche Fußball bzw. Volleyball gespielt oder an einem Schreibmaschinenkurs teilgenommen werden. Außerdem ist in jeder Zelle ein Fernsehgerät mit Kabelanschluß installiert, so daß ausländische Sender empfangen werden können. Ausländische Zeitungen hingegen müssen vom Häftling selbst abonniert werden.
Der Besuch ist dem Strafvollzug entsprechend geregelt: Drei Stunden Besuch darf im Monat empfangen werden. Telefonieren mit Telefonkarten ist dagegen jeden Tag möglich. Häftlinge können sich Telefonkarten schicken lassen, und auch in bedingtem Rahmen Geld, Lebensmittel und Kleidung.
Taschengeld steht den Häftlingen nicht zu, im Falle von Bedürftigkeit jedoch erhält ein Inhaftierter 5,00 DM pro Woche, um Zigaretten u. ä. kaufen zu können. Entspricht die Bekleidung nicht der Jahreszeit, wird der Betreffende von der Anstalt ausgestattet. Ansonsten steht es den Abschiebungshäftlingen frei, Privatkleidung zu tragen.
Über die Haftsituation wird sowohl von der Betroffenenseite als auch von Seiten des Personals geklagt. Verständigungsschwierigkeiten, Rechtsunsicherheiten und die verschiedenen kulturellen Hintergründe (zum Teil über 20 verschiedene Nationalitäten) belasten den Alltag. Obwohl regelmäßig von der Ausländerbehörde eine Sprechstunde angeboten wird, fehlt es an einer den Bedürfnissen entsprechenden Rechtsberatung.
Der in der Mannheimer Justizvollzugsanstalt tätige Psychologe betreut auch die sich in Abschiebungsgewahrsam befindenden Personen, für direkte soziale Betreuung wird von staatlicher Seite jedoch nicht gesorgt. Personal und Geldmittel werden in dieser Hinsicht ausschließlich von der Evangelischen und Katholischen Kirche gestellt. Ehren- und hauptamtliche Seelsorger und Seelsorgerinnen versuchen Ansprechpartner in Einzel- und Gruppengesprächen zu sein, innerhalb der Einrichtungen Gemeinschaftsaktivitäten zu organisieren und Boten- und Behördengänge zu erledigen.
Am 30.06.96 befanden sich 129 Personen in Abschiebungshaft, mit einer durchschnittlichen Haftdauer von 56 Tagen.
2.2 Bayern
Zuständigkeit: Innenministerium; in Amtshilfe: Justizvollzugsanstalten
Rechtsgrundlage: Freiheitsentziehungsgesetz, Strafvollzugsgesetz
Unterbringung: Justizvollzugsanstalten
Kapazität: flexibel
Haftdauer: keine statistischen Erhebungen
Der Vollzug der Abschiebungshaft wird von den Justizvollzugsanstalten in Amtshilfe durchgeführt. Begründet wird dies mit den „dort vorhandenen besonderen Betreuungs- und Hilfsmöglichkeiten“. In der Praxis kann hiervon jedoch keine Rede sein. Die Betreuung der Abschiebungshäftlinge erfolgt durch das sonst in den JVAs vorhandene Personal. Besondere Betreuer für „Schüblinge“ – so der bayerische Jargon – gibt es nicht. Es liegt auf der Hand, daß damit der besonderen Situation der Abschiebungshäftlinge kaum Rechnung getragen werden kann. Erschwerend kommt hinzu, daß die Bayerischen Justizvollzugsanstalten überfüllt sind. Nicht wenige Inhaftierte sind in Stockbetten in 8 m² großen Zellen untergebracht. Das Personal ist oft überfordert und kann sich nur um das Nötigste kümmern. Besondere Probleme bereiten die Sprachschwierigkeiten.
Im Jahre 1995 befanden sich in den bayerischen Justizvollzugsanstalten insgesamt 4.126 Abschiebungsgefangene, davon 277 weibliche. Da es sich hierbei um Zugangszahlen der jeweiligen JVAs handelt, können Doppelzählungen beim Übergang von einer JVA in die andere nicht ausgeschlossen werden. Die Zahlen für die vorangegangenen Jahre lauten:
>
1994 5.185 davon 373 weibliche
1993 4.060 davon 308 weibliche
1992 2.079 davon 130 weibliche
1991 1.635 davon 124 weibliche
1990 1.443 davon 111 weibliche
Durchschnittlich waren pro Monat 349 Abschiebungshäftlinge inhaftiert (Zählung jeweils am letzten Tag eines Monats), davon 23 weibliche Gefangene. Kinder, worunter Personen unter 14 Jahren verstanden werden, werden zum Vollzug der Abschiebungshaft nicht in den JVAs inhaftiert. Über die Zahl der Jugendlichen unter den Abschiebungshaftgefangenen werden statistische Aufzeichnungen nicht geführt. Sie werden „im Rahmen der organisatorischen und räumlichen Möglichkeiten“ in eigenen Abteilungen der JVAs untergebracht. Soweit gegen Kinder unter 14 Jahren Abschiebungshaft verhängt wird, wird die Abschiebungshaft in einer Jugendhilfeeinrichtung vollzogen. Die Bewachung nimmt in diesen Fällen die Polizei wahr. Zahlen hierzu sind nicht bekannt.
Ein Großteil der Abschiebungshäftlinge – im Durchschnitt etwa 100 – sind in der JVA München-Stadelheim inhaftiert, weil von München aus die meisten Luftabschiebungen durchgeführt werden.
Dem besonderen Status der Abschiebungshäftlinge als Zivilhäftlinge wird in der Praxis kaum Rechnung getragen. Sie unterliegen den selben Regelungen wie die Strafhäftlinge. Dies gilt für Freizeitmöglichkeiten, Hofgang, Fernsehempfang usw. Die gesetzlich vorgeschriebene Mindest-Gesamtdauer der Besuche von einer Stunde im Monat wird nur selten überschritten – angeblich wegen personeller und räumlicher Engpässe. Telefongespräche werden nur „in dringenden Fällen, in denen die sonstigen Kommunikationsmöglichkeiten nicht ausreichen“ ermöglicht. Der Schriftverkehr wird „lediglich aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt … überwacht“.
Abschiebungshäftlinge erhalten kein Taschengeld, weder nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, noch nach dem Strafvollzugsgesetz.
Eine besondere Betreuung der Abschiebungshäftlinge findet nicht statt. Man hält die in den JVAs bereits bestehenden Hilfs- und Betreuungsmöglichkeiten für ausreichend.
Seit 1990 kam es in bayerischen Justizvollzugsanstalten zu insgesamt sechs Todesfällen von Abschiebungshaftgefanngen, darunter 5 Selbsttötungen.
2.3 Berlin
Zuständigkeit: Behörde für Inneres; in Amtshilfe: Polizei
Rechtsgrundlage: Gesetz über den im Land Berlin
Ausführungsvorschrift zu § 13 des Gesetzes über den Abschiebungsgewahrsam im Land Berlin
– Anlagen –
Unterbringung: Abschiebungshaftanstalt Köpenick
Kapazität: 364 Personen
Haftdauer: durchschnittl. 10 Tage (Stand August 1996)
Die Abschiebungshaft in Berlin wird in Amtshilfe der Polizei vollzogen und stellt in dieser Konstruktion eine Besonderheit unter den Ländern dar. Rechtsgrundlage des Vollzuges ist das Gesetz über den Abschiebungsgewahrsam im Land Berlin vom 12. Oktober 1995. Danach dürfen den im Abschiebungsgewahrsam befindlichen Ausländern nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Abschiebungshaft nach § 57 des Ausländergesetzes oder die Sicherheit oder Ordnung in dem Abschiebungsgewahrsam erfordern (§ 2), wobei die Abschiebungshaft grundsätzlich in besonderen Einrichtungen vollzogen wird (§ 1). Amtshilfe von Seiten der Justizvollzugsanstalten soll nur dann geleistet werden, wenn es aus Gründen der Sicherheit erforderlich erscheint.
Seit Ende November 1995 befinden sich alle Abschiebungshäftlinge in der Abschiebungshaftanstalt Köpenick. Zuvor waren die Häftlinge auf verschiedene Justizvollzugsanstalten und Polizeibehörden verteilt worden, die den besonderen Anforderungen des Abschiebungsgewahrsams zum Teil nicht entsprechen konnten. 1994 protestierten Inhaftierte im Polizeigewahrsam Kruppstraße (Tiergarten) mit einem Hungerstreik gegen die Haftsituation. Besonders beklagten sie sich über die hygienischen Mängel und die Einschränkung ihrer Rechte, die auf die personelle Unterbesetzung der Anstalt zurückzuführen war. In der Folge wurde das Konzept der Haftanstalt Köpenick entwickelt und das Gesetz über den Abschiebungsgewahrsam im Land Berlin verabschiedet.
In Köpenick werden die Häftlinge nach Geschlechtern getrennt in Zellen verschiedener Größe (4-6 Personen) untergebracht. Diese sind in Trakte angeordnet, die untereinander durch Verschluß getrennt werden. Nicht verschlossen werden dahingegen die Zellen, so daß es den Häftlingen möglich ist, sich Tag und Nacht frei innerhalb des Traktes zu bewegen und die dort vorhandenen Gemeinschaftsräume und -einrichtungen zu benutzen, u. a. Fernsehgerät und Münztelefon. Dem Häftling steht es frei, sich im Trakt Schlafplatz und Zelle auszusuchen, außerdem wird versucht auf familiäre und kulturelle Wünsche bei der Verteilung auf die Trakte einzugehen. Eigene Hörfunkgeräte können insoweit benützt werden, als sie nicht als störend wahrgenommen werden, das Benutzen eigener Fernseher kann nur im begründeten Ausnahmefall beantragt werden.
Die Bewachung erfolgt durch Polizeiangestellte, sogenannte Wachpolizisten. Nur die leitenden Funktionen werden von Vollzugsbeamten übernommen.
Auf dem Hof der Abschiebungshaftanstalt gibt es verschiedene Möglichkeiten der sportlichen Betätigung. Der Hofgang ist zeitlich begrenzt, in der Regel aber mehr als einmal täglich möglich. Besuch darf von den Häftlingen während der täglichen mehrstündigen Besuchszeiten empfangen werden. Das Gesetz sieht die Möglichkeit zur Festsetzung von Zeitkontingenten vor, die jedoch nicht den Besuch von Rechtsanwälten oder Vertretern anerkannter auf dem Gebiet der Flüchtlingsarbeit tätiger Organisationen beschränken dürfen.
Der Besuch wird nicht überwacht, jedoch sind Besucher und Häftling durch eine Glasscheibe getrennt, um die Übergabe gefährlicher Gegenstände zu verhindern. In diesem Sinne werden auch Geschenke und Post kontrolliert, eine inhaltliche Zensur erfolgt nicht. Die Telefongespräche von den Münztelefonen unterliegen keiner Kontrolle.
Die Verpflegung schließt eine Kost für Moslems mit ein. Weitere Bedürfnisse können über den Einkaufsservice befriedigt werden, auf den täglich zurückgegriffen werden kann und der für Gegenstände außerhalb des Standardangebots auch Bestellungen annimmt. Den Häftlingen steht ein Taschengeld von 80,00 DM monatlich zu.
Die Betreuung der Häftlinge erfolgt durch drei Seelsorger und zwei Sozialarbeiterinnen. Teil des Gewahrsams ist auch eine Sprechstunde des Landeseinwohneramtes (die zuständige Ausländerbehörde) und des Leiters der Anstalt. Zu Beginn der Haft erhält der Inhaftierte eine mündliche Einführung sowie ein mehrsprachiges Informationsblatt zum Haus und zum rechtlichen Hintergrund seiner Haft. Dolmetscher stehen im Alltag nicht zur Verfügung, meist wird auf Mithäftlinge zurückgegriffen, die bei der Verständigung behilflich sein können. Im Falle von amtlichen Mitteilungen wird für einen Dolmetscher gesorgt.
Im selben Gebäudekomplex wie die Anstalt befindet sich auch eine Vertretung der Ausländerbehörde und das Amtsgericht Schöneberg, das dort auch verhandelt.
Zu Beginn der vierten Augustwoche 1996 waren 175 Personen in Köpenick inhaftiert, davon 29 weibliche. Die Inhaftnahme von unter 14-Jährigen wird vermieden. Zur Inhaftierung von Jugendlichen zur Abschiebungshaft bekennt sich der Berliner Senat ausdrücklich. Art. 5 I f der Europäischen Menschenrechtskonvention lasse dies zu. Im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes vom 20.11.89 enthaltene, entgegenstehende Regelungen seien zwar verbindlich geworden, doch handele es sich gemäß dem nach Art. 49 II formulierten Interpretationsvorbehalt nicht um unmittelbar geltendes Recht.
Gesetz über den Abschiebungsgewahrsam im Land Berlin
vom 12. Oktober 1995
Das Abgeordnetenhaus hat das folgende Gesetz beschlossen:
§ 1 Abchiebungsgewahrsam
Abschiebungshaft (§ 57 des Ausländergesetzes) wird grundsätzlich in besonderen Einrichtungen (Abschiebungsgewahrsam) vollzogen. Abschiebungshaft kann in Amtshilfe in Justizvollzugsanstalten vollzogen werden, wenn
1. aus besonderen Gründen im Abschiebungsgewahrsam eine sichere Unterbringung nicht gewährleistet werden kann oder
2. dies zum Schutz des Abschiebungshäftlings notwendig ist.
§ 2 Grundsätzliche
Gestaltung der Abschiebungshaft
Den im Abschiebungsgewahrsam befindlichen Ausländern dürfen nur die Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Abschiebungshaft nach § 57 des Ausländergesetztes oder die Sicherheit oder Ordnung in dem Abschiebungsgewahrsam erfordern. Abschiebungshäftlinge erhalten keinen Urlaub oder Ausgang.
§ 3 Unterbringung
(1) Frauen und Männer sind grundsätzlich in verschiedenen Einrichtungen des Abschiebungsgewahrsams oder in voneinander getrennten Teilen derselben baulichen Anlage unterzubringen.
(2) Sofern mehrere Angehörige derselben Familie zusammen abgeschoben werden sollen, soll ihnen auch in der Abschiebungshaft abweichend von Absatz 1 auf Wunsch ein Zusammenleben ermöglicht werden. Läßt sich dies durch den Abschiebungsgewahrsam nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten realisieren, ist den betroffenen Abschiebungshäftlingen jedoch tagsüber das Zusammenleben zu ermöglichen. Das Nähere regelt die Gewahrsamsordnung. Im übrigen sollen Wünsche von Abschiebungshäftlingen, die einander nahestehen, nach einer gemeinsamen Unterbringung oder gemeinsamer Freizeitgestaltung im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens bei Unterbringungsentscheidungen berücksichtigt werden.
(3) Abschiebungshäftlinge werden grundsätzlich gemeinschaftlich untergebracht. Sie werden, sofern sich nicht aus Absatz 2 etwas anderes ergibt, bei einer Haftdauer von mehr als sechs Monaten, wenn sie dies wünschen, grundsätzlich allein in einem Haftraum untergebracht. Es bleibt bei der gemeinschaftlichen Unterbringung, wenn der Abschiebungshäftling ihr zustimmt, wenn er hilfsbedürftig ist oder sonst eine Gefahr für sein Leben oder seine Gesundheit besteht.
(4) Bei der Unterbringung ist auf die religiöse und ethnische Zugehörigkeit zu achten.
§ 4 Aufnahme
und Abschiebungsplanung
(1) Abschiebungshäftlinge sind bei ihrer Aufnahme in den Abschiebungsgewahrsam bei nicht ausreichenden deutschen Sprachkenntnissen nach Möglichkeit in ihrer Muttersprache über ihre Rechte und Pflichten zu belehren. Die persönliche Unterrichtung soll durch entsprechende Merkblätter intensiviert werden. Fehlen die Voraussetzungen für eine Verständigung in der Muttersprache, sind andere dem Abschiebungshäftling bekannte Sprachen oder sonstige Verständigungsmöglichkeiten zu nutzen.
(2) Mit dem Abschiebungshäftling sind unverzüglich nach seiner Inhaftnahme die Voraussetzungen und der Zeitplan seiner Ausreise zu erörtern. Insbesondere ist festzustellen, ob oder unter welchen Voraussetzungen der Abschiebungshäftling zu einer freiwilligen Ausreise bereit ist, ferner sind sonstige Wünsche, insbesondere zum Zielort und zur Benachrichtigung von dort wohnenden Angehörigen oder sonst bekannten Personen zu erkunden und in der Folge angemessen zu berücksichtigen.
§ 5 Arbeit
(1) Abschiebungshäftlinge sind zur Arbeit nicht verpflichtet, sie haben jedoch für ihr engeres Umfeld selbst zu sorgen, insbesondere den eigenen Haftraum sauber zu halten und bei der Verpflegung behilflich zu sein.
(2) Der Abschiebungsgewahrsam soll soweit möglich den Abschiebungshäftlingen die Möglichkeit zur Arbeit geben. Abschiebungshäftlinge, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, erhalten ein Arbeitsentgelt entsprechend § 43 des Strafvollzugsgesetzes und den dazu erlassenen Vorschriften.
§ 6 Beschäftigung
und religiöse Betätigung
(1) Der Abschiebungsgewahrsam bietet Möglichkeiten zur Freizeitbeschäftigung an. Soweit möglich ist dabei den Gegebenheiten der verschiedenen Kulturen Rechnung zu tragen.
(2) Für die Religionsausübung im Abschiebungsgewahrsam gelten die §§ 53 und 55 des Strafvollzugsgesetzes entsprechend.
§ 7 Besuche
Abschiebunghäftlinge dürfen Besuch empfangen. Besuche von Rechtsanwälten oder Vertretern anerkannter auf dem Gebiet der Flüchtlingsarbeit tätiger Organisationen sind außerhalb etwaiger Zeitkontingente nach Satz 1 zulässig. Aus Gründen der Sicherheit kann ein Besuch davon abhängig gemacht werden, daß der Besucher sich und seine mitgeführten Gegenstände durchsuchen läßt. Das Nähere regelt die Gewahrsamsordnung.
§ 8 Bezug von Zeitungen
und Nutzung von Medien
(1) Abschiebungshäftlinge dürfen auf eigene Kosten über den Abschiebungsgewahrsam alle Zeitungen und andere Druckerzeugnisse beziehen; ausgeschlossen sind lediglich Druckerzeugnisse, deren Inhalt den Vollzug oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden würde oder deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist.
(2) Abschiebungshäftlinge können am Hörfunkprogramm des Abschiebungsgewahrsams oder am gemeinschaftlichen Fernsehempfang teilnehmen. Sie dürfen eigene Hörfunkgeräte benutzen, soweit andere dadurch nicht gestört werden. In begründeten Ausnahmefällen können eigene Fernsehgeräte zugelassen werden. Das Nähere regelt die Gewahrsamsordnung.
§ 9 Post, Geschenke, Einkauf, Telefon
(1) Abschiebungshäftlinge dürfen grundsätzlich ohne Beschränkungen Briefe, Pakete und andere Post erhalten und versenden. Dasselbe gilt für Geschenke von Besuchern oder an Besucher. Sie können ferner von den im Abschiebungsgewahrsam vorhandenen Einkaufsmöglichkeiten Gebrauch machen
(2) Es können Kontrollen eingehender Post sowie mitgebrachter Geschenke auch nach Beendigung einer Durchsuchung nach §7 Satz 3 angeordnet werden, wenn eine Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung des Abschiebungsgewahrsams zu befürchten ist. Vom Empfang auszuschließende Gegenstände sind zur Habe des Abschiebungshäftlings zu nehmen oder an den Absender zurückzusenden.
(3) Die Abschiebungshäftlinge haben unter Berücksichtigung der Möglichkeiten des Abschiebungsgewahrsams und der Gleichbehandlung aller Abschiebungshäftlinge das Recht zu telefonieren.
(4) Die Einzelheiten regelt die Gewahrsamsordnung.
§ 10 Sicherheit und Ordnung
(1) Der Abschiebungshäftling hat sich hinsichtlich einer für alle einzuhaltenden Ruhezeit nach der Tageseinteilung des Abschiebungsgewahrsams zu richten. Im übrigen sorgt der Abschiebungsgewahrsam dafür, daß Abschiebungshäftlinge jedenfalls in bestimmten Abschnitten oder Gruppen miteinander in Kontakt treten, den Tag gestalten und sich zeitweise im Freien aufhalten können. Abschiebungshäftlinge dürfen sich auch tagsüber jederzeit in ihren Haftraum zurückziehen, sofern sie sich nicht zu einer bestimmten Arbeit verpflichtet haben.
(2) Abschiebungshäftlinge dürfen durch ihr Verhältnis gegenüber dem Personal des Abschiebungsgewahrsams, Mithäftlingen und anderen Personen das geordnete Zusammenleben im Abschiebungsgewahrsam nicht beeinträchtigen.
(3) Im übrigen gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts, Elfter und Zwölfter Titel des Strafvollzugsgesetzes entsprechend.
§ 11 Ärztliche Versorgung
und soziale Betreuung
(1) Abschiebungshäftlinge haben Anspruch auf notwendige ärztliche Behandlung und Versorgung durch den für den Abschiebungsgewahrsams bestellten ärztlichen Dienst. Der Abschiebungshäftling hat die notwendigen ärztlichen Maßnahmen zum Schutze seiner Gesundheit zu unterstützen.
(2) Abschiebungshäftlinge werden sozialarbeiterisch betreut, für Jugendliche ist eine sozialpädagogische Betreuung vorzusehen.
§ 12 Beschwerderecht
Abschiebungshäftlinge erhalten Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden an den Gewahrsamsleiter zu wenden. Regelmäßige Sprechstunden sind einzurichten.
§ 13 Beirat
Für den Abschiebungsgewahrsam wird ein externer Beirat errichtet. Näheres wird durch die Senatsverwaltung für Inneres geregelt.
§ 14 Einschränkung
von Grundrechten
Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes) sowie des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt.
§ 15 Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft.
Das Gesetz über den Abschiebungsgewahrsam im Land Berlin ist in der vorstehenden Fassung von dem Abgeordnetenhaus – 12. Wahlperiode – in der 89. Sitzung am 21. September 1995 der Verfassung von Berlin gemäß beschlossen worden.
Das Gesetz wird durch die Urkunde mit dem Datum vom 12. Oktober 1995 ausgefertigt.
Berlin, den 12. Oktober 1995
Senatsverwaltung für Inneres III B 1 0306/412
Ich erlasse die folgende Ausführungsvorschrift zu § 13 des Gesetzes über den Abschiebungsgewahrsam im Land Berlin:
Ausführungsvorschrift zu § 13 des Gesetzes über den Abschiebunsgewahrsam im Land Berlin vom 21. Juni 1996 Inn III B 1 Fernruf 8675825, intern (95) 5825
Aufgrund des § 6 Abs. 2 Buchstabe b AZG werden zur Ausführung des Gesetzes über den Abschiebungsgewahrsam im Land Berlin von 12. Oktober 1995 (GVBl S, 657) die folgenden Ausführungsvorschriften erlassen;
1. Errichtung eines Beirates
Für den Vollzug des Abschiebungsgewahrsams außerhalb von Justizvollzugsanstalten wird ein externer Beirat errichtet.
2. Aufgaben des Beirats
(1) Der Beirat wirkt bei der Gestaltung des Vollzugs des Abschiebungsgewahrsams und bei der Betreuung der Abschiebungshätlinge mit. Im Rahmen dieser Aufgabe obliegt es ihm, die Gewahrsamsleitung zu beraten und sich dabei für die Interessen der Abschiebungshäftlinge einzusetzen.
(2) Die Mitglieder des Beirats nehmen ihre Aufgaben ehrenamtlich wahr.
3. Vertrauensvolle Zusammenarbeit
Im Interesse einer effektiven Beiratsarbeit sollen dessen Mitglieder vertrauensvoll mit der Leitung des Gewahrsams und den darin Beschäftigten zusammenarbeiten. Grundlage einer solchen Kooperation ist die wechselseitige Unterrichtung über alle wichtigen Angelegenheiten des Vollzugs des Abschiebungsgewahrsams.
4. Befugnisse der Beiratsmitglieder
(1) Die Mitglieder des Beirats können Wünsche, Anregungen und Beanstandungen entgegennehmen. Beschwerden sind der Gewahrsamsleitung zum weiteren Befinden vorzulegen.
(2) Die Mitglieder des Beirats können sich über die Unterbringung, Beschäftigung, Verpflegung, ärztliche Versorgung und soziale Betreuung unterrichten. Zu diesem Zweck können sie die Einrichtungen des Abschiebungsgewahrsams nach vorheriger Anmeldung besichtigen und Abschiebungshäftlinge in ihren Räumen aufsuchen, Aussprache und Schriftwechsel werden insoweit nicht überwacht.
5. Verschwiegenheitspflicht und Unabhängigkeit der Beiratsmitglieder
(1) Jedes Beiratsmitglied hat sich durch Unterschrift zu verpflichten,
a) seine Aufgaben gewissenhaft zu erfüllen,
b) außerhalb seines Amtes Über vertrauliche Angelegenheiten, insbesondere über personenbezogene Daten der Abschiebungshäftlinge auch nach Beendigung seines Amtes Verschwiegenheit zu bewahren.
(2) Der Beirat und seine Mitglieder sind nicht weisungsgebunden.
6. Zusammensetzung des Beirats
Der Beirat für den Abschiebungsgewahrsam besteht aus fünf Mitgliedern, nämlich
zwei Vertretern, die von den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege entsandt werden, von denen einer den islamischen Religionsgemeinschaften angehören sollte,
einem Vertreter der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg,
einem Vertreter der Kath. Kirche,
einem Vertreter des Präsidiums der Ärztekammer Berlin.
7. Berufungsvoraussetzungen der Beiratsmitglieder
Als Mitglieder des Beirates sollen auf Vorschlag der in Nr. 6 genannten Organisationen (bzw. Träger) Personen berufen werden, die Kenntnisse auf dem Gebiet des Vollzugs des Abschiebungsgewahrsams besitzen, die nicht der Dienstaufsicht der Senatsverwaltung für Inneres unterstehen und die nicht in kommerziellen Beziehungen zum Abschiebungsgewahrsam stehen.
8. Amtszeit
(1) Die Mitglieder des Beirats werden durch die Senatsverwaltung für Inneres für einen Zeitraum von zwei Jahren berufen. Die Berufung kann erneuert werden.
(2) Die Senatsverwaltung für Inneres kann Mitglieder des Beirats aus wichtigem Grund abberufen. Dem Vorsitzenden ist zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
9. Vorsitz
(1) Der Beirat wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und einen oder zwei Stellvertreter mit den Stimmen der Mehrheit der Mitglieder. Unter denselben Voraussetzungen ist eine Abwahl möglich. Wahl oder Abwahl des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters kann nur erfolgen, wenn eine entsprechende Tagesordnung den Mitgliedern des Beirats rechtzeitig vor der Sitzung schriftlich zugegangen ist.
(2) Der Vorsitzende führt die Geschäfte und vertritt den Beirat in der Öffentlichkeit.
10. Verfahrensregelung
(1) Der Vorsitzende beruft die Sitzungen des Beirats ein. Ihm obliegt die Sitzungsleitung, sofern er sie nicht einem anderen überträgt.
(2) Der Beirat ist nur beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist.
(3) Die Beitratsmitglieder können sich nicht durch beiratsfremde Personen vertreten lassen. Eine Übertragung des Stimmrechts auf ein anderes Beiratsmitglied ist unzulässig.
11. Sitzungsniederschriften und Anwesenheitslisten
(1) Für jede Sitzung ist eine Anwesenheitsliste zu führen, in die sich die Mitglieder durch eigenhändige Unterschrift einzutragen haben. Über die Ergebnisse der Beiratssitzung soll eine Niederschrift gefertigt werden.
(2) Die Anwesenheitsliste sowie die Ergebnisniederschrift sind der Senatsverwaltung für Inneres zuzuleiten, letztere darüber hinaus auch der Gewahrsamsleitung.
12. Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Diese Ausführungsvorschrift tritt mit Wirkung vom 1. Juli 1996 in Kraft. Sie tritt am 30. Juni 2006 außer Kraft.
Berlin, den 21. Juni 1996
In Vertretung
Dr. Böse
2.4 Brandenburg
Zuständigkeit: Innenministerium; in Amtshilfe: JVA, Polizei, Behörde für Inneres Berlin
Rechtsgrundlage: Gesetz über den Vollzug der Abschiebungshaft außerhalb von Justizvollzugsanstalten bzw. Strafvollzugsgesetz (Anlage)
Unterbringung: Abschiebungshaftanstalt Köpenick (Berlin), Übergangswohnheim mit verstärkter Sicherheit Prötzel
Kapazität: flexibel
Haftdauer: durchschnittlich 17 Tage (Stand Juli 1995)
Im Land Brandenburg gibt es zur Zeit keine spezielle Abschiebungshaftanstalt. Abschiebungshäftlinge werden entweder vorübergehend im Polizeigewahrsam, in Justizvollzugsanstalten (Frauen) oder im Übergangswohnheim mit verstärkter Sicherheit in Prötzel (nur Männer) untergebracht. Vietnamesische Häftlinge übernimmt in Amtshilfe das Land Berlin (Haftanstalt Köpenick).
Im März 1994 forderte der Landtag die Regierung Brandenburgs auf,
vom Vollzug der Abschiebungshaft in den Justizvollzugsanstalten des Landes Brandenburg abzusehen,
und
Maßnahmen zu ergreifen, die die Unterbringung von Abschiebungsgefangenen außerhalb von Justizvollzugsanstalten ermöglichen.
Dies wurde durch einen Beschluß vom 29.02.96 bestätigt.
Die Landesregierung plant den Bau einer gesonderten Einrichtung in Eisenhüttenstadt (Standort der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber). Ein Termin zur Verwirklichung des Projektes wurde noch nicht festgelegt. Nicht unwesentlich hierfür dürften die finanziellen Schwierigkeiten des Landes sein. Es finden Verhandlungen mit dem Land Berlin statt, ob die Abschiebungshaft nicht in Amtshilfe durch Berlin durchgeführt werden kann.
Rechtliche Grundlage des Vollzuges der Abschiebungshaft sind für die sich in den Justizvollzugsanstalten befindlichen Frauen das Strafvollzugsgesetz und für die in Prötzel lebenden Männer das Gesetz über den Vollzug der Abschiebungshaft außerhalb von Justizvollzugsanstalten vom 19.03.96.
Die Haftanstalt Prötzel liegt etwa 6 km von dem Ort Prötzel entfernt in einem Waldstück. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist die Anstalt schwer zu erreichen, zudem wurde mit Wegweisern gespart, so daß auch der Autofahrer Probleme hat, sein Ziel zu finden. Die Einrichtung ist an das Übergangswohnheim Prötzel angegliedert, in dem solche Flüchtlinge für einen kurzen Zeitraum unterkommen, die aus der Zentralen Aufnahmeeinrichtung des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt entlassen sind, aber noch keinem „normalen“ Wohnheim zugewiesen worden sind. Die Abtrennung zu diesem Wohnheim erfolgt durch entsprechende Vorrichtungen.
Die Häftlinge sind in Gemeinschaftsräumen untergebracht, innerhalb des Hauses gibt es keinen Umschluß, der Hofgang hingegen wird eingeschränkt. Im Freien haben die Inhaftierten auch die Möglichkeit, sich sportlich zu betätigen. Fernseher und Radiogeräte stehen den Häftlingen zur Verfügung, Zeitungen können abonniert werden. Besucher können empfangen werden, ohne daß ein Zeitkontingent besteht. Eine Überwachung besteht bezüglich der Übergabe von gefährlichen Gegenständen, in diesem Sinne erfolgt auch die Briefkontrolle. Nicht kontrolliert werden die Telefongespräche, die von den Gemeinschaftsräumen aus geführt werden können. Durch die Angliederung an das Übergangswohnheim ist die Versorgung mit auf die verschiedenen Religionen abgestimmten Mahlzeiten möglich.
Gesetz über den Vollzug der Abschiebungshaft außerhalb von Justizvollzugsanstalten
(Abschiebungshaftvollzugsgesetz – AbschhVG) vom 19. März 1996
Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:
§ 1 Abschiebungshafteinrichtung
Die Abschiebungshaft nach § 57 des Ausländergesetzes vom 9. Juli 1990 (BGBl I S. 1354), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Verbrechensbekämpfungsgesetzes vom 28. Oktober 1994 (BGBl 1 S. 3186) wird in Abschiebungshafteinrichtungen vollzogen. Sie kann, sofern die hierfür erforderlichen Voraussetzungen gemäß § 11 Abs. 5 vorliegen, im Wege der Amtshilfe in Justizvollzugsanstalten vollzogen werden. Für den Vollzug von Abschiebungshaft im Wege der Amtshilfe in Justizvollzugsanstalten gilt § 185 des Strafvollzugsgesetzes.
§ 2 Grundsätze der Gestaltung
des Abschiebungshaftvollzuges
(1) Den in Abschiebungshafteinrichtungen untergebrachten Personen dürfen nur die Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Abschiebungshaft oder die Ordnung in der Abschiebungshafteinrichtung erfordert.
(2) Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen.
(3) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken.
(4) Die Gewährung von Urlaub oder Ausgang ist unzulässig. Zur Erledigung notwendiger Behördengänge oder privater Angelegenheiten können die Abschiebungshäftlinge ausgeführt werden.
§ 3 Unterbringung
(1) Abschiebungshäftlinge werden grundsätzlich gemeinsam untergebracht. Sie werden bei einer Haftdauer von mehr als sechs Monaten, wenn sie dies wünschen, regelmäßig allein in einem Haftraum untergebracht. Es bleibt bei der gemeinschaftlichen Unterbringung, wenn der Abschiebungshäftling ihr zustimmt, wenn er hilfsbedürftig ist oder sonst eine Gefahr für sein Leben oder seine Gesundheit besteht.
(2) Frauen und Männer sind grundsätzlich in verschiedenen Bereichen der Abschiebungshafteinrichtung unterzubringen.
(3) Sofern gegen mehrere Angehörige derselben Familie zusammen Abschiebungshaft vollzogen ist, soll ihnen auch in der Abschiebungshaft abweichend von Absatz 2 auf Wunsch ein Zusammenleben ermöglicht werden. Im übrigen sollen Wünsche von Abschiebungshäftlingen, die einander nahestehen, nach einer gemeinsamen Unterbringung im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens bei Unterbringungsentscheidungen berücksichtigt werden.
(4) Bei der Unterbringung ist auf die religiöse und ethnische Zugehörigkeit zu achten.
§ 4 Aufnahme
(1) Abschiebungshäftlinge sind bei ihrer Aufnahme in einer für sie verständlichen Sprache über ihre Rechte und Pflichten zu unterrichten.
(2) Nach der Aufnahme werden Abschiebungshäftlinge alsbald ärztlich untersucht und dem Leiter der Einrichtung oder seinem Vertreter sowie dem sozialen Dienst vorgestellt.
§ 5 Versorgung
(1) Abschiebungshäftlinge werden angemessen verpflegt. Auf Gewohnheiten, die sich aus der Religionsausübung ergeben, wird Rücksicht genommen.
(2) Abschiebungshäftlinge können von den auf dem Gelände der Abschiebungshafteinrichtung vorhandenen Einkaufsmöglichkeiten im Rahmen der ihnen zur Verfügung stehenden Zahlungsmittel Gebrauch machen.
(3) Abschiebungshäftlinge tragen eigene Kleidung. Bei Bedarf ist ihnen Kleidung zur Verfügung zu stellen. Die Kleidung kann in der Abschiebungshafteinrichtung gereinigt werden.
(4) Abschiebungshäftlingen werden zur Körperpflege notwendige Mittel zur Verfügung gestellt.
§ 6 Soziale Betreuung
und ärztliche Versorgung
(1) Abschiebungshäftlinge werden durch Sozialarbeiter betreut.
(2) Abschiebungshäftlinge werden im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften, insbesondere des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Bundessozialhilfegesetzes ärztlich versorgt und behandelt. Ist eine ärztliche Behandlung in der Abschiebungshafteinrichtung nicht möglich, werden Abschiebungshäftlinge in einem geeigneten Krankenhaus oder einer entsprechenden Einrichtung untergebracht.
§ 7 Verkehr mit der Außenwelt
(1) Abschiebungshäftlinge dürfen Besuch von Angehörigen oder sonstigen Personen sowie von Rechtsanwälten und Rechtsbeiständen empfangen. Aus Gründen der Sicherheit können die Abschiebungshäftlinge nach einem Besuch durchsucht werden.
(2) Abschiebungshäftlinge dürfen grundsätzlich ohne Beschränkungen Briefe, Pakete, andere Post und Geschenke erhalten und auf eigene Kosten versenden.
(3) Aus Gründen der Sicherheit können Sichtkontrollen der eingehenden Post vorgenommen werden. Weitergehende Überwachungen der Post sind bei konkretem Verdacht auf Gefährdung der Sicherheit der Anstalt oder einer Person zulässig. Die Maßnahme ist dem Betroffenen bekanntzugeben. Dabei ist er darauf hinzuweisen, daß er die Rechtmäßigkeit der Maßnahme vor Gericht überprüfen lassen kann.
(4) Absatz 3 Satz 2 bis 4 gilt nicht für den Schriftwechsel mit Anwälten. Nicht überwacht werden ferner Schreiben an Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder, soweit die Schreiben an die Anschriften dieser Volksvertretungen gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben, sowie an die Europäische Kommission für Menschenrechte.
(5) Abschiebungshäftlinge können ohne Beschränkung im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten auf eigene Kosten die vorhandenen Telefone in der Abschiebungshafteinrichtung nutzen.
§ 8 Religiöse Betätigung
und Freizeitgestaltung
(1) Abschiebungshäftlingen ist auf ihren Wunsch die Möglichkeit zu verschaffen, mit einem Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten.
(2) Auf dem Gelände und in dem Gebäude der Abschiebungshafteinrichtung vorhandene Freizeitmöglichkeiten können durch die Abschiebungshäftlinge genutzt werden.
(3) Abschiebungshäftlinge können auf eigene Kosten Zeitungen, Zeitschriften und andere Druckerzeugnisse beziehen. Ausgeschlossen sind Druckerzeugnisse, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist oder die die Sicherheit und Ordnung in der Einrichtung erheblich gefährden.
(4) Abschiebungshäftlinge können im Rahmen der in der Abschiebungshafteinrichtung gegebenen Möglichkeiten am gemeinschaftlichen Hörfunk- und Fernsehempfang teilnehmen. In begründeten Fällen können eigene Hörfunk- oder Fernsehgeräte zugelassen werden.
§ 9 Arbeit
(1) Soweit die Sicherheit und Ordnung der Abschiebungshafteinrichtung dies zulassen, soll den Abschiebungshäftlingen Arbeit mit einer entsprechenden Aufwandsentschädigung im Sinne von § 5 des Asylbewerberleistungsgesetzes gegeben werden.
(2) Abschiebungshäftlinge haben bei der Aufrechterhaltung der Ordnung und Sauberkeit in ihrem Umfeld und bei der Ausgabe der Verpflegung mitzuwirken.
§ 10 Beschwerderecht
Abschiebungshäftlinge haben das Recht, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an den Leiter der Abschiebungshafteinrichtung oder seinen Vertreter zu wenden. Es sind regelmäßige Sprechstunden einzurichten.
§11 Sicherheit und Ordnung
(1) Abschiebungshäftlinge dürfen durch ihr Verhalten das geordnete Zusammenleben in der Abschiebungshafteinrichtung nicht beeinträchtigen. Den Anordnungen des Aufsichtspersonals haben sie Folge zu leisten.
(2) Abschiebungshäftlinge haben sich nach der Tageseinteilung in der Abschiebungshafteinrichtung (insbesondere Freizeit und Ruhezeit) zu richten. Sie können sich auch tagsüber in ihrem Haftraum aufhalten.
(3) Abschiebungshäftlinge können ihre persönlichen Wertgegenstände und Bargeld der Leitung der Einrichtung gegen Bestätigung in Verwahrung geben. Gegenstände, mit denen die Abschiebungshäftlinge sich und andere gefährden oder verletzen oder die zur Vereitelung des Vollzuges oder zur Beschädigung von Sachen führen können, sind durch die Leitung der Hafteinrichtung einzuziehen und zu verwahren.
(4) Abschiebungshäftlinge, ihre Sachen und die Hafträume können zur Wahrung der Sicherheit der in der Einrichtung tätigen Dienstkräfte und der untergebrachten Personen und zur Verhinderung von Selbst- oder Fremdschädigungen durchsucht werden. Die Durchsuchung von männlichen Personen ist durch männliche und die von weiblichen Personen durch weibliche Dienstkräfte unter Beachtung der Menschenwürde in einem geschlossenen Raum durchzuführen.
(5) Abschiebungshäftlinge können in einem besonders gesicherten Raum untergebracht, in eine Einrichtung oder im Rahmen der Amtshilfe in eine Justizvollzugsanstalt verlegt oder zeitweise überstellt werden, wenn die Mittel der Abschiebungshafteinrichtung zur Sicherheit des Abschiebungshäftlings nicht ausreichen. Eine Verlegung in eine Justizvollzugsanstalt kommt in Frage bei Personen, die in erheblicher Weise gewalttätig in Erscheinung getreten sind oder mit Gewalt (gegen Personen oder Sachen) aus der Abschiebungshafteinrichtung entwichen sind. Bettlägerige Kranke oder akut Suizidgefährdete sind auf ärztliche Anordnung in ein geeignetes Krankenhaus oder eine psychiatrische Klinik zu verlegen. Die Entscheidung trifft jeweils der Leiter der Abschiebungshafteinrichtung oder sein Vertreter. Die Verlegung in eine Justizvollzugsanstalt im Rahmen der Amtshilfe kann nur mit Zustimmung des Leiters der Justizvollzugsanstalt erfolgen.
(6) Die Bediensteten der Abschiebungshafteinrichtung dürfen unmittelbaren Zwang gegenüber Abschiebungshäftlingen oder anderen Personen anwenden, wenn sie Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen rechtmäßig durchführen und der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann. Unter mehreren Möglichkeiten ist die Maßnahme zu wählen, die den einzelnen oder die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht. Die notwendige Androhung der Anwendung unmittelbaren Zwanges darf nur unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder um eine rechtswidrige Tat zu verhindern und eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.
(7) Beim Vollzug der Abschiebungshaft in Abschiebungshafteinrichtungen dürfen zur Vereitelung oder Wiederergreifung des Abschiebungshäftlings keine Schußwaffen eingesetzt werden.
§ 12 Gewahrsamsanordnung
Einzelheiten zu den §§ 2 bis 11 regelt das Ministerium des Inneren durch Richtlinien.
§ 13 Einschränkung
von Grundrechten
Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes und Artikel 9 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Landes Brandenburg, der Freiheit der Person nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes und Artikel 9 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Landes Brandenburg sowie des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses nach Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes und Artikel 16 Abs. 1 der Verfassung des Landes Brandenburg werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.
§ 14 Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
Potsdam, den 19. März 1996
Der Präsident des Landtages Brandenburg Dr. Herbert Knoblich
2.5 Bremen
Zuständigkeit: Senator für Inneres und Sport; in Amtshilfe: Justizvollzugsanstalten, Polizei
Rechtsgrundlage: Strafvollzugsgesetz, Freiheitsentziehungsgesetz
Erlaß über den Polizeigewahrsam vom 15.12.1989 mit Änderungen vom 01.10.1995
Unterbringung: Justizvollzugsanstalten, Abschiebungshaftanstalt Oslebshausen
Kapazität: 36; zuzüglich Einzelplätze für Jugendliche in der JVA Blockland
Haftdauer: die Haftdauer wird von den Ausländerbehörden im Land Bremen generell statistisch nicht erfaßt
Spezielle Regelungen über den Vollzug der Abschiebungshaft wurden nicht erlassen. Es existiert lediglich eine Verwaltungsvorschrift vom 15.12.89 für die Polizeibehörden (Erlaß über den Polizeigewahrsam), in der der Vollzug der Freiheitsentziehung im Polizeigewahrsam geregelt wird. Er wurde zum 01.10.95 insbesondere im Hinblick auf den Vollzug der Abschiebungshaft geändert. Trotzdem ist die Situation unbefriedigend geregelt, da die Gesamtkonzeption des Polizeigewahrsams nicht der speziellen Situation der Abschiebungshäftlinge gerecht wird und damit unnötige Beschränkungen impliziert.
Bis zu Beginn des Jahres 1996 wurden Abschiebungshäftlinge je nach freien Plätzen im Polizeigewahrsam oder in sechs verschiedenen Justizvollzugsanstalten untergebracht (Jugendliche in der Jugendvollzugsanstalt), sowohl in Einrichtungen für Untersuchungshäftlinge als auch für Strafhäftlinge. Dort gelten für die Abschiebungshäftlinge die gleichen Regelungen wie für alle anderen in der jeweiligen Abteilung untergebrachten Gefangenen, so zum Beispiel ein Zeitkontingent von 30 bis 60 Minuten pro Woche für Besuche (Frauen in Untersuchungshaft dürfen sogar nur alle zwei Wochen Besuch erhalten).
Die Mehrheit der Abschiebungshäftlinge kam im Polizeigewahrsam Ostertorwache unter, einem kleinen Gefängnis aus dem 19. Jahrhundert. Licht konnte in die zu fünft bewohnten Zellen nur durch einige Glasbausteine eindringen, von denen zur Belüftung zwei gekippt werden konnten. Das in der Zelle integrierte WC erhielt durch ein aufgehängtes Bettlaken Sichtschutz. Personelle Unterbesetzung führte zur Einschränkung von Rechten beim Telefonieren, Versenden von Briefen und Empfang von Besuchern. Zu diesen unhaltbaren Zuständen erging eine Entscheidung des Landgerichtes Bremen (05.08.94, 10 T 508/94, InfAuslR 95, 67 und 113) in der ein gewisser Mindeststandard für die Unterbringung von Abschiebungshäftlingen festgesetzt wurde.
Die Bremer Innenbehörde reagierte mit dem Plan, Ende 1996 den Abschiebungsgewahrsam in die Justizvollzugsanstalt Oslebshausen zu verlegen, wurde dann aber unter Zugzwang gesetzt, als ein Häftling, um seine für diesen Tag festgelegte Abschiebung zu verhindern, am 26.01.96 in seiner Zelle in der Ostertorwache Feuer legte und dadurch eine weitere Benutzung des Gefängnisses unmöglich machte. Künftig wird das Gebäude als Design-Museum genutzt.
Bremen-Oslebshausen steht nun seit April 1996 zur Verfügung. Sind alle Plätze belegt, wird weiterhin auf die Amtshilfe der anderen Justizvollzugsanstalten zurückgegriffen, dies auch im Falle von weiblichen Häftlingen oder solchen, deren Gewahrsam in anderen Einrichtungen aus Sicherheitsgründen erforderlich erscheint. Der Bau einer Abschiebungshaftanstalt ist auf dem Gelände der Lettow-Vorbeck-Kaserne geplant. Voraussichtlicher Fertigstellungstermin soll Ende 1997 sein.
Die Abschiebungshäftlinge erhalten Taschengeld gemäß § 3 I 4 Nr. 2 AsylbLG in Höhe von 18,46 DM wöchentlich.
2.6 Hamburg
Zuständigkeit: Innenministerium; in Amtshilfe: Justizvollzugsanstalten
Rechtsgrundlage: Freiheitsentziehungsgesetz, Strafvollzugsgesetz
Unterbringung: Abschiebungshafteinrichtung Glasmoor, JVA Holstenglacis, Suhrenkamp
Kapazität: ca. 140 Plätze
Haftdauer: 23 Tage (Ende 95)
Die Bedingungen der Abschiebungshaft sind weder gesetzlich noch durch Verwaltungsrichtlinien geregelt.
Die Justizbehörde, die die Abschiebungshaft in Amtshilfe für die Behörde für Inneres vollzieht, hält 41 Haftplätze bereit. Die Haftplätze verteilen sich auf die JVA Glasmoor, die Untersuchungshaftanstalt, die JVA Suhrenkamp und die Jugendanstalt Hahnöfersand. In der JVA Glasmoor sind die Abschiebungshaftgefangenen in einem Containerkomplex untergebracht, in den anderen Justizvollzugsanstalten sind die Häftlinge in den übrigen Vollzug integriert.
Praktisch fungiert die JVA Glasmoor als Abschiebungsgefängnis für volljährige Männer. Glasmoor befindet sich außerhalb Hamburgs auf schleswig-holsteinischem Gebiet auf dem Gelände des offenen Strafvollzuges circa 30 km vom Stadtzentrum entfernt. Der Containerkomplex ist von einem circa vier Meter hohen Stahlgitterzaun, der mit Natodraht gekrönt ist, umzäunt.
Im Abstand hierzu befindet sich ein weiterer „Distanzzaun“ gleicher Art, der dem ganzen Komplex einen festungsartigen Charakter verleiht. Der erste innere Zaun sichert gegen Ausbruch; der zweite äußere gegen Einbruch.
Glasmoor hat eine Aufnahmekapazität von 86 Plätzen. In der ersten Hälfte 1995 war die Kapazität ausgeschöpft, Anfang 1996 war die Anstalt nur zur Hälfte belegt. Die Gefangenen werden in Räumen von circa 25 m² zu jeweils sechs Personen untergebracht. Jeder Raum ist mit einer abgetrennten Toilette und einem Waschbecken mit einem Heißwasserbereiter ausgerüstet. Jede Zelle enthält sechs Betten, sechs Spinde, sechs Stühle und drei Tische. Jeder Raum enthält ein Farbfernsehgerät. Mittels einer Satellitenschüssel können ausländische Programme empfangen werden.
Die Gefangenen in der JVA Glasmoor haben täglich zwei Stunden Hofgang und zusätzlich drei Stunden Zellenaufschluß mit Ausnahme der Besuchstage Dienstag und Donnerstag (Begründung hierfür: Personalmangel). Die Abschiebungshäftlinge dürfen alle 14 Tage für zwei Stunden Besuch empfangen. Dieser Besuch findet unkontrolliert statt.
Es gibt zwei öffentliche Fernsprecher, die während der Zeit des Zellenaufschlusses von jedem Gefangenen benutzt werden können, wenn er über eine Telefonkarte verfügt. Seit Dezember 1995 erhalten die Gefangenen ein Taschengeld in Höhe von 50,00 DM monatlich, womit sie per Liste Einkäufe tätigen können.
Es gibt zwei separate Sammelduschen.
Die Abschiebungshaftanstalt Glasmoor ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichen, was zu einer faktischen Beschränkung des Besucherverkehrs (und auch der Anwaltskontakte) führt.
In der JVA Glasmoor findet eine Betreuung durch das Rote Kreuz und die Evangelische Kirche statt.
In der JVA Glasmoor werden nur „pflegeleichte Schüblinge“ untergebracht. Wer irgendwie „auffällig“ geworden ist, wird in regulärer Haft gehalten.
Alle weiblichen Abschiebungsgefangenen werden in der U-Haftanstalt Holstenglacis im Stadtzentrum untergebracht. Sie unterliegen praktisch den Haftregeln der U-Haft mit dem Unterschied, daß sie Aufschlußzeiten haben und alle 14 Tage für zwei Stunden unkontrolliert Besuch empfangen dürfen. Die Gesamtzahl der Abschiebungsgefangenen beträgt durchschnittlich 110 bis 130 Personen. Die durchschnittliche Dauer der Abschiebungshaft wird für das Jahr 1992 für alle Haftanstalten mit 4 ½ Wochen angegeben; im übrigen kommt die JVA Glasmoor für den Zeitraum Februar 1994 bis November 1994 auf durchschnittlich 48,5 Tage und betrug im Juni 1995 in dieser JVA durchschnittlich 26,08 Tage, wobei hinzuzufügen ist, daß dem Aufenthalt in Glasmoor stets eine vorherige Haft in einer regulären U-Haftanstalt vorausgeht, weil nur dort Feststellungen über die Haft- und Reisefähigkeit getroffen werden können.
2.7 Hessen
Zuständigkeit: Innenministerium; in Amtshilfe: Justizvollzugsanstalten
Rechtsgrundlage: Freiheitsentziehungsgesetz, Strafvollzugsgesetz
Unterbringung: JVA und Abschiebungshaftanstalt Offenbach
Kapazität: Offenbach: 70 Plätze
Haftdauer: durchschnittlich 48 Tage
Der Vollzug der Abschiebungshaft wird von den Justizvollzugsanstalten in Amtshilfe durchgeführt. Für die Männer existiert eine eigene Haftanstalt in Offenbach, in der bis zu 70 Personen in Zweierzellen untergebracht werden können. Die Hafträume sind in der Regel mit einer Toilette und einem Waschbecken, sowie einem Fernsehgerät mit Kabelanschluß ausgestattet. Um mit dem Personal der Anstalt Kontakt aufnehmen zu können, ist eine Kommunikationsanlage mit Gegensprechmöglichkeit in die Zelle eingebaut. Während der Freizeit können im offenen Umschluß die Zellen verlassen und die Freizeiträume genutzt werden. Diese verfügen über eine Kochgelegenheit und Möglichkeiten für Spiele und Sport.
Ein Kartentelefon befindet sich im Treppenhaus, jedoch sind die Etagen gegeneinander abgeschlossen. Zum Telefonieren bedarf es daher einer besonderen Erlaubnis.
Die soziale Betreuung wird hauptsächlich von den beiden großen Kirchen übernommen. Diese werden insoweit von der Anstalt unterstützt, als ihnen größtmögliche Bewegungs- und Arbeitsfreiheit zugestanden wird. Eine Sprechstunde der Ausländerbehörde wird angestrebt.
Frauen und Minderjährige werden in normalen Justizvollzugsanstalten untergebracht, genauso Männer, wenn Offenbach voll belegt ist. Im Durchschnitt sitzen in der JVA Kassel immer fünf Abschiebungshäftlinge ein, jedoch sind diejenigen, die auch in U-Haft oder Strafhaft (sog. Überhaft) sind, nicht mitgezählt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß aufgegriffene Ausländer oftmals zunächst wegen Verstoß gegen das Ausländergesetz in U-Haft genommen werden, bis die Ausländerbehörde den für die Abschiebungshaft erforderlichen Antrag gestellt hat. Bis die dazu erforderlichen Unterlagen zusammengetragen sind, kann so mancher Tag verstreichen (vgl. Kapitel 3.1). Meist wird dann eine Abschiebungshaft von drei Monaten angeordnet, die allerdings erst mit der Beendigung der U-Haft beginnt, so daß im Extremfall die Höchsthaftdauer von 18 Monaten für Abschiebungshäftlinge überschritten werden kann.
Information über die Justizvollzugsanstalt
Frankfurt am Main I
„Einrichtung für Abschiebungshaft Offenbach“
63067 Offenbach am Main, Luisenstr. 25
1. Zweckbestimmung
In der Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main I – Einrichtung für Abschiebungshaft Offenbach – vollzieht das Hessische Ministerium der Justiz in Amtshilfe für das Hessische Ministerium des Innern Abschiebungshaft an ausländischen Männern aus ganz Hessen aufgrund richterlicher Abschiebungshaftanordnung.
Die Inhaftierten sind abzuschiebende Ausländer, deren Asylanträge rechtskräftig abgelehnt wurden oder die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufhalten.
Ausländische Untersuchungs- und Strafgefangene, die abzuschieben sind, werden in dieser Einrichtung nicht untergebracht. Dies gilt auch für ehemalige Strafgefangene.
2. Lage
Die Einrichtung für Abschiebungshaft liegt im Innenstadtbereich von Offenbach, nahe dem Hauptbahnhof mit ÖPNV-Anschluß, und damit inmitten eines Geschäfts- und Wohngebietes.
3. Bauliche Gestaltung
Die Einrichtung ist bautechnisch mit dem Gebäude des Amtsgerichts Offenbach verbunden. Südlich wird sie mit einer Umwehrungsmauer und einem davor im Abstand von 2 Metern stehenden 2,5 Meter hohen Sicherheitszaun, der von Videokameras überwacht wird, eingegrenzt. Der Innenhof ist durch einen Sicherheitszaun in zwei Bereiche aufgeteilt, in den Versorgungsbereich und den Freizeit- und Sportbereich. Der Personenzugang erfolgt über eine neu geschaffene Außenpforte, der Fahrzeugverkehr über das vorhandene Schiebetor. Vor der Einrichtung befindet sich ein Parkplatz mit ca. 20 Stellplätzen. Dieser Parkplatz wird gemeinsam von Bediensteten der Einrichtung und des Amtsgerichts Offenbach genutzt.
Die Einrichtung besteht aus einem Mehrzweckgebäude mit folgenden Bereichen:
1. Zugangs- und Kammerbereich
Dieser ist mit Warteräumen und Sani-täreinrichtungen (Gemeinschaftsduschen) ausgestattet.
2. Küchenbereich
Dieser verfügt über ausreichende Lagerkapazität mit Kühleinrichtungen für die Kaltverpflegung, die hier zubereitet wird. Die Warmverpflegung wird täglich von der Anstaltsküche der Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main I angeliefert.
3. Pfortenbereich
Hier befinden sich drei Besuchsräume für Privat- und Behördenbesuch.
4. Unterkunftsbereich
Dieser ist auf drei Etagen verteilt und verfügt über 35 Hafträume und drei Mehrzweckräume für Freizeit, Sport und Begegnungen. Hier befinden sich auch die Diensträume und Arbeitszimmer für den Dienstleiter und die Stationsbeamten, den ärztlichen Dienst, die Seelsorger und ehrenamtlichen Mitarbeiter (Drogenhilfe, AIDS-Hilfe usw.) sowie kleine Wirtschaftsräume. Auf den Stationfluren sind Haushaltswaschmaschinen und Wäschetrockner aufgestellt.
5. Verwaltungsbereich
Er umfaßt die Zentrale für die Überwachung und Steuerung der Kommunikationseinrichtung, die Diensträume des Sozialdienstes und der Vollzugsgeschäftsstelle mit Zahlstelle, Umkleideräume, Sanitärbereiche und einen Sozialraum mit Kleinküche für die Bediensteten der Einrichtung.
4. Belegungsfähigkeit
Die Einrichtung verfügt über 35 Hafträume mit 70 Unterkunftsplätzen (Doppelbelegung).
5. Gestaltung der Unterkunftsbereiche
Die Haftraume sind i.d.R. mit folgenden Einrichtungsgegenständen ausgestattet:
1 Doppelstockbett, 2 Kleiderschränke, 1 Tisch, 2 Stühle, 1 WC, 1 WB, 1 Spiegel sowie ein Farb-TV-Gerät zum Empfang von 10 überwiegend nicht deutschsprachigen Programmen.
Die Haftraumtüren können während der Freizeit von den Inhaftierten mit einem eigenen Schloß verschlossen werden. Zur Raumausstattung gehören außerdem noch eine moderne Kommunikationsanlage mit einer Gegensprechmöglichkeit.
Die Freizeiträume verfügen über eine Kochgelegenheit und sind so gestaltet, daß die Möglichkeit zu Unterhaltung, Spiel, Sport und Gruppenveranstaltungen geboten wird.
Im Treppenhaus befindet sich ein Kartentelefon.
Die Etagen sind gegeneinander abgeschlossen; dadurch wird eine intensive Betreuung und Beaufsichtigung von Gruppen zu 20 – 26 Inhaftierten möglich.
Der Sport- und Freizeithof dient als allgemeine Begegnungsstätte mit Ruhezone, Kommunikationsbereichen und einem Kleinfeld für sportliche Betätigung.
6. Beabsichtigte Vollzugsgestaltung
Die Gestaltung des Abschiebungshaftvollzuges in Offenbach hat im Rahmen der räumlichen Gegebenheiten den Erfordernissen für ein geordnetes Zusammenleben in einer Zwangsgemeinschaft Rechnung zu tragen. Die Wahrung der Menschenrechte der Inhaftierten ist oberstes Gebot. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken. Der Vollzug muß darauf ausgerichtet sein, daß die in Haft genommenen Personen nach der Abschiebung in ihr Heimatland oder nach einer etwaigen Entlassung aus der Abschiebungshaft auch in der Bundesrepublik Deutschland wieder in sozialer Verantwortung in Freiheit leben können.
Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, den Bedürfnissen Einzelner und von Gruppen den erforderlichen Freiraum zu belassen und die persönliche Freiheit der Inhaftierten nur insoweit einzuschränken, als die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Einrichtung dies gebietet.
Ein bedürfnisorientierter Tagesablauf und ein vielfältiges Betreuungsangebot sollen die Erreichung dieser Ziele gewährleisten.
7. Tagesablauf
Montag bis Freitag
07.00 Uhr – Frühkostausgabe
09.00 Uhr – 12.00 Uhr – Freizeit
12.00 Uhr – Mittagskostausgabe
13.00 Uhr – 14.30 Uhr – Freistunde
sodann bis 16.00 Uhr – Freizeit
16.30 Uhr – Abendkostausgabe
17.30 Uhr – 19.30 Uhr – Freizeit
19.30 Uhr – Nachtverschluß
Abweichungen an Wochenenden und Feiertagen
08.00 Uhr – Frühkostausgabe
16.30 Uhr – Abendkostausgabe
17.00 Uhr – Nachtverschluß
8. Betreuungsangebote
8.1 Betreuung durch den Sozialdienst
Sozialarbeit soll Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Dies bedeutet, daß der Gefangene in seiner Vorbereitung auf die Rückkehr in sein Heimatland zu unterstützen ist, ihm Hilfestellung zur Bewältigung des Alltages in der Abschiebungshafteinrichtung zuteil werden muß und die verbleibende Zeit in Deutschland so sozialverträglich wie möglich gestaltet wird. Ethnische Besonderheiten, der jeweilige Kulturkreis und die psychische Verfassung der einzelnen Inhaftierten bedingen den Einsatz unterschiedlicher Methoden.
Kern der Tätigkeit des Sozialdienstes werden sein:
Pädagogische Arbeit in Form von Gruppenarbeit und Einzelfallhilfe
Krisenintervention
Klärung von Fragen der Abschiebeorganisation (Kontakte mit Ausländerbehörden, Gerichten etc.)
Alltägliche Dienstleistungen (Habesicherung, Telefonate mit Angehörigen und Anwälten)
Mitwirkung in der Anstaltsorganisation
Zusammenarbeit und Kontaktpflege mit ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verschiedener Gebiete und Organisationen.
8.2 Betreuung durch die evangelische und katholische Anstaltsseelsorge
Die Betreuung umfaßt Einzelgespräche, Gruppenangebote und Gottesdienste.
Einzelgespräche
Die Einzelgespräche haben die persönliche Lebenssituation und Probleme des Betroffenen zum Inhalt. Sie haben die Beratung und Betreuung des Betroffenen und etwaiger Angehöriger zum Ziel. Hier gilt vor allem die seelsorgliche Schweigepflicht.
Gruppenangebote
Die Gruppenangebote geben den Teilnehmern die Möglichkeit, sich mit den eigenen Lebenssituationen und Erfahrungen und der der anderen auszutauschen und auseinanderzusetzen. Sie haben religiöse und kulturelle Inhalte und dienen unter anderem dazu, den Lebensalltag in der Anstalt mitzugestalten.
Gottesdienste
Die Gottesdienste finden sonntäglich im Wechsel zwischen dem evangelischen und katholischen Seelsorger statt. Mitwirken können Christen der jeweiligen Konfession. Angehörige anderer Konfessionen können nach Rücksprache mit dem zuständigen Seelsorger an den Gottesdiensten teilnehmen.
Die Zielgruppen sind sowohl Christen beider Konfessionen unter den Inhaftierten als auch die Bediensteten und die Angehörigen anderer Konfessionen.
8.3 Betreuung durch Sportangebote
Im Mehrzweckraum werden Trainingsmöglichkeiten der Sparte Kraftsport angeboten. An wärmeren Tagen steht der Innenhof für Freizeit- und Sportaktivitäten zur Verfügung. Im Bereich dieses Innenhofes können je nach Witterung folgende Sportarten ausgeübt werden: Basketball (Streetball), Volleyball, Fussballtennis, Familytennis, Federball, Indiaca, Feldhockey, Boccia und Tischtennis.
Die Sportangebote in der Einrichtung haben im wesentlichen drei Funktionen:
Die biologische Funktion des Sportes:
Er soll Zivilisationskrankheiten wie z.B. Bluthochdruck, funktionellen und organischen Herzkrankheiten und Stoffwechselerkrankungen durch gezielte Betätigungen entgegenwirken.
Die sozio-emotionale Funktion des Sports:
Durch Sport sollen Aggressionen auslösende Ursachen verhindert oder beseitigt werden, fairer Umgang miteinander geübt und Erfolg und Selbstbewußtsein erfahren sowie Mißerfolge zu ertragen erlernt werden.
Die Sozialisierungsfunktion des Sportes:
Die Inhaftierten sollen vor allem durch Gruppenaktivitäten sich notwendige Regeln eines geordneten Zusammenlebens bewahren oder auch erlernen.
Sie sollen in der Lage bleiben oder in sie versetzt werden, positive Verhaltensmuster in die Freiheit mitzunehmen.
8.4 Betreuung durch Vereine, Verbände und ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
Es wird angestrebt, möglichst viele Vereine, Verbände und ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die Betreuung der Inhaftierten während der Freizeiten zu gewinnen. Für diese Arbeit stehen die drei Freizeiträume, die Besuchsräume und der Anstaltshof zur Verfügung.
8.5 Betreuung und Beratung durch die Ausländerbehörde
Regelmäßige Sprechstunden in der Abschiebungshafteinrichtung durch die Ausländerbehörde werden angestrebt. Durch qualifizierte Information soll eventuellen Konflikten wegen bestehender Unklarheiten in Bezug auf die Abschiebung vorgebeugt werden.
9. Gesundheitsfürsorge
Die Gesundheitsfürsorge der Abschiebungsgefangenen wird entsprechend den §§ 56 ff StVollzG gewährleistet.
10. Arbeit
Die Abschiebungsgefangenen sind zu einer Arbeit, Beschäftigung oder Hilfstätigkeit nicht verpflichtet (§ 175 i.V.m. § 185 StVollzG).
Gleichwohl wird angestrebt, einige von ihnen für eine nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes zu entlohnende Arbeit als Küchenhelfer oder Haus- und Hofarbeiter zu gewinnen.
Dadurch soll besonders motivierten Gefangenen nutzloser Müßiggang erspart werden.
11. Einkauf
Die Abschiebungsgefangenen dürfen einmal wöchentlich auf eigene Kosten in angemessenem Umfang beim Kaufmann in der Einrichtung Nahrungs- und Genußmittel sowie Mittel zur Körperpflege erwerben.
Bedürftige Gefangene erhalten auf Antrag ein Taschengeld.
12. Außenkontakt
12.1 Besuche von privaten Personen, insbesondere Angehörigen, werden im Rahmen der räumlichen Möglichkeiten besonders gefördert. Besuchszeiten für Privatpersonen: Montags, dienstags, donnerstags und freitags von 09.00 Uhr bis 11.30 Uhr und von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr.
Bei Vorliegen besonderer Gründe werden Ausnahmen von diesen Zeiten genehmigt.
12.2 Besuchszeiten für Rechtsanwälte und Behörden:
Montags bis freitags von 09.00 Uhr bis 17.00 Uhr.
13. Personelle Ausstattung
In der Einrichtung sind tätig:
32 Mitarbeiterinnen/ Mitarbeiter des AVD
2 Mitarbeiterinnen/ Mitarbeiter des Sozialdienstes
3 Mitarbeiterinnen/ Mitarbeiter des Verwaltungsdienstes
1 Sportübungsleiter (halbe Stelle)
1 Vertragsarzt
1 Krankenpfleger/ Krankenschwester (halbe Stelle)
2 Seelsorger
2.8 Mecklenburg-Vorpommern
Zuständigkeit: Innenministerium; in Amtshilfe: Justizvollzugsanstalten
Rechtsgrundlage: Freiheitsentziehungsgesetz, Strafvollzugsgesetz
Unterbringung: JVA Bützow
Kapazität: 50
Haftdauer: durchschnittlich 41 Tage (Zeitraum 01.01.94 bis 31.05.95)
Die Abschiebungshaft wird in Mecklenburg-Vorpommern im Wege der Amtshilfe für das Innenministerium in der JVA Bützow, circa 25 km südlich von Rostock gelegen, vollzogen. Dort stehen circa 50 Anstaltsplätze für Abschiebungshäftlinge zur Verfügung.
In der Vergangenheit waren die Abschiebungshaftgefangenen zunächst in verschiedenen Justizvollzugsanstalten, in Bützow, Neubrandenburg und Neustrelitz, untergebracht. Seit Mai 1995 sind die männlichen Abschiebungshäftlinge gemeinsam in einem separaten Stockwerk der JVA Bützow konzentriert. Die weiblichen Abschiebungshaftgefangenen – durchschnittlich drei – werden in dem gesonderten Bereich für Frauen innerhalb der JVA untergebracht. Regelmäßig befanden sich 1995 zwischen 40 und 50 Gefangene in Abschiebungshaft. Die Abschiebungshäftlinge haben täglich eine Stunde Freigang, können zweimal in der Woche Fußball spielen und an den übrigen Veranstaltungen innerhalb der JVA teilnehmen. Es steht ihnen eine Tischtennisplatte, ein Fernseher und eine Gesprächsecke zur Freizeitgestaltung zur Verfügung. Familienmitglieder werden nach Geschlecht getrennt untergebracht, doch werden „Kontaktwünsche … durch die Ermöglichung von gegenseitigen Besuchen weitestgehend berücksichtigt“ (Minister Dr. Eggert in der Landtagsdebatte vom 31.08.95). Im übrigen kann auf Antrag alle 14 Tage ein Besuch gewährt werden (je ½ Stunde). Kontakt zur Außenwelt gibt es kaum. Für alle Häftlinge der JVA (circa 600) gibt es lediglich ein Telefon. Die Bedingungen führten im März 1995 zu Protesten der Abschiebungshaftgefangenen.
Die Abschiebungshaft betrug durchschnittlich 41 Tage (Zeitraum der Erfassung: 01.01.94 bis 21.03.95). Diese Statistik ist jedoch irreführend. Es gab z. B. Festnahmen an der deutsch-polnischen Grenze des Landes Brandenburg. Diese Menschen waren für einige Tage in der JVA Bützow inhaftiert und wurden anschließend ins Land Brandenburg umverlegt, ohne daß die Abschiebungshaft beendet gewesen wäre.
Eine soziale Betreuung findet fast nicht statt. Das Diakonische Werk besucht circa alle zwei Wochen vor allem nicht-europäische Abschiebungshäftlinge. Insgesamt stehen für die circa 600 Häftlinge eine festangestellte Sozialarbeiterin und zwei im Rahmen der ABM angestellte Frauen zur Verfügung. Zwei weitere Sozialarbeiterstellen wurden kürzlich eingerichtet und dürften zwischenzeitlich besetzt sein. Dolmetscher sind nicht vorhanden und werden lediglich „nach Bedarf“, in der Praxis aber kaum, eingesetzt.
Die JVA Bützow ist weit über 100 Jahre alt. Entsprechend ungünstig sind die Zellen. Die Zahl der Betten schwankt zwischen einem und acht Betten. „Zellen“ mit mehreren Betten sind zwei bis drei miteinander verbundene Räume ohne Zwischentüren. Die Einrichtung ist sehr einfach: Bett, Schrank, Tisch, Stuhl. Insgesamt gesehen ist die Situation der Abschiebungshäftlinge durch Untätigkeit, extreme Langeweile und das Gefühl der Sinnlosigkeit geprägt. Vor allem Afrikaner klagen über Menge und Zusammensetzung der Speisen. Die Abschiebungshäftlinge empfinden den Vollzug als inhuman, willkürlich und diskriminierend. Sie beklagen, daß sie zusammen mit Mördern und Verbrechern eingesperrt werden, obwohl sie selbst keine Verbrechen begangen haben.
2.9 Niedersachsen
Zuständigkeit: Innenministerium; in Amtshilfe: Justizvollzugsanstalten
Rechtsgrundlage: Richtlinien über den Vollzug der Abschiebungshaft (Erlaß des Ministeriums der Justiz vom 13.02.95 – Anlage),
Erlaß des Niedersächsischen Innenministeriums vom 24.11.93 betreffend den Vollzug von Abschiebungen (Anlage)
Unterbringung: JVA Hannover, Hildesheim, Stade, Vechta, Wilhelmshaven, Hameln, Uelzen und Wolfenbüttel
Kapazität: unbekannt
Haftdauer: laut Niedersächsischem Justizministerium: circa 4 Wochen;
der Flüchtlingsrat bezweifelt diese Zahlen und spricht von „mindestens 2 – 3 Monaten durchschnittlicher Haftzeit“
Die Abschiebungshaft wird in Amtshilfe durch die Justizvollzugsanstalten durchgeführt. Näheres siehe in der Anlage 1. 1994 saßen durchschnittlich 224 Menschen in niedersächsischen Haftanstalten ein. Die Abschiebungshäftlinge erhalten ein Taschengeld von 40,00 DM monatlich. Die Unterbringung und Betreuung der Abschiebungshaftgefangenen im niedersächsischen Vollzug ist durch Richtlinien geregelt und besser als in den meisten anderen Bundesländern. Gleichwohl findet eine spezielle soziale Betreuung der Abschiebungshäftlinge nicht statt. Die Sozialarbeiter, die für ausländische Gefangene eingestellt sind, machen diese Arbeit mit, mit Ausnahme in der JVA Vechta. Kinder unter 14 Jahren werden nicht inhaftiert (auch nicht zusammen mit den Müttern), Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren werden in der JVA Hameln untergebracht.
Vollzug der Abschiebungshaft Stand: 03.04.1995
Nr.
Einweisungsbezirk
(Landgerichtsbezirk)
Männliche Erwachsene
Männliche Jugendliche und Heranwachsende
(bis Vollendung des 19. Lebensjahres)
Weibliche Jugendliche, Heranwachsende und Erwachsene
1
2
3
4
5
—
OLG-Bez. Braunschweig
—
1
Braunschweig
JVA Wolfenbüttel
JA Hameln
JVA Hildesheim
—
OLG-Bez. Celle
—
2
Bückeburg
JVA Wolfenbüttel
JA Hameln
JVA Hannover
3
Göttingen
JVA Wolfenbüttel
JA Hameln
JVA Hildesheim
4
Hannover
JVA Uelzen
JA Hameln
JVA Hannover
5
Hildesheim
JVA Wolfenbüttel
JA Hameln
JVA Hildesheim
6
Lüneburg
JVA Uelzen
JA Hameln
JVA Hannover
7
Stade
JVA Stade Abt. Cuxhaven
JA Hameln
JVA für Frauen Vechta
8
Verden
JVA Uelzen
JA Hameln
JVA für Frauen Vechta
—
OLG-Bez. Oldenburg
9
Aurich
JVA Wilhelmsh. Abt. Emden
JA Hameln
JVA für Frauen Vechta
10
Oldenburg
JVA Vechta
JA Hameln
JVA für Frauen Vechta
11
Osnabrück
JVA Uelzen
JA Hameln
JVA für Frauen Vechta
Ausländische Gefangene in niedersächsischen Vollzugsanstalten
Herkunftsländer – Stand 30.06.1995
Herkunft Strafhaft
U-Haft
Abschiebungshaft
Auslieferungshaft
Insgesamt
Anteil in % *
EG-Staaten insgesamt
78
48
4
1
131
2,2%
Griechenland
6
4
0
0
10
0,2%
Großbritannien
12
6
1
0
19
0,3%
Italien
37
14
0
1
52
0,9%
Niederlande
13
13
1
0
27
0,5%
Portugal
4
1
1
0
6
0,1%
Spanien
5
5
0
0
10
0,2%
Osteuropa insgesamt
218
273
118
6
613
10,5%
Albanien
13
18
3
0
34
0,6%
Bulgarien
6
1
1
1
9
0,2%
Rußland
11
10
12
0
33
0,6%
sonstige GUS
4
11
8
0
23
0,4%
ehem. Jugoslawien
92
75
13
3
183
3,1%
Lettland
1
3
3
0
7
0,1%
Litauen
0
4
3
0
7
0,1%
Polen
38
86
19
0
143
2,4%
Rumänien
45
59
40
0
144
2,5%
Tschech. Rep.
4
2
0
0
6
0,1%
Ukraine
0
2
9
0
11
0,2%
Ungarn
4
0
0
2
6
0,1%
Übriges Europa insgesamt
291
211
8
0
510
8,7%
Türkei
286
208
8
0
502
8,6%
Herkunft
Strafhaft
U-Haft
Abschiebungshaft
Auslieferungshaft
Insgesamt
Anteil in %*
Nordamerika insgesamt
1
1
0
0
2
0,0%
Mittel- und Südamerika insgesamt
2
2
6
0
10
0,2%
Afrika insgesamt
41
40
65
0
146
2,5%
Algerien
10
9
18
0
37
0,6%
Gambia
6
3
6
0
15
0,3%
Ghana
0
3
6
0
9
0,2%
Liberia
5
13
1
0
19
0,3%
Nigeria
4
2
7
0
13
0,2%
Tunesien
5
2
3
0
10
0,2%
Zaire
3
3
0
0
6
0,1%
Sierra Leone
0
1
6
0
7
0,1%
Nordafrika insgesamt
18
11
23
0
52
0,9%
Asien insgesamt
74
57
33
0
164
2,8%
Afghanistan
4
1
0
0
5
0,1%
Indien
3
1
14
0
18
0,3%
Iran
13
10
0
0
23
0,4%
Libanon
37
25
11
0
73
1,3%
Pakistan
4
2
4
0
10
0,2%
Syrien
4
1
0
0
5
0,1%
Vietnam
1
12
0
0
13
0,2%
Australien insgesamt
0
0
0
0
0
0,0%
Staatenlose
10
2
0
0
12
0,2%
Insgesamt:
715
634
232
7
1588
27,2%
* Anteil an der Gesamtbelegung im niedersächsischen Justizvollzug in %
Richtlinien über den Vollzug der Abschiebungshaft
Erlaß des MJ vom 13. 02. 1995 ( 4421 – 406. 5)
1. Grundsatz
Die Abschiebungshaft dient dem Zweck, durch sichere Verwahrung der Abschiebungsgefangenen die Durchführung von Abschiebungen zu gewährleisten. Abschiebungsgefangene sind keine Strafgefangenen, deshalb dürfen ihnen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Abschiebungshaft und die Sicherheit oder Ordnung in den Vollzugsanstalten erfordern. Die Persönlichkeit der Gefangenen ist zu achten und ihr Ehrgefühl zu schonen. Die Gefangenen sind würdig, gerecht und menschlich zu behandeln. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken.
2. Strafvollzugsgesetz als Rechtsgrundlage des Abschiebungshaftvollzuges
(1) Die rechtliche Grundlage für den Vollzug der Abschiebungshaft ergibt sich aus den. §§ 185, 171, 173 bis 175 StVollzG.
Die §§ 3 – 122 Strafvollzugsgesetz sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht Eigenart und Zweck der Abschiebungshaft entgegenstehen. Insbesondere ist im Umgang mit den Abschiebungsgefangenen der Anschein zu vermeiden als ob sie zur Strafe festgehalten werden.
(2) Das Vollzugsziel des § 2 Strafvollzugsgesetz (Resozialisierung) gilt für die Abschiebungsgefangenen nicht.
3. Unterbringung im Vollzug
(1) Abschiebungsgefangene sind grundsätzlich von Strafgefangenen getrennt in eigenen Abteilungen unterzubringen, soweit die räumlichen Gegebenheiten der Justizvollzugsanstalten dies erlauben.
(2) Für die Abschiebungsgefangenen sind großzügige Aufschluß und/oder Umschlußregelungen zu treffen, soweit dem nicht Sicherheit und Ordnung der Anstalt entgegenstehen.. Ihnen ist ausreichend Gelegenheit für den Aufenthalt im Freien zu gewähren, soweit das Wetter dies zuläßt.
4. Betreuung der
Abschiebungsgefangenen
(1) Die Abschiebungsgefangenen sind in die Freizeit- und Sportangebote der Justizvollzugsanstalten voll einzubeziehen.
(2) Den Abschiebungsgefangenen wird soziale Hilfe und Gesundheitsfürsorge gewährt. Auf ihre kulturellen Bedürfnisse ist Rücksicht zu nehmen.
(3) Den Abschiebungsgefangenen sind das Befolgen religiöser Übungen und die seelsorgerische Betreuung durch Geistliche ihres Bekenntnisses zu ermöglichen.
(4) Die Betreuung der Abschiebungsgefangenen ist eine vorrangige Aufgabe. Sie wird durch Vollzugsbedienstete und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der freien Träger, Angehörige humanitärer Organisationen, ehrenamtliche Mitarbeiter sowie Privatpersonen gewährleistet und soweit möglich durch Haushaltsmittel gefördert. Die Justizvollzugsanstalten sind insbesondere bemüht, den Gefangenen bei der Aufrechterhaltung von Beziehungen zu Familienangehörigen, Freunden und Bekannten zu helfen. Sie wirken bei der Sicherung des persönlichen Eigentums der Gefangenen mit und geben Hilfen zur Vorbereitung der Rückkehr durch Herstellung von Kontakten zu Angehörigen im Heimatland.
5. Verkehr mit der Außenwelt
(1) Für Abschiebungsgefangene sind großzügige Besuchsregelungen zu treffen und sicherzustellen. Die Gefangenen haben die Möglichkeit, mindestens jede Woche einen Besuch ihnen nahestehender Personen zu empfangen. Dabei sind Familienbesuche zu fördern.
(2) Angehörigen von Hilfsorganisationen sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der Abschiebungsgefangenen sind Besuche auch außerhalb der festgelegten allgemeinen Besuchszeiten zu ermöglichen, jedoch nicht zur Unzeit.
(3) Der Telefonverkehr, die Möglichkeit, Schreiben und Pakete zu empfangen und abzusenden sowie der Bezug von Zeitungen und Zeitschriften und anderen Druckwerken zur allgemeinen Information sind großzügig zu handhaben.
6. Verpflegung der
Abschiebungsgefangenen
Bei der Verpflegung ist nicht nur Rücksicht auf kulturelle und religiöse Speisegebote zu nehmen, sondern – soweit dies den Anstalten möglich ist – auch auf die Ernährungsgewohnheiten der Abschiebungsgefangenen.
7. Einkauf
(1) Die Abschiebungsgefangenen dürfen Nahrungs- und Genußmittel sowie Mittel zur Körperpflege in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt auf eigene Kosten erwerben.
(2) Gegenstände, die die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden, können vom Einkauf ausgeschlossen werden. Auf ärztliche Anordnung kann den Abschiebungsgefangenen der Einkauf einzelner Nahrungs- und Genußmittel ganz oder teilweise untersagt werden, wenn zu befürchten ist, daß sie ihre Gesundheit ernsthaft gefährden. Im Vollzugskrankenhaus und in den Krankenabteilungen kann der Einkauf einzelner Nahrungs- und Genußmittel auf ärztliche Anordnung allgemein untersagt oder eingeschränkt werden.
8. Beschäftigung und Weiterbildung
(1) Die Abschiebungsgefangenen sind zu einer Arbeit nicht verpflichtet, ihnen ist aber nach Möglichkeit wirtschaftlich ergiebige Arbeit anzubieten.
(2) Abschiebungsgefangene, bei denen eine mehr als vierwöchige Haftdauer absehbar ist, sollen in geeignete berufliche oder schulische Fördermaßnahmen der Anstalten eingebunden werden, wenn sie dies wünschen.
Erlaß des Niedersächsischen Innenministeriums v. 23.11.1993
56.22-12231/3-44- VORIS Nr. 26100000000076
Ausländerangelegenheiten;
Vollzug von Abschiebungen
Bezug: Erlaß vom 15.05.1987, Az 21.2-12231/3-1 VORIS Nr. 2610000000010
Erlaß vom 19.11.1992, Az 56.21-12231/3-20
1. Allgemeines
1.1 Für die Durchführung von Abschiebungen und Zurückschiebungen von Staatsangehörigen ausländischer Staaten sind gem. § 63 Abs. 1 Satz 2 Ausländergesetz (AuslG) die Bezirksregierungen zuständig (Beschluß der Landesregierung vom 23.11.1993) und gem. § 63 Abs. 6 AuslG auch die Polizei des Landes. Abschiebungen auf dem Luftwege werden zentral durch das Landeskriminalamt Niedersachsen koordiniert.
Eine Zuständigkeit der Grenzpolizei ist erst ab dem Grenzübergang bzw. dem letzten Flughafen im Bundesgebiet gegeben, unbeschadet der Möglichkeit der Begleitung durch Bedienstete des Landes Niedersachsen.
Hingegen liegt für von den Grenzbehörden veranlaßte Zurückschiebungen und Zurückweisungen die Zuständigkeit auch für die Begleitung während des ganzes Fluges – einschließlich etwaiger Inlandsflüge – bei diesen (§ 63 Abs. 4 AuslG).
2. Begleitung Abzuschiebender
2.1 Die Begleitung der Abzuschiebenden/Zurückzuschiebenden obliegt im Inland bis zur Grenzübergangsstelle (letzter Flughafen im Bundesgebiet) der niedersächsischen Polizei, die hierbei durch Verwaltungsvollzugskräfte der Bezirksregierungen unterstützt werden.
2.2 Für die Begleitung ins Ausland ist grundsätzlich der Bundesgrenzschutz (BGS) zuständig.
2.3 Die notwendige Begleitung von Personen, die im Anschluß an eine Straftat abgeschoben werden, obliegt bis zum Zielort im Ausland ebenfalls dem BGS, es sei denn, aus polizeilicher Sicht erweist sich eine Begleitung durch Bedienstete des Landes als notwendig.
3. Verfahren
3.1 Nach Feststellen der Abschiebungsreife durch die unteren Ausländerbehörden übersenden diese bei Abschiebungen auf dem Landwege die erforderlichen Unterlagen (Ausweisungs-/Abschiebungsverfügung, Abschiebungshaftbeschluß, Paß / Paßersatzpapier, Antrag auf Ausschreibung zur Festnahme) formlos der Bezirksregierung mit der Bitte um Übernahme und teilen vorliegende Erkenntnisse zu den Nrn. 1 bis 3 der Anlage 1 mit.
Bei Flugabschiebungen übersenden die Ausländerbehörden die notwendigen Unterlagen dem Landeskriminalamt Niedersachsen mit formlosen Schreiben, in dem vorliegende Erkenntnisse (s o.) mitgeteilt werden. Eine Durchschrift des Anschreibens leiten die Ausländerbehörden der Bezirksregierung zu.
3.2 Verfahren bei Abschiebungen auf dem Luftwege
3.2.1 Das Landeskriminalamt prüft, ob die für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen einschließlich der Grenzübertrittspapiere vorliegen, und beschafft noch notwendige Unterlagen (z.B. Durchbeförderungsbewilligungen). Es wertet die in dem Anschreiben mitgeteilten Erkenntnisse der Ausländerbehörde für seine Entscheidung über die Notwendigkeit einer Begleitung der Abzuschiebenden im Ausland aus. Gemäß den Bestimmungen der internationalen Vereinigung der Lufttransportgesellschaften sind Abzuschiebende bei Flügen im Inland immer zu begleiten. In den Fällen, in denen aus anderen Gründen eine Begleitung des Abzuschiebenden bis in das Herkunftsland erforderlich ist (z.B. bei Erkrankungen), ist diese durch das Landeskriminalamt in Absprache mit der unteren Ausländerbehörde sicherzustellen (einschließlich der Erstellung der Begleitpapiere).
3.2.2 Das Landeskriminalamt übersendet dem Bundesgrenzschutz eine Ausfertigung der „Mitteilung“ gemäß Anlage 1.
In den Fällen der Nr. 2.3 ist der Bundesgrenzschutz zu informieren und die Zustimmung zu der beabsichtigten Begleitung der Abzuschiebenden durch niedersächsische Bedienstete einzuholen. Eine Übersendung der „Mitteilung“ an den Bundesgrenzschutz entfällt.
Das Landeskriminalamt unterrichtet, soweit erforderlich, die deutsche Auslandsvertretung.
3.2.3 Das befördernde Luftfahrtunternehmen ist in den Fällen der Nrn. 2.1 und 2.3 über die vorgesehene Beförderung mit Vordruck gemäß Anlage 2 zu unterrichten.
Wird eine Begleitung nicht für erforderlich gehalten, liegen aber gleichwohl sicherheitsrelevante Erkenntnisse vor, sind diese dem Luftfahrtunternehmen zugänglich zu machen.
Kommen die für den Flug Verantwortlichen – ggf. auch nach Rücksprache mit der zuständigen Polizeidienststelle – zu einer anderen Beurteilung, so ist es dem Unternehmen freigestellt, die Sicherung durch eigenes Personal vorzunehmen oder die Beförderung abzulehnen.
Wird eine Begleitung für erforderlich gehalten, dürfen dem Luftfahrtunternehmen auf Anfrage die maßgebenden Gründe unter Berücksichtigung des Datenschutzes nur in generalisierter Form mitgeteilt werden (z.B. „der Ausländer hat Gewalttaten begangen“).
3.2.4 Befinden sich Abzuschiebende in Abschiebungshaft, veranlaßt das Landeskriminalamt bei der Justizvollzugsverwaltung ggf. die Verlegung. Aus der Abschiebungshaft kann das Landeskriminalamt auch die Durchführung der Abschiebung selbst vornehmen.
3.2.5 Sobald das Landeskriminalamt den Abschiebungstermin festgesetzt und den Flug gebucht hat, teilt es dies der zuständigen Bezirksregierung unter Übersendung der notwendigen Unterlagen mit. Die Bezirksregierung beauftragt die zuständige Polizeidienststelle mit dem Vollzug und entscheidet, ob und ggf. in welchem Umfang Verwaltungsvollzugskräfte unterstützend eingesetzt werden.
3.3 Verfahren bei Abschiebungen auf dem Landwege
Die Bezirksregierung prüft ob die für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen einschließlich der Grenzübertrittspapiere vorliegen, und beschafft noch notwendige Unterlagen oder ist der Ausländerbehörde bei der Beschaffung behilflich. Nach Festlegung des Abschiebungstermins kündigt sie die Abschiebung der Grenzschutzstelle an. Sofern die Abschiebung aus der Haft heraus erfolgt, veranlaßt die Bezirksregierung erforderlichenfalls eine Verlegung bei der Justizvollzugsverwaltung. Die Bezirksregierung bestimmt die für den Vollzug der Abschiebung zuständige Polizeidienststelle und koordiniert den unterstützenden Einsatz durch die Verwaltungsvollzugskräfte. Hierbei wertet sie die von der Ausländerbehörde mitgeteilten Erkenntnisse aus. In den Fällen, in denen eine Begleitung erforderlich ist (z.B. bei Erkrankungen durch Pflegekräfte) ist diese durch die Bezirksregierung in Absprache mit den Ausländerbehörden und den Behörden des Nachbarstaates sicherzustellen.
4. Den Vollzug der Abschiebung teilt die Polizeidienststelle der unteren Ausländerbehörde sowie den übrigen Beteiligten (Amtsgericht, Staatsanwaltschaften…) mit. Entzieht sich jemand durch Untertauchen der Abschiebung, teilt sie dies ebenfalls der unteren Ausländerbehörde mit. Diese veranlaßt die erforderliche Ausschreibung zur Festnahme und meldet sie unverzüglich dem Landeskriminalamt zur Speicherung.
Die Bezirksregierungen melden jeweils bis zum 02. eines Monats die im vorangegangenen Monat vollzogenen Landabschiebungen an das Landeskriminalamt. Das Landeskriminalamt erstellt monatlich eine Statistik über den Vollzug von Flug- und Landabschiebungen.
5. Abrechnung der entstandenen Kosten
5.1 Die Bezirksregierungen haben die durch die Abschiebung oder Zurückschiebung entstehenden Kosten gegenüber den nach § 82 AuslG Kostenpflichtigen geltend zu machen und erforderlichenfalls beizutreiben, sofern sie nicht von den Polizeibehörden geltend gemacht werden. Das Landeskriminalamt teilt der Bezirksregierung den Betrag der voraussichtlich entstehenden Kosten auf Anfrage und nach der Abschiebung in jedem Fall den Betrag der tatsächlich entstandenen Abschiebungskosten mit.
5.2 Abschiebungskosten sind aus Landesmitteln (Kapitel 03 20 Titel 537 75) zu tragen und, soweit sie erstattet werden, dem Landeshaushalt wieder zuzuführen.
Bei Flugabschiebungen sind die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel für die Abzuschiebenden und das Begleitpersonal vom Landeskriminalamt Niedersachsen zu tragen. Die weiteren Kosten i.S.d. BRKG (insbes. Tage- und Übernachtungsgelder) werden von der jeweiligen Dienststelle getragen.
5.2.2 Bei Landabschiebungen sind die Kosten der Abschiebung von der jeweiligen Bezirksregierung zu tragen.
5.3 Bei Abschiebungen im Wege der Amtshilfe für Ausländerbehörden anderer Bundesländer sind die entstandenen Kosten von der erstattungspflichtigen Ausländerbehörde des anderen Bundeslandes bei Flugabschiebungen durch das Landeskriminalamt und bei Landabschiebungen durch die Bezirksregierungen anzufordern und bei Kapitel 03 20 Titel 242 75 zu buchen.
6. Die vorstehenden Regelungen treten mit Wirkung vom 01.12.1993 in Kraft. Die im Bezug genannten Erlasse werden aufgehoben.
Im Auftrage
Middelbeck
Justizvollzugsanstalt Uelzen
– 4433 I – Bd. 2 – 24 –
Hausordnung – Haus 4
(§ 161 StVollzG)
Diese Hausordnung gilt für den Bereich des geschlossenen Vollzuges der Justizvollzugsanstalt Uelzen (Abschiebungshaft)
Herausgegeben im September 1995
I. Allgemeines:
Das Zusammenleben in einer Gemeinschaft verlangt gegenseitige Rücksichtnahme und die Einhaltung von Regeln, die von jedem Gefangenen zu beachten sind. Durch das Verhalten gegenüber Vollzugsbediensteten, Mitgefangenen und anderen Personen darf das geordnete Zusammenleben in der Anstalt nicht gestört werden.
II. Tageseinteilung:
Werktag ab 06.30 Uhr Wecken und Frühstück
07.30 Uhr Arbeitsbeginn
Mo. – Fr. 07.30 – 12.00 Uhr Arbeitszeit
12.00 – 12.30 Uhr Mittagessen
12.30 – 15.00 Uhr Mittagseinschluß
Mo. – Do. 12.30 – 16.00 Uhr Arbeitszeit
Fr. 16.00 – 17.00 Uhr Freistunde
17.15 – 17.45 Uhr Abendessen
17.45 – 18.00 Uhr Vollzähligkeitsfeststellung (während dieser Zeit hat sich der Gefangene auf seiner Wohngruppe aufzuhalten)
18.00 – 21.00 Uhr Freizeit
21.30 Uhr Einschluß
Arbeitsfreie Tage 08.00 Uhr Wecken
08.30 Uhr Frühstück
09.00 Uhr Freistunde
12.00 Uhr Mittagessen
12.30 – 15.00 Uhr Mittagseinschluß
15.00 – 15.30 Uhr Vollzähligkeitsfeststellung
16.00 Uhr Abendessen
16.45 – 21.00 Uhr Freizeit
21.30 Uhr Einschluß
III. Sicherheit und Ordnung:
Der Gefangene hat Anordnungen der Vollzugsbediensteten zu befolgen, auch wenn er sich durch sie beschwert fühlt. Einen ihm zugewiesenen Bereich darf er, von Notfällen abgesehen, nicht ohne Erlaubnis verlassen.
Ohne Zustimmung der Anstalt darf ein Gefangener nur Sachen von geringem Wert (2facher Tagessatz des Ecklohns) von einem anderen Gefangenen annehmen.
Jedes ruhestörende Verhalten sollte im Interesse gegenseitiger Rücksichtnahme unterbleiben.
Das Herstellen sowie der Genuß von Alkohol und anderen Rauschmitteln ist verboten.
Das Herauswerfen von Gegenständen jeder Art (auch Müll) aus dem Fenster ist verboten.
IV. Ausstattung der Hafträume:
Der Gefangene darf seinen Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten, die er mit Zustimmung der Anstalt in seinem Besitz hat. Die Befugnis, den Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen auszustatten, findet ihre Grenzen dort, wo die Übersichtlichkeit des Haftraumes, ein hygienisch einwandfreier Zustand oder die Sicherheit der Anstalt (Brandgefahr) nicht mehr gewährleistet ist. Die Reinigung des Haftraums obliegt dem Gefangenen.
Der zugewiesene Haftraum und die darin befindlichen Anstaltsgegenstände sind in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln. Gefangene, die Schäden verursachen, werden zum Ersatz dieser Schäden herangezogen.
Ein Umbau oder eine zweckfremde Verwendung des überlassenen Anstaltsmobiliars (Bett, Schrank, Tisch, Stuhl) ist nicht zulässig; insbesondere dürfen keine Wand- oder Deckenverkleidung oder Wandbefestigungen (z.B. Nägel, gedübelte Schrauben) angebracht werden. Das Verkleben von Postern an den Wänden ist ebenfalls nicht gestattet. Des weiteren ist es unzulässig, das in dem Haftraum vorhandene Mobiliar übereinander zu stellen (Unfallgefahr).
Die Stirnwände und Fensterscheiben der Hafträume müssen voll einsehbar und kontrollierbar sein. Eigene Vorhänge können auf Antrag zugelassen werden, wenn sie die Länge der Anstaltsvorhänge nicht überschreiten und eine Bescheinigung des Herstellers vorliegt, wonach die Gardinen als schwer entflammbar eingestuft sind.
Es ist insbesondere untersagt, Veränderungen an den elektrischen Installationen vorzunehmen. Eventuell im Haftraum vorhandene unerlaubte Stromanschlüsse sind wegen der damit verbundenen Brand- bzw. Lebensgefahr unverzüglich zu melden.
Der Besitz von Tieren (auch Zierfische und Vögel) und Hydrokulturen ist nicht gestattet.
Auf Antrag können im Einzelfall folgende Gegenstände zugelassen werden:
1 Radiocassettenrecorder, 1 CD-Player, 1 Fernseher (bis 42 cm Bildschirmgröße), 1 Kaffeemaschine, 1 Schreibmaschine ohne Speicherkapazitäten, 1 Taschenrechner, 1 Tages- oder Wolldecke, 1 Bettvorleger (Teppich) ca. 80 x 120 cm, 1 Reisetasche oder Koffer, 1 Tischdecke, 1 Saiteninstrument (z.B. Gitarre), Kassetten, CD’s und Bücher in angemessenem Umfang (ca. 10), Topfblumen (3, Beschaffung nur über die Anstalt), 1 Kopfhörer, 1 Tischlampe, 1 Fön, 1 Tauchsieder, 1 Electrorasierer, 1 Tischsteckdose 3fach, 1 Wecker, Filzstifte, 1 Beistelltisch 50 x 50 cm.
Nachfolgende, beispielhaft aufgezählte Gegenstände sind nicht zugelassen:
Polstermöbel, Teppichfliesen, Auslegware, Tapeten und fest mit der Wand verbundene Poster und Bilder, Möbel, die nicht zum Inventar gehören, Kleidung und Wäsche, soweit sie von der sonst in der Anstalt ausgegebenen Art und Anzahl abweicht, Lebens- und Genußmittel, soweit sie den Eigenbedarf unter Zugrundelegung des doppelten Einkaufszeitraumes übersteigen
V. Privatkleidung:
Folgende Kleidungsstücke werden zugelassen:
6 x Unterwäsche, 2 T-Shirts, 2 Hemden, 6 Paar Socken, 2 Hosen, 1 Bademantel, 2 Jogging-Anzüge, 3 Turnhosen, 3 Sporthemden, 2 Paar Sportschuhe, 1 Badetuch, 1 Handtuch, 2 Pullover/ Sweatshirts. Die Gefangenen haben für die Reinigung selbst zu sorgen. Waschmittel werden von der Anstalt gestellt. Der Tausch von schmutziger Wäsche gegen saubere Wäsche außerhalb der JVA ist nicht zulässig.
VI. Wäschetausch:
Montags 07.00 – 09.00 Uhr allgemeine Tauschzeiten
Freitags 07.00 – 09.00 Uhr Tausch der Arbeits- und Freizeitbekleidung
VII. Post:
Abzusendende Briefe sind beim Stationsbediensteten bis 09.00 Uhr abzugeben. Eingehende Post wird von einem Bediensteten in Gegenwart des Gefangenen nach Sichtkontrolle ausgegeben. Geldsendungen in Briefen an Gefangene sind nicht zulässig.
VIII. Paketsendungen:
Mindestens 3 Pakete mit Nahrungs- und Genußmitteln (bis 7,5 Kilogramm) können bei der Hausleitung beantragt werden. Nach Genehmigung wird eine Paketmarke nebst Merkzettel ausgegeben, der Informationen über den zulässigen Inhalt der Pakete enthält.
IX. Telefonate:
Die Telefonzeiten für ein- oder ausgehende Gespräche über die Telefonapparate in den Stationszimmern sind hausintern geregelt und dort zu erfragen. Sie orientieren sich an der Uhrzeit der Heimatländer und an der hiesigen Dienstzeit.
Im Haus steht ein öffentliches Kartentelefon für ausgehende Gespräche zur Verfügung; über den Erwerb der Telefonkarten informiert Sie der Hausleiter.
X. Geldangelegenheiten:
Einzahlungen sind grundsätzlich auf das Postgirokonto der JVA Uelzen beim Postgiroamt Hannover Nr. 790306 unter Angabe des Namens, Geburtsdatums und des Verwendungszwecks vorzunehmen. In Ausnahmefällen können Bargeldeinzahlungen von Besuchern in der Zahlstelle von Dienstag bis Donnerstag in der Zeit von 09.00 – 10.30 Uhr und von 13.30 – 15.00 Uhr erfolgen.
XI. Einkauf:
Der Einkauf findet jeden Freitag ab 09.00 Uhr statt. Zugangseinkauf findet unverzüglich nach Zugang statt. Über Zusatzeinkauf entscheidet der Abteilungsleiter.
XII. Besuchszeiten:
1. Für Abschiebungsgefangene:
Dienstag, Mittwoch, Samstag von 09.00 15.30 Uhr
Freitag von 12.00 19.00 Uhr
XIII. Sprechstunden:
1. Die Sprechstunde des Leiters der JVA Uelzen finden jeweils mittwochs statt, die des Vollzugsleiters werktags zur Geschäftszeit. Ein entsprechender Antrag ist rechtzeitig vorher zu stellen.
2. Die Sprechstunde der Anstaltsbeiräte findet alle 14 Tage am Dienstag ab 10.00 Uhr statt. Dem Anstaltsbeirat gehören z. Z. folgende Herren an: Herr Drechsler, Herr Göbel, Herr Poppe.
Anträge auf ein Gespräch mit dem Anstaltsbeirat sind beim Stationsbeamten abzugeben, der sie dem Leiter des allg. Vollzugsdienstes weiterleitet.
Vertreter der Aufsichtsbehörden stehen bei Besichtigungen der Anstalt zur Anhörung Gefangener in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, zur Verfügung.
XIV. Krankmeldungen:
Krankmeldungen zur Arztvorstellung können zum Morgenaufschluß beim Stationsbeamten abgegeben werden.
Weitere Lazarettbesuche bedürfen der vorherigen Anmeldung durch den Stationsbeamten.
XV. Büchertausch:
Die Büchertauschzeiten sind dem Aushang zu entnehmen oder bei den Bediensteten zu erfragen.
XVI. Freizeitveranstaltungen:
Die Termine der Freizeitveranstaltungen sind den Aushängen zu entnehmen oder bei den Bediensteten zu erfragen.
Die Gemeinschaftsfernseher können werktags von 06.30 Uhr – 07.30 Uhr, 11.30 Uhr – 12.30 Uhr und 15.30 Uhr – 21.30 Uhr genutzt werden.
An arbeitsfreien Tagen kann der Fernseher während der Aufschlußzeiten genutzt werden.
XVII. Anträge – Beschwerden –
Aufsichtsbehörde:
Anträge in vollzuglichen Angelegenheiten sind beim Stationsbeamten abzugeben, der sie an den zuständigen Hausleiter weiterleitet.
Anträge, die bei Gericht angebracht werden müssen, können der Rechtsantragsstelle beim Amtsgericht Uelzen vorgetragen werden.
Beschwerden an den Anstaltsleiter können im verschlossenen Umschlag abgegeben werden.
XVIII. Inkrafttreten:
Diese Hausordnung tritt mit Wirkung vom 19. September 1995 in Kraft.
Abschiebungshaftabteilung der JVA Wolfenbüttel
Informationen – in deutscher Sprache – Stand: 1995
INFORMATION
Um Ihnen den Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt zu erleichtern. geben wir Ihnen im folgenden einige Hinweise:
Sie befinden sich z.Z. in der JVA Wolfenbüttel, Ziegenmarkt 10, 38300 Wolfenbüttel, Tel.: 05331/807-0.
Grundlage Ihres Aufenthaltes ist die vom Richter angeordnete Abschiebungshaft, d.h. die Justizvollzugsanstalt ist verpflichtet, Sie bis zur Abschiebung unterzubringen.
1. Sicherheit und Ordnung:
Der Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt regelt sich nach den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes. Zur Durchsetzung dieser Bestimmungen können Disziplinarmaßnahmen und unmittelbarer Zwang eingesetzt werden. Durchsuchungen und Zellenkontrollen sind somit zulässig und werden in unregelmäßigen Abständen durchgeführt.
Das Zusammenleben vieler Menschen unterschiedlichster Herkunft auf beengtem Raum erfordert von Bediensteten und Gefangenen ein hohes Maß an gegenseitigem Verständnis. Sie tragen dazu bei, indem Sie gewaltfrei auftreten und Anordnungen von Bediensteten folge leisten.
2. Beschwerderecht:
Vollzugliche Maßnahmen können Sie gerichtlich auf ihre Gesetzmäßigkeit überprüfen lassen.
Andere Beschwerden können dem Anstaltsleiter mündlich oder schriftlich vorgetragen werden.
3. Tagesablauf – werktags:
Wecken, Frühstücksausgabe 6.00 Uhr
Mittagessenausgabe 12.00 Uhr
Abendessenausgabe 15.30 Uhr
Freistunde 16.00 – 17.00 Uhr
Freizeit 17.00 – 20.15 Uhr
Nachteinschluß 20.15 Uhr
Werktags wird sofern dienstlich möglich am Vormittag zusätzlich Freizeit/ Freistunde angeboten.
Samstags, sonn- und feiertags:
Wecken Frühstücksausgabe 8.00 Uhr
Freizeit 8.30 – 10.45 Uhr
Mittagessenausgabe 11.00 Uhr
Freistunde 13..30 – 14. 30 Uhr
Freizeit 13..30 – 16.30 Uhr
Abendessenausgabe 16.30 Uhr
Freizeit 17.30 – 20.15 Uhr
Nachteinschluß 20.15 Uhr
4. Freizeit:
In der Freizeit können Sie an Veranstaltungen oder Gruppenangeboten des Unterkunftshauses teilnehmen.
Diese sind den gesonderten Aushängen im Haus (Sport- und Freizeitplan) zu entnehmen.
Des weiteren kann in der Bücherei der JVA Literatur ausgeliehen werden. Im Kellergeschoß befindet sich ein Gemeinschaftsfernseh-, ein Billiard-, ein Kicker- sowie Kraftsportraum.
5. Freistunde:
Sie haben ein Anrecht auf täglich mindestens 1 Stunde Aufenthalt im Freien. Den Zeitpunkt der Freistunde entnehmen Sie bitte dem Tagesablauf.
6. Fernseh- und Rundfunkgeräte:
Es ist gestattet auf den Hafträumen eigene Rundfunk- und Fernsehgeräte zu betreiben. Das Gerät muß jedoch vor Inbetriebnahme überprüft und versiegelt werden. Hierfür entstehen für Sie Kosten in Höhe von ca. 30.– DM. Wenn Sie über kein eigenes Rundfunk- oder Fernsehgerät verfügen können Sie einen Antrag auf Aushändigung eines Sozialgerätes stellen.
7. Briefverkehr:
Ausgehende Briefe unterliegen der Sichtkontrolle (ausgenommen u.a. Verteidigerpost) und sind unverschlossen in gesicherten Briefkasten im Erdgeschoß zu werfen.
Eingehende Briefsendungen werden Ihnen nach Sichtkontrolle auf unerlaubte Einlagen von einem besonders beauftragten Bediensteten ausgehändigt.
Die Anschrift der Justizvollzugsanstalt lautet:
Justizvollzugsanstalt
Postfach 15 61
38285 Wolfenbüttel
8. Pakete:
Für den Paketempfang mit Nahrungs- und Genußmitteln, sowie sonstiger Gegenstände (Bekleidung, Bücher etc.) benötigen Sie eine Paketmarke die Ihnen mit besonderer Anordnung auf Wunsch ausgehändigt wird.
Wenden Sie sich bitte bezüglich weiterer Informationen an Ihren Stationsbeamten.
9. Bekleidung:
Sie können die von Ihnen benutzte Anstaltskleidung einschließlich der Handtücher 1x wöchentlich auf der Kammer tauschen.
Ihre Bettwäsche wird alle 3 Wochen gewechselt. Privatkleidung können Sie nach Absprache in der hauseigenen Waschmaschine waschen lassen.
10. Geldüberweisungen:
Geldsendungen in Briefen sind nicht zulässig!
Sie haben jedoch die Möglichkeit unter Angabe lhres Namens, Geburtsdatums sowie Ihrer Buchnummer Geld auf folgendes Konto überweisen zu lassen:
Postbank Hannover
Konto-Nr.: 9129-304
Bankleitzahl: 250 100 30
Bargeldeinzahlungen sind auch bei der Anstaltszahlstelle möglich.
11. Telefon:
Sie können das hauseigene Kartentelefon benutzen. Dafür ist der Erwerb einer Telefonkarte erforderlich. Die Telefonkarte ist auf gesonderten Antrag zu bestellen. In Briefsendungen eingelegte Telefonkarten werden nicht ausgehändigt.
Die Anstalt ist unter folgender Rufnummer zu erreichen:
05331/ 807-0 oder
Telefax: 05331/ 807 135
12. Einkauf:
Wöchentlich können Sie nach einem Warenangebot Nahrungs- und Genußmittel sowie Körperpflegemittel vom Eigengeld erwerben.
Die Preislisten der lieferbaren Waren hängen im Haus aus; Einkaufszettel sind im Dienstzimmer erhältlich.
13. Taschengeld:
Bedürftige Abschiebungsgefangene erhalten auf Antrag monatlich Waren bis zur Höhe von 40,– DM, die Sie, sofern Sie später über Geld verfügen zurückerstatten müssen.
14. Besuch:
Das Besuchszimmer ist werktags an jedem Dienstag, Mittwoch und Donnerstag sowie an jedem 2. Wochenende, jeweils am Samstag und Sonntag geöffnet.
Der gewünschte Besuchstermin muß von Ihnen oder Ihren Besuchern beim Besuchsbeamten beantragt werden.
Informieren Sie bitte Ihre Besucher, daß die angegebenen Besuchszeiten dringend eingehalten werden müssen, da bei Verspätungen der Besuch aus organisatorischen Gründen möglicherweise nicht stattfinden kann.
15. Rechtsanwälte:
Sofern Sie einen Anwalt sprechen möchten, ist ein Rechtsanwaltsverzeichnis des Oberlandesgerichtsbezirks Braunschweig im Dienstzimmer des Abteilungshelfers einzusehen.
16. Konsulate:
Ein Verzeichnis der konsularischen Vertretungen in der Bundesrepublik steht Ihnen beim Sozialen Dienst zur Verfügung.
17. Sozialdienst:
Bei Fragen oder Problemen können Sie sich an den Sozialdienst wenden, der Ihnen bei der Klärung Ihres Anliegens behilflich sein wird.
18. Arzt und Zahnarztbesuch:
Im Krankheitsfalle wenden Sie sich bitte beim Wecken an Ihren Stationsbeamten.
Dieser wird Ihnen einen Arztbesuch vermitteln.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen die Ihnen bekanntgegebene/n Entscheidung/en können Sie
a) gerichtliche Entscheidung bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig beantragen. Der Antrag muß bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe der Entscheidung schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Gerichts gestellt und begründet werden.
Der Antrag hat keine aufschiebende Wirkung.
b) vorläufigen Rechtsschutz bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig beantragen. Das Gericht kann den Vollzug der angefochtenen Maßnahmen aussetzen, wenn die Gefahr besteht daß die Verwirklichung Ihres Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird und ein höher zu bewertendes Interesse an dem sofortigen Vollzug nicht entgegensteht.
Das Gericht kann auch eine einstweilige Anordnung erlassen.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist schon vor Stellung des Antrages auf gerichtliche Entscheidung zulässig.
2.10 Nordrhein-Westfalen
Zuständigkeit: Innenministerium; in Amtshilfe: Justizvollzugsanstalten
Rechtsgrundlage: Strafvollzugsgesetz, Freiheitsentzugsgesetz;
Richtlinien zur Vorbereitungs- und Sicherungshaft (§ 57 AuslG; Erlaß vom 24.11.95)
Unterbringung: JVAs Büren, Coesfeld, Moers, Neuß, Gütersloh, Herne, Leverkusen, Wuppertal-Barnum, Büren
Kapazität: 1.225 Plätze
Haftdauer: durchschnittlich 46 Tage (Stand Anfang 1995)
Die Abschiebungshaft wird in Amtshilfe durch die Justizvollzugsanstalten, aber in separaten Einrichtungen vollzogen. Sogar für die Frauen existiert eine eigene Abschiebungshaftanstalt in Neuß. Obwohl seit Jahren in Vorbereitung, ist noch immer nicht das geplante Landesgesetz zur Durchführung des Vollzugs verabschiedet worden. Jedoch wurden Richtlinien aufgestellt.
Nordrhein-Westfalen spielt in der Abschiebungs(haft)politik eine Vorreiterrolle. Es war das erste Land, das eigene Haftanstalten für die Abschiebungshaft errichtete. Mit den wachsenden Zahlen der Abschiebungshäftlinge wurde Politik getrieben, für 1994 rechnete man offiziell mit einem Bedarf von 2.500 Haftplätzen (besetzte Plätze Juni 1996: 532). Nordrhein-Westfalen eröffnete jetzt auch eine neue Diskussion über die Schärfe von Sicherheitsmaßnahmen in der Abschiebungshaft, indem es zur Bewachung den Bediensteten in den JVA private Wachdienste zur Seite stellte. Dazu in der Presseerklärung des Justizministeriums (August 93):
„Zur Frage der notwendigen Sicherheitseinrichtungen wird in der öffentlichen Diskussion immer wieder kritisch angemerkt, daß es sich bei den Abschiebungsgefangenen nicht um Straftäter handele. Dies trifft in der Mehrzahl aller Haftfälle auch zu. Es wird aber häufig verkannt, daß es sich weithin um Menschen handelt, die in ihrem Heimatland alle Brücken abgebrochen haben und denen oft genug von Schlepperbanden ihre letzten Mittel abgepreßt worden sind. Bei dieser Sachlage muß von einem sehr hohen Fluchtanreiz ausgegangen werden … .“
In den Abschiebungshaftanstalten wird der Vollzug ähnlich wie im Strafvollzug durchgeführt. Weniger Reglementierungen gibt es beim Empfang von Besuch und der Freizeitgestaltung. In einigen Anstalten muß die Erlaubnis zum Telefonieren beantragt werden, wodurch Willkür Platz geschaffen wird, zudem fehlt es den Häftlingen auch an Geld zum Telefonieren. Ihnen steht pro Tag ein Taschengeld von DM 1,50 zu, gleichzeitig sind die Waren, die sie innerhalb der Anstalt vom Kaufmann erwerben können, im Vergleich zum normalen Markt, überteuert.
Mehrmals täglich haben die Häftlinge die Möglichkeit, sich im Freien zu bewegen, in begrenztem Rahmen gibt es auch Sportangebote. Tagsüber ist offener Umschluß, so daß man sich in den Zellentrakten frei bewegen kann und aus den beengten Gemeinschaftszellen herauskommt. Es wird versucht, mit dem Essen auf die kulturellen und religiösen Bedürfnisse der Häftlinge einzugehen.
Das Land hat für 1996 2,5 Millionen DM für eine Rechtsberatung in den Abschiebungshaftanstalten zur Verfügung gestellt. Sie wird unter anderem durch den Anwaltsverein in Form von regelmäßigen Sprechstunden angeboten. Das Feedback ist sehr gut, denn die wenigsten Abschiebungshäftlinge kennen die Rechtslage, noch können sie sich in Ihrer Situation einen Rechtsanwalt leisten. Auch die Ausländerbehörde bietet Sprechstunden an, kann aber den Bedarf, der hauptsächlich aus der Unsicherheit der Häftlinge entsteht, nicht decken. Man erarbeitet gerade mehrsprachige Informationsblätter, die den Häftlingen zu Beginn ihrer Haft ausgehändigt werden sollen.
Das ehrenamtliche Engagement in Nordrhein-Westfalen ist sehr groß. Der Flüchtlingsrat von NRW und Betreuungsgruppen kümmern sich nicht nur um die Belange der Häftlinge vor Ort, sondern treten mit ihren alltäglichen Erfahrungen in die Öffentlichkeit, um durch Kritik Verbesserungen zu erreichen.
In keinem Bundesland ist die Situation so transparent wie in NRW. Einerseits sieht sich die Landesregierung infolge dessen einer deutlichen und qualifizierten Kritik ausgesetzt, die beispielsweise rügt, daß die Richtlinien teilweise nicht umgesetzt werden, andererseits darf sich NRW rühmen, das Bundesland zu sein, das die meisten Anstrengungen unternimmt, die Haftsituation erträglich zu gestalten und durch die Kooperation mit den Betreuungsgruppen die Not zu lindern.
Erlaß des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen
vom 28. 9. 1995
Aktenzeichen: IC5/6.1
Betr.: Ausländerrecht
hier: Absehen von Abschiebungshaft für Personen unter 16 Jahren (Jugendliche und Kinder)
Bezug: 1. Erlaß vom 30.1.1992 – I B 4/43.47
2. Bericht der Bezirksregierung Düsseldorf vom 4.9.1995 – .21.12-30 (16 A/95)
Die mit dem Bezugserlaß mitgeteilte Auffassung des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen, wonach die Justizvollzugsanstalten aus vollzuglichen, humanitären und psychologischen Gründen nicht für die Aufnahme von Abschiebungshaftgefangenen geeignet sind, die noch nicht das 14. Lebensjahr vollendet haben (Kinder), gilt entsprechend auch für Personen, die zwar das 14., aber noch nicht das 16. Lebensjahr vollendet haben (Jugendliche).
Personen unter 16 Jahren werden daher von den Justizvollzugsanstalten nicht in Abschiebungshaft aufgenommen.
Dies bedeutet, daß Abschiebungshaft für Personen unter 16 Jahren von den Ausländerbehörden wegen fehlender Vollzugsmöglichkeiten nicht beantragt werden sollte.
Dieser Erlaß ergeht im Einvernehmen mit dem Justizministerium und dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein – Westfalen.
Ich bitte, die Ausländerbehörden Ihres Bezirks entsprechend zu unterrichten.
Im Auftrag
gez. (Sander)
Richtlinien zur Vorbereitungs- und Sicherungshaft
(§ 57 AuslG)
1. Grundsätze der Abschiebungshaft
1.1 Zweck der Abschiebungshaft ist allein die Sicherung des Abschiebungsvollzugs. Weil hierdurch in das Freiheitsrecht des Ausländers (Art. 2 Abs. 2 GG) eingegriffen wird, muß die Ausländerbehörde auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen und entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in jedem Einzelfall prüfen, ob die Anwendung eines milderen Mittels als das der Abschiebungshaft in Betracht kommt.
In den Fällen in denen auf eine Abschiebungshaft nicht verzichtet werden kann, muß die Ausländerbehörde diesen Grundsätzen entsprechend der Abschiebungshaftsache besondere Aufmerksamkeit widmen, um die Haftdauer so kurz wie möglich zu halten.
1.2 Die Abschiebungshaft hat keinen Strafcharakter; sie dient nicht dem Ziel, den Willen des Ausländers zu beugen, etwa um die Mitwirkung bei der Paßbeschaffung zu erreichen oder der Ausländerbehörde die Arbeit zu erleichtern.
2. Haftantrag
Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG ist dem Richter (hier dem Amtsrichter) die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Freiheitsentziehung übertragen; ob und wie lange der Ausländer im Rahmen dieser richterlichen Ermächtigung tatsächlich in Abschiebungshaft genommen wird, hat hingegen ausschließlich die gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 FEVG i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 AuslG für den Vollzug der Abschiebung zuständige Ausländerbehörde zu entscheiden. Die richterliche Anordnung der Freiheitsentziehung hat für die Ausländerbehörde also keine bindende Wirkung in dem Sinne, ob, wann und in welchem zeitlichen Umfang die Haftanordnung im Rahmen ihrer Gültigkeitsdauer vollstreckt wird. Diese Entscheidungen liegen im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörde.
Wird von einem Haftanordnungsbeschluß kein Gebrauch gemacht, wird der Beschluß also nicht vollstreckt, oder wird der Ausländer aus der Abschiebungshaft entlassen, so ist der Haftanordnungsbeschluß verbraucht (vgl. LG Wuppertal, Beschluß vom 19.12.1995, 6 T 983/95).
2.1 Inhalt des Haftantrages
Jeder Haftantrag ist von der Ausländerbehörde ausführlich und schlüssig zu begründen.
Hierzu zählen neben den personenbezogen Daten des Ausländers insbesondere folgende Angaben:
Darlegung der Abschiebungshaftvoraussetzungen (im einzelnen hierzu Ziffer 3).
Darlegung, welche Maßnahmen bisher zur Vorbereitung der Abschiebung getroffen worden sind.
Darlegung warum die Abschiebung ohne Inhaftnahme des Ausländers nicht gewährleistet ist.
Voraussichtliche Verfahrensdauer für die Durchführung der Abschiebung und dementsprechend
Dauer der Abschiebungshaft.
Angaben dazu, ob ein Ermittlungs-/Strafverfahren anhängig ist, ob das Einverständnis der Staatsanwaltschaft nach § 64 Abs. 3 AuslG vorliegt oder wann mit dem Abschluß des Verfahrens zu rechnen ist.
Angaben zum letzten bekannten Wohn-Aufenthaltsort.
Einzelheiten des Verfahrens und der Umstände bei einer Festnahme
Angaben, ob für das betreffende Heimatland Abschiebungen ausgesetzt worden sind.
Angaben dazu, ob ein Folgeantrag gestellt worden ist und wann mit dessen Bescheidung zu rechnen ist.
Sofern er der Ausländerbehörde vorliegt, sind auch der Bescheid des BAFl und die Zustellungsurkunde beizufügen.
Bei Haftverlängerungsanträgen müssen zusätzlich die Maßnahmen aufgelistet werden, die während der Haftzeit getroffen worden sind, um die Abschiebung tatsächlich zu vollziehen; hinzu kommen Angaben zum voraussichtlichen Termin der Abschiebung. Der Haftverlängerungsantrag ist dem Ausländer so rechtzeitig mitzuteilen, daß er sich auf den Anhörungstermin vorbereiten kann.
Jeder Haftantrag nebst Anlagen ist bei Gericht in zweifacher Ausfertigung vorzulegen, damit auch dem Ausländer ein Exemplar ausgehändigt werden kann. Eine dritte Ausfertigung soll dem Leiter der Abschiebungshaftanstalt übergeben werden.
2.2 Absehen von Abschiebungshaft
In den folgenden Fällen ist grundsätzlich von einem Antrag auf Abschiebungshaft abzusehen:
2.2.1 Schwangere (ab der 29. Woche) und stillende Frauen. Bei einer Schwangerschaft bis zur 12. und ab der 21. Woche ist die Haftfähigkeit in jedem Einzelfall durch eine ärztliche Person, vornehmlich durch eine Ärztin, feststellen zu lassen.
2.2.2 Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren.
2.2.3 Alleinerziehende mit Kindern unter 7 Jahren (Kleinkinder).
2.2.4 Soweit die Anordnung von Abschiebungshaft gegen Eltern mit einem oder mehreren Kindern unerläßlich ist, darf grundsätzlich nur ein Elternteil in Haft genommen werden.
2.2.5 Bei Anhaltspunkten für eine Haftunfähigkeit (körperliche oder psychische Krankheit) ist die Möglichkeit einer Inhaftnahme durch eine ärztliche Person feststellen zu lassen.
2.3 Vermeidung von Abschiebungshaft
2.3.1 Um die Anordnung von Abschiebungshaft in Fällen zu vermeiden in denen der abgelehnte Asylbewerber von dem ablehnenden Bescheid des BAFl keine Kenntnis hatte und aufgrund dieser Unkenntnis Handlungen begeht, die Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Haftgrundes geben, soll jede Ausländerbehörde den Ausländer noch einmal mündlich oder schriftlich darauf hinweisen, daß eine Ausreisepflicht besteht, wie die Ausreise durchgeführt werden kann und welche Folgen bei einer Nichtbeachtung entstehen können. (Muster eines Schreibens ist als Anlagen 1a und 1b beigefügt).
Auf die genannten Hinweise kann verzichtet werden bei Mehrfachidentitäten oder wenn der Ausländer bereits untergetaucht war.
2.3.2 Um sicherzustellen, daß der Ausländer tatsächlich von der Abschiebungsandrohung Kenntnis hat, sind insbesondere auch die in meinem Erlaß vom 10.10.1994 – I C 5/ 4.7 – dargelegten Hinweise zur Zustellung von Postsendungen anAsylbewerber in kommunalen Unterkünften zu beachten. (als Anlage 2 noch einmal beigefügt)
2.3.3 Hat ein Ausländer, dessen Asylantrag abgelehnt worden ist, von dem ablehnenden Bescheid des BAFl keine Kenntnis erhalten, so kommt im Falle einer fehlerhaften Zustellung Abschiebungshaft nicht in Betracht.
3. Voraussetzungen
3.1 Vorbereitungshaft
Die Vorbereitungshaft nach § 57 Abs. 1 Satz 1 AuslG setzt voraus,
daß die Ausländerbehörden ein Ausweisungsverfahren betreiben (§§ 45 ff AuslG),
daß über die Ausweisung nicht sofort entschieden werden kann, und
daß die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde.
Neben dem Bedürfnis für die Sicherung des Abschiebungsvollzugs ist für die Vorbereitungshaft also erforderlich, daß die Durchführung der Abschiebung besonders stark gefährdet sein muß.
3.2 Sicherungshaft
3.2.1 Ausreisepflicht vollziehbar
Da die Sicherungshaft die Abschiebung gem. §§ 49 ff AuslG sichern soll, ist zunächst Voraussetzung, daß die Ausreisepflicht vollziehbar ist.
Sofern ein Rechtsmittel eingelegt ist, hat dies auf den Abschiebungsvollzug, und damit auf die Abschiebungshaft, folgende Auswirkung:
3.2.1.1 Ist der Asylantrag als unbeachtlich (§ 29 AsylVfG) oder als offensichtlich unbegründet (§ 30 AsylVfG) abgelehnt, hat eine Klage keine aufschiebende Wirkung § 75 AsylVfG.
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO führt nach § 36 Abs. 3 Satz 8 AsylVfG zur Aussetzung der Abschiebung bis zur gerichtlichen Entscheidung, die innerhalb einer Woche ergehen soll. Abschiebungshaft ist also bei rechtzeitiger Antragstellung (Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG) in dieser Zeit unzulässig. Ein Antrag nach § 123 VwGO hat keine aufschiebende Wirkung, so daß hier die Abschiebung – sofern keine gegenteilige Entscheidung des Verwaltungsgerichts vorliegt – vollzogen werden kann.
3.2.1.2 Ist der Asylantrag als unbegründet in sonstigen Fällen abgelehnt („einfach unbegründet“), hat eine Klage aufschiebende Wirkung, § 75 AsylVfG. In diesen Fällen kann eine Abschiebung erst einen Monat nach Unanfechtbarkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung vollzogen werden (§ 38 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG)
3.2.1.3 Bei Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (also ohne Asylverfahren) hat eine Klage keine aufschiebende Wirkung, § 75 AsylVfG. Eine Aussetzung nach § 80 VwGO oder § 123 VwGO ist gem. § 34 a Abs. 2 AsylVfG nicht möglich; gleichwohl ergangene gerichtliche Entscheidungen sind für die Ausländerbehörden im Einzelfall verbindlich.
3.2.1.4 Bei einem Asylfolgeantrag innerhalb von 2 Jahren nach Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung oder -androhung, § 71 Abs. 5 AsylVfG, kann die Abschiebung erst nach der Mitteilung des BAFl, daß kein weiteres Verfahren durchgeführt wird, vollzogen werden. Ausgenommen hiervon sind die Fälle, in denen die Ausländerbehörde festgestellt hat, daß der Folgeantrag offensichtlich unschlüssig ist, § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG oder die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat vorgesehen ist.
Nach § 71 Abs. 8 AsylVfG steht ein Asylfolgeantrag der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen. Hier liegt eine gesetzliche Ausnahme von dem Grundsatz vor, daß nur vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer in Abschiebungshaft zu nehmen sind. Entscheidet das BAFl aufgrund des Antrags, daß ein Folgeverfahren durchgeführt wird, ist die Beantragung von Abschiebungshaft unzulässig; eine bereits bestehende Haft ist zu beenden.
3.2.2 Abschiebung innerhalb von 3 Monaten möglich
In § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG ist eine weitere, negative Voraussetzung niedergelegt: Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, daß die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten 3 Monate durchgeführt werden kann und der Ausländer das Abschiebungshindernis oder die Verzögerung nicht zu vertreten hat.
3.2.2.1 Ein Ausländer hat ein Abschiebungshindernis nur dann zu vertreten, wenn dessen Beseitigung von seinem Willen abhängt (vgl. OLG Frankfurt/M, Beschl. v. 11. 5. 1994 NVwZ 1994, 827).
Beispiele:
Nicht zu vertreten hat der Ausländer eine Verzögerung, wenn die Behörden seines Heimatlandes die Ausstellung von Reisedokumenten trotz seiner Mitwirkung – aus welchen Gründen auch immer – nur schleppend oder gar nicht betreiben.
Sofern der Ausländer ohne Paß und/oder unter Zuhilfenahme von Schleusern in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, so ist allein der Hinweis, der Ausländer habe die Ursache für das Abschiebungshindernis gesetzt, kein ausreichender Grund für die Inhaftierung. Sofern der Ausländer erst während der Haft bei der Paßbeschaffung mitwirkt, ist für die Frage, ob die Haft über drei Monate hinaus angeordnet werden kann, entscheidend, ob der Ausländer alle Mitwirkungspflichten hinsichtlich der Paßbeschaffung erfüllt, und alles unterläßt, was seine Abschiebung verhindert (z.B. Gewaltbereitschaft am Flughafen).
3.2.2.2 Abschiebungshaft kann grundsätzlich auch während eines Abschiebestopps nach § 54 AuslG zulässig sein. Der Ausländer ist nach wie vor ausreisepflichtig (mit der Duldung besteht die Ausreiseverpflichtung fort, § 56 Abs. 1 AuslG). Voraussetzung ist aber, daß die Haftgründe in dem jeweiligen Einzelfall noch bestehen und die Haft über den Zeitraum des Abschiebestopps hinaus noch verhältnismäßig ist, also die 3-Monatsfrist des § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG nicht entgegensteht. Zeitpunkt der Prüfung ist der 1. Tag des Abschiebestopps.
3.2.2.3 Grundsätzlich unzulässig ist die Abschiebungshaft, wenn ein Abschiebestopp von mehr als 3 Monaten ergeht, weil jetzt im Sinne des § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG „feststeht“, daß eine Abschiebung unter keinen Umständen „innerhalb der nächsten 3 Monaten durchgeführt werden kann.“
3.2.2.4 In Fällen, in denen nach Ziffer 2 des RdErl. des IM vom 11.4.1994 – I C 2/43.33 -, MBl.NW. 1994 S. 624, einer Ausländerin eine Frist zur freiwilligen Ausreise von mindestens vier Wochen zu gewähren ist, ist in dieser Zeit von der Beantragung der Sicherungshaft abzusehen.
3.2.3 Vorliegen eines Haftgrundes
Der Haftrichter muß hier nicht die Rechtmäßigkeit der Abschiebung prüfen, sondern nur, ob sich die Ausländerbehörde auf eine formell (noch) rechtswirksame Verfügung stützt (vgl. BayObLG, Beschl. v. 2.9.1993, in: NVwZ 1994, 621), und ob einer oder mehrere der nachfolgenden Haftgründe vorliegen.
3.2.3.1 § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG:
Der Ausländer ist auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig.
Von der Beantragung einer Sicherungshaft kann hier aber ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, daß er sich der Abschiebung nicht entziehen will (§ 57 Abs. 2 S. 3 AuslG).
Die Glaubhaftmachung liegt insbesondere vor, wenn der Ausländer für die Ausländerbehörde erreichbar ist.
Sofern der Ausländer eine Wohnanschrift im Zuständigkeitsbereich einer anderen Ausländerbehörde angibt, ist das Einvernehmen zwischen den Ausländerbehörden erforderlich.
Der Ausländer muß weiterhin über ein gültiges Heimreisedokument und Eigenmittel/ gültiges Flugticket für die Rückreise verfügen und seine Ausreisebereitschaft gegenüber der Ausländerbehörde erklären. Sofern ein gültiges Heimreisedokument nicht vorliegt, muß der Ausländer bei der Paßbeschaffung im erforderlichen Umfang mitwirken.
Sofern Eigenmittel nicht vorhanden sind, kann der Ausländer diese auch ersatzweise aus dem REAG/GARP Programm der International Organisation for Migration (IOM) erhalten oder eine Kostenübernahmeerklärung eines Dritten vorlegen.
In diesen Fällen erhält der Ausländer für die Dauer des Aufenthalts eine Grenzübertrittsbescheinigung.
In den Fällen der Nr. 1 soll auch grundsätzlich von einer Inhaftnahme abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, daß er keine Gelegenheit hatte, erstmals einen Asylantrag zu stellen.
3.2.3.2 § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG
Die Ausreisefrist ist abgelaufen und der Ausländer hat seinen Aufenthaltsort gewechselt, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist.
Der Ausländer ist also seiner Meldeverpflichtung gegenüber der Ausländerbehörde nicht nachgekommen, so daß der Verdacht vorliegen kann, er habe sich der Abschiebung entziehen wollen.
Regelungsinhalt der Nr. 2 ist nicht, eine Verletzung der Meldepflicht zu ahnden, sondern wegen des Verdachts des Untertauchens die Abschiebung zu sichern. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in seinem Beschluß vom 13.7.1994 – 2 BvL 12/93 und 45/93 – ausgeführt, daß ein – mit dem deutschen Behördenaufbau in der Regel nicht vertrauter – Ausländer nicht allein deswegen in Abschiebungshaft genommen werden soll, weil er seinen Aufenthaltsortswechsel zwar der zuständigen Meldebehörde, nicht aber der Ausländerbehörde angezeigt hat. Allein die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 2 AuslG erscheint nicht ausreichend für die Anordnung der Sicherungshaft. Hinzu kommen muß der Verdacht, daß der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will.
Ein Haftgrund nach Nr. 2 (also ein „Verdacht“), liegt beispielsweise in folgenden Fällen nicht vor:
Der Ausländer meldet sich nach Ablauf der Ausreisefrist bei der Ausländerbehörde und macht glaubhaft, die Ausreiseverfügung sei ihm nicht bekannt gewesen (z.B. bei Ersatzzustellung nach § 3 Abs. 3 VwZG iVm § 181 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO oder bei Zustellung durch Niederlegung nach § 3 Abs. 3 VwZG iVm §182 ZPO); um diese Fälle von vornherein zu vermeiden, ist wie unter Ziffern 2.3.1 und 2.3.2 dargelegt zu verfahren.
Der Ausländer meldet sich nach Ablauf der Ausreisefrist bei der Ausländerbehörde und trägt nachvollziehbare Gründe für ein Unterlassen der Meldepflicht vor und kündigt gleichzeitig unter Vorlage gültiger Heimreisedokumente eine kurzfristige Ausreise an; falls Dokumente nicht vorliegen, genügt hier auch die Mitwirkung bei der Paßbeschaffung entsprechend Ziffer 3.2.3.1.
3.2.3.3 § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AuslG
Der Ausländer wurde aus von ihm zu vertretenden Gründen zu einem für die Abschiebung angekündigten Termin nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen.
Regelungsinhalt ist hier nicht, der Ausländerbehörde künftig die Arbeit zu erleichtern, indem der Ausländer durch die Infhaftnahme besser erreichbar sein wird. Vielmehr muß das Nichterscheinen Anlaß sein für eine begründete Annahme, der Ausländer werde auch künftig die zeitlichen und räumlichen Vorgaben für den Abschiebungsvollzug mißachten.
3.2.3.4 § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AuslG
Der Ausländer hat sich in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen, ist also „untergetaucht“.
3.2.3.5 § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslGWenn der begründete Verdacht besteht, der Ausländer werde sich der Abschiebung entziehen. Hier gilt grundsätzlich, daß die Verweigerung einer freiwilligen Ausreise allein noch nicht die Annahme rechtfertigt, der Ausländer wolle sich der Abschiebung entziehen. Es müssen weitere, verdachtsbegründende Tatsachen hinzukommen, die im übrigen im Abschiebungshaftantrag sämtlich aufzuführen sind. Verdachtsbegründende Tatsachen können beispielsweise vorliegen, wenn der Ausländer
Mehrfachantragsteller ist,
sich bereits früher der Abschiebung entzogen hat
oder durch gewaltbereites Verhalten eine begonnene Abschiebung vereitelt hat.
3.3 Sicherungshaft nach § 57 Abs. 2 Satz 2 AuslG.Für die Dauer von längstens einer Woche kann ein Ausländer in Sicherungshaft genommen werden, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist, der Ausländer die Nichtausreise während des Laufs der Ausreisefrist zu vertreten hat und feststeht, daß die Abschiebung – in dieser Zeit – durchgeführt werden kann.Die Sicherungshaft nach § 57 Abs. 2 Satz 2 AuslG setzt, ebenso wie bei Satz l (vgl. Ziffer 3.2), voraus, daß die Ausreisepflicht vollziehbar ist. Ein Haftgrund nach § 57 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 AuslG muß hingegen nicht vorliegen. Dafür müssen aber neben den rechtlichen auch sämtliche tatsächlichen Voraussetzungen bereits im Zeitpunkt des Haftantrages vorliegen, insbesondere gültige Heimreisedokumente und der Flugtermin.
Auch darf die gesamte Haftdauer eine Woche nicht überschreiten.
4. RechtsfolgenFür die anzuordnende Dauer der Haft ist grundsätzlich nicht das bisherige Verhalten des Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland entscheidend, sondern welchen Zeitraum die Ausländerbehörde für die Durchführung der Abschiebung benötigt (OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 11.05.1994, in: NVwZ 1994, 827).4.1 Haftdauer bis zu 3 Monaten
Die Sicherungshaft nach § 57 Abs. 2 Satz 1 AuslG soll regelmäßig zunächst nur für höchstens 3 Monate beantragt werden. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäs-sigkeit, wie er auch in § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG niedergelegt ist (vgl. auch OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 10.1.1994 in: NVwZ Beilage 3/1994, S. 24).
4.2 Verlängerung bis zu 6 Monaten
Die Haftdauer kann nach § 57 Abs. 3 Satz 1 AuslG bis zu insgesamt 6 Monaten verlängert werden.
Da hier die Haftverlängerung im Ermessen der Ausländerbehörde steht, ist unter bestimmten Voraussetzungen von einer Verlängerung abzusehen:
4.2.1 Liegen die Voraussetzung des § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG vor, ist das Ermessen auf Null reduziert und der Ausländer ist aus der Abschiebungshaft zu entlassen.
Bei längerer Dauer der Sicherungshaft prüft die Ausländerbehörde in regelmäßigen Zeitabständen, ob die Sicherungshaft noch erforderlich und gerechtfertigt ist. Steht fest, daß die Abschiebung nicht möglich sein wird, oder treten Umstände ein, die einer Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen entgegenstehen (z.B. Stellung eines Asylantrages), ist die Sicherungshaft unverzüglich, also noch vor Ablauf der richterlich festgesetzten Haftdauer, zu beenden.
4.2.2 Liegen die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG nicht vor, weil eben nicht feststeht, daß die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate unmöglich ist, der Ausländer aber evtl. Verzögerungen nicht zu vertreten hat, kommt eine Aufhebung der Abschiebungshaft in Betracht, wenn
sich eine dritte Person, die das Vertrauen des Abschiebungshäftling und der Ausländerbehörde genießt, (z.B. Seelsorger, ein im Rahmen der psychosozialen Betreuung tätiger oder ein in der Abschiebungshaftanstalt bekannter ehrenamtlicher Betreuer), um die Belange des Ausländers außerhalb der Haft kümmern will, und
eine Wohnung (auch z.B. Gemeinschaftsunterkunft) im Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde vorhanden ist, unter deren Anschrift der Ausländer für die Ausländerbehörde jederzeit erreichbar ist; bei einer Wohnung im Zuständigkeitsbereich einer anderen Ausländerbehörde gilt das unter Ziffer 3.2.3.1 gesagte, und
der Ausländer versichert, daß er sich regelmäßig bei der Ausländerbehörde zu festgesetzten Terminen melden wird.
Zuständig für die Ausländer, die aus den in dieser Ziffer genannten Fällen aus der Haft entlassen worden sind, ist die Ausländerbehörde der Zuweisungsgemeinde bzw. der Erstantragsgemeinde; bei illegal eingereisten Ausländern, die keinen Asylantrag gestellt haben, ist zuständig die aktenführende Ausländerbehörde, ansonsten die Ausländerbehörde, die den Haftantrag gestellt hat.
Für die Dauer des Aufenthalts in diesen Fällen erhält der Ausländer eine Grenzübertrittsbescheinigung.
4.3 Verlängerung bis zu 18 Monaten
Nach § 57 Abs. 3 Satz 2 AuslG ist eine weitere Verlängerung der Haftdauer um höchstens 12 Monate (bis zu einer Gesamtdauer von 18 Monaten) nur zulässig, wenn der Ausländer seine Abschiebung verhindert.
4.3.1 Seine Abschiebung verhindert derjenige, der durch sein gesamtes Verhalten zeigt, daß er bewußt die abschiebungsverzögernden Umstände schafft. Dazu gehört aktives Verhalten wie z.B. die Weigerung der Unterschriftsleistung unter die Paßersatzanträge oder die Weigerung, sich einem Vertreter der eigenen Auslandsvertretung vorzustellen in den Fällen, in denen ohne die Unterschrift oder Vorstellung die Auslandsvertretung des Heimatlandes die Paßausstellung ablehnt; weiterhin z.B. offensichtliche Falschangaben zur Identität oder wenn der Ausländer durch sein gewaltbereites Verhalten am Flughafen die Abschiebung unmöglich macht.
4.3.2 Absolute zeitliche Höchstgrenze sind 18 Monate Haftdauer, § 57 Abs. 3 AuslG. Danach ist der Ausländer aus der Abschiebungshaft zu entlassen. In diesen Fällen ist dem Ausländer regelmäßig eine Duldung gemäß § 55 Abs. 4 AuslG zu erteilen.
Vorangegangene Haftzeiten bleiben ausnahmsweise unberücksichtigt,
wenn der Ausländer, nachdem er die Bundesrepublik Deutschland verlassen hat, wieder eingereist ist (denn damit liegt ein neuer ausländerrechtlicher Sachverhalt vor), oder
wenn nach der Aufhebung einer Abschiebungsverfügung einer erneuten Abschiebungsverfügung ein anderer ausländerrechtlicher Sachverhalt zugrunde liegt.
4.3.3 Nach § 8 Abs. 1 FEVG wird die eine Freiheitsentziehung anordnende Entscheidung mit der Rechtskraft wirksam. Dieser Tag ist der erste Tag für die Fristberechnung der Dauer der Abschiebungshaft. Regelmäßig ist dies der Tag der Entscheidung, weil üblicherweise die sofortige Vollziehung angeordnet wird. In den wenigen Fällen, in denen die sofortige Vollziehung nicht angeordnet worden ist und aufgrund einer eingelegten Beschwerde die Rechtskraft erst zu einem späteren Zeitpunkt eintritt, ist der Beginn der Frist aus der Bescheinigung über die Rechtskraft zu ersehen.
4.3.4 Bei einer neben Straf-/Untersuchungshaft/ sonstiger Freiheitsentziehung angeordneten Abschiebungshaft schließt sich diese nur dann in den im Abschiebungshaftbeschluß angegebenen Umfang an, wenn dies im Hinblick auf eine im Zeitpunkt der Entscheidung bereits bestehende feststehende Straf-/Untersuchungshaft/sonstige Freiheitsentziehung so angeordnet worden ist. Nur dann ist hinreichend bestimmbar, wann die Abschiebungshaft im Anschluß an die Straf-/Untersuchungshaft/sonstiger Freiheitsentziehung beginnt und endet. Falls eine solche Anordnung nicht erfolgt ist, hemmt der Vollzug von Straf-/Untersuchungshaft/sonstiger Freiheitsentziehung nicht den Fristablauf von daneben angeordneter Abschiebungshaft. (BGH, Beschl. v. 9.3.1995 in: NJW 1995, 1898).
Die Ausländerbehörde muß bereits während der Straf-/Untersuchungshaft/sonstigen Freiheitsentziehung alle Maßnahmen für die Vorbereitung der Abschiebung frühzeitig veranlassen, und zwar insbesondere für die Beschaffung der Heimreisedokumente.
5. Organisatorische Maßnahmen zur Vorbereitungs- und Sicherungshaft
5.1 Prüfungs- und Meldepflichten
5.1.1 Die Ausländerbehörde prüft zunächst eigenverantwortlich in jedem ausländerrechtlichen Verfahren, in dem ein Abschiebungshaftantrag oder ein Haftverlängerungsantrag gestellt werden soll, ob die Abschiebung auch durch andere, mildere Maßnahmen als der Abschiebungshaft gesichert werden kann. Die Bezirksregierungen können anlaßbezogen oder im Wege einer Stichprobe prüfen ob die Ausländerbehörden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten genutzt haben.
5.1.2 Jeder Antrag an das Amtsgericht, mit dem die Abschiebungshaft über 3 Monate hinaus beantragt oder verlängert werden soll, ist in Durchschrift an die Bezirksregierung weiterzuleiten. Das gleiche gilt für jeden weiteren Verlängerungsantrag. Die Bezirksregierungen überprüfen insbesondere die Zweckmäßigkeit des Antrages. Ungeachtet der auch für die Zentralen Ausländerbehörden geltenden, besonderen Prüfungspflicht bei Fällen, in denen der Ausländer sich bereits seit 3 Monaten in Abschiebungshaft befindet, entfällt deren Meldepflicht, wenn sie den Antrag in eigener Zuständigkeit gestellt haben oder im Wege der Amtshilfe in dem Einzelfall zuständig sind.
5.1.3 Die Bezirksregierungen und die Zentralen Ausländerbehörden berichten dem Innenministerium in jedem Einzelfall, in dem eine Verlängerung der Abschiebungshaft über 6 Monate hinaus beantragt wird. In diesem Bericht ist insbesondere darzulegen:
warum die Abschiebung bislang nicht durchgeführt werden konnte
welche Haftgründe vorliegen und warum die Abschiebung nur durch die Abschiebungshaft gesichert werden kann, und
warum ein Absehen von der Abschiebungshaft nach Ziffer 4.2.2 dieser Richtlinie nicht möglich ist.
5.2 Ankündigung des Abschiebungstermins
Der Abschiebungstermin soll dem Abschiebungshäftling regelmäßig mindestens eine Woche vor dem Abschiebungstermin angekündigt werden, § 50 Abs. 5 Satz 2 AuslG. Auf diese Wochenfrist kann in Ausnahmefallen verzichtet werden, wenn durch eine zeitnahe Abschiebung die Haftzeit verkürzt werden kann. Weitere Ausnahmen können sich aus den Umständen des Einzelfalls ergeben insbesondere bei Suizidgefahr. Die Gründe für die Ausnahmen sind aktenkundig zu machen.
5.3 BetreuungDie Zentralen Ausländerbehörden betreuen jeden Abschiebungshaftgefangenen in den ihnen zugewiesenen Abschiebungshaftanstalten auch dann, wenn sie in dem Einzelfall nicht originär oder in Amtshilfe zuständig sind. Die Betreuung umfaßt die Beratung in ausländerrechtlichen Fragen sowie in Familien- und Vermögensangelegenheiten. Soweit der von der Zentralen Ausländerbehörde benannte Vertreter die von dem Abschiebungshäftling angesprochenen Fragen nicht kurzfristig selbst beantworten kann, werden Kontakte zu den zuständigen örtlichen Ausländerbehörden vermittelt.
Die Ausländerbehörde darf Informationen über den Abschiebungshäftling an private Organisationen oder Einzelpersonen aus datenschutz- und verfahrensrechtlichen Gründen nur mit dessen Zustimmung weitergeben. Auf entsprechend legitimierte Anfragen von privaten Flüchtlingsorganisationen oder Einzelpersonen können die Ausländerbehörden dann Angaben machen beispielsweise zum Verfahrensstand oder, in welcher Abschiebungshaftanstalt sich der Ausländer befindet. Auf Wunsch des Abschiebungshäftlings ist auch eine Beteiligung der Organisationen/ Personen bei den Gesprächen während der Sprechstunden der Zentralen Ausländerbehörden in den Abschiebungshaftanstalten möglich.
Bericht über die Lage in Abschiebehaftanstalten/p>
I
Für den Vollzug von Abschiebungshaft in Amtshilfe für die zuständigen Behörden der Innenverwaltung hat das Justizministerium acht Vollzugseinrichtungen (Büren, Coesfeld, Gütersloh, Herne, Leverkusen, Moers, Neuss, Wuppertal-Barmen) mit insgesamt 1.025 Plätzen zur Verfügung gestellt. Weitere 200 Abschiebungshaftplätze werden etwa im Juni 1994 bei voller Belegbarkeit der am 17.1.1994 in Betrieb genommenen JVA Büren hinzukommen, die dann im Endausbau über rd. 600 Plätze verfügen wird.
In den genannten Abschiebungshafteinrichtungen werden insgesamt 255 Bedienstete des allgemeinen Vollzugsdienstes eingesetzt. Dies ist nur möglich, weil im Haushalt 1993 200 Stellen (davon 150 im Nachtragshaushalt) und im Jahr 1994 sogar sämtliche Stellen des Justizvollzuges von der gesetzlichen Wiederbesetzungssperre des § 7 a Haushaltsgesetz ausgenommen und für die Frauenabteilung in dem Hafthaus Gütersloh zusätzlich 24 Beschäftigungsmöglichkeiten für weibliche Vollzugsangestellte geschaffen worden sind. Hiervon sind zwischenzeitlich 12 Stellen in dem Vollzugsamtsbezirk Rheinland (für die Zweiganstalt Neuss Frauenabschiebungshaft) übertragen worden. Zudem sind in der JVA Büren neben den dort tätigen 53 Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes derzeit 44 Mitarbeiter eines privaten Bewachungsunternehmens eingesetzt, deren Zahl sich bei voller Inbetriebnahme der Einrichtung etwa Mitte dieses Jahres auf 55 erhöhen wird.
Die Zahl der Abschiebungsgefangenen hat
am 31.12.1993 872,
am 31.01.1994 926,
am 28. 2.1994 1.020 (davon 99 Frauen) betragen.
Damit sind die derzeitigen Kapazitäten (1.025 Plätze) bereits wieder nahezu erschöpft.
Wie die Praxis zeigt, sind (durch Abgänge) frei gewordene Kapazitäten in der Vergangenheit umgehend durch neue Inhaftierungen aufgefüllt worden. Dies läßt darauf schließen, daß auf der Innenseite ständig ein erhebliches Reservoir an potentiellen Abschiebungsgefangenen vorhanden ist. Entsprechende Hinweise von Ausländerbehörden sind den Präsidenten der Justizvollzugsämter zugegangen. Die Zahl der „potentiellen Abschiebungsgefangenen“ ist aber kaum feststellbar. Sie hängt auch von Variablen wie Personalausstattung und Fahndungsintensität auf der Seite der Ausländerbehörden ab. Nach unseren Kenntnissen dürfte es sich um eine Größenordnung von mehreren hundert Personen handeln.
Nach einer Schätzung des Innenministeriums sind nur etwa ein Drittel der Abschiebungsgefangenen Asylbewerber mit offensichtlich unbegründeten Anträgen. Im übrigen handelt es sich überwiegend um illegal zugewanderte Ausländer, deren Anteil stetig zunimmt.
Abgesehen von einer Verstärkung der Grenzkontrollen ist keine Möglichkeit ersichtlich, die Zahl der in Abschiebungshaft zu nehmenden Ausländer zu verringern. Die Haftgründe, bei deren Vorliegen Abschiebungshaft zwingend angeordnet werden muß, sind bundesrechtlich, nämlich durch § 57 Ausländergesetz, vorgegeben. Nachdem die Haftgründe gerade erst durch die Asylrechtsnovelle 1993 erweitert worden sind, kommt eine Einschränkung der Haftgründe nicht ernstlich in Betracht. Im übrigen verkennt natürlich auch der Justizvollzug nicht, daß es als ein dringendes gesamtgesellschaftliches und auch volkswirtschaftlich begründetes Anliegen (Verhinderung von Schwarzarbeit, begleitet von Hinterziehung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen pp./Einsparung erheblicher Soziallasten) angesehen werden muß, eine bestehende Ausreisepflicht erforderlichenfalls im Wege von Abschiebungshaft durchzusetzen.
In Kenntnis der vorstehenden Tatsachen hat der Vollzug deshalb jede ihm personell und nach der Sachausstattung mögliche Anstrengung unternommen. Es muß aber nun davon ausgegangen werden, daß auch die mit Verfügbarkeit von Büren auf rd. 1.200 Haftplätze erhöhte Abschiebungshaftkapazität – sollte die Dauer der Abschiebungshaft nicht wesentlich verkürzt werden können – wofür keine Anzeichen ersichtlich sind – alsbald nicht mehr ausreichen wird. Das Innenministerium rechnet noch für dieses Jahr mit einem Bedarf von bis zu 2.500 Haftplätzen für Abschiebungsgefangene.
Möglichkeiten, zusätzliche Abschiebungshaftkapazitäten aus vorhandenen Ressourcen zu schaffen, sind vor dem Hintergrund der im übrigen Bereich des geschlossenen Vollzuges zu verzeichnenden Belegungssituation nicht einmal ansatzweise zu erkennen:
Am 31.1.1994 standen in den Justizvollzugsanstalten des Landes 16.901 Haftplätze zur Verfügung. Diese waren am vorgenannten Stichtag mit 17.826 Gefangenen belegt.
Unter Berücksichtigung der ständig insbesondere wegen Baumaßnahmen nicht belegbaren Haftplätze bedeutet dies eine Auslastung des geschlossenen Männervollzuges im Land von insgesamt 113,7 %.
Diese dramatische Belegungssituation ist in erster Linie auf den massiven Anstieg der Untersuchungsgefangenen zurückzuführen, ihre Zahl hat sich innerhalb der letzten zwei Jahre um rd. 1.400 erhöht, wobei sich diese Entwicklung bereits in den Bereich der Strafhaft (+ 900) fortgesetzt hat.
Eine Entspannung der Belegungssituation ist nicht nur nicht zu erwarten; vielmehr muß – auch unter Berücksichtigung der nachfolgenden Gesichtspunkte – weiterhin mit einem Belegungsanstieg gerechnet werden.
Es läßt sich schon jetzt absehen, daß ein zusätzlicher Haftplatzbedarf auftreten wird
im Bereich der Verfahren wegen Organisierter Kriminalität und
durch das von den Bonner Koalitionsfraktionen beabsichtigte „Verbrechensbekämpfungsgesetz 1994“, d. h. durch die darin vorgesehene Hauptverhandlungshaft: Es soll die Möglichkeit eröffnet werden, auf frischer Tat gefaßte Täter zu einer binnen weniger Tage stattfindenden Hauptverhandlung in Gewahrsam zu behalten.
Dies unterstreicht die obige Feststellung, daß aus den vorhandenen Kapazitäten für Untersuchungs- und Strafgefangene zusätzlicher Haftraum für Abschiebungsgefangene nicht zur Verfügung gestellt werden kann, abgesehen davon, daß angesichts der im Bereich der Untersuchungs- und Strafhaft bestehenden Überbelegung weitere Amtshilfe für Abschiebungsfälle mit dem vorrangigen gesetzlichen Auftrag der Justiz nicht zu vereinbaren wäre.
Am 31.1.1994 – entsprechende Daten werden alle drei Monate erhoben – befanden sich 926 Abschiebungsgefangene aus 60 Staaten in den Justizvollzugsanstalten Nordrhein-Westfalens. Am stärksten vertreten waren:
Nationalität
Zahl der Gefangenen
Anteil in %
Durchschnitts-haftdauer
Algerier
158
17,1%
74 Tage
Polen
91
9,8%
20 Tage
Rumänen
87
9,4%
20 Tage
Inder
75
8,1%
59 Tage
Jugoslawen
68
7,3%
47 Tage
Türken
56
6,0%
36 Tage
Die durchschnittliche Haftdauer aller Abschiebungsgefangenen am 31.1.1994 betrug 47,4 Tage, während sie am 31.7.1993 „nur“ 36,8 Tage betragen hatte.
Um insoweit genauere Zahlen als bei der Stichtagserhebung bei der die kurzen Haftzeiten unterrepräsentiert sind – zu erhalten, werden in den reinen Abschiebungshafteinrichtungen die Haftdauern der Abgeschobenen (oder Entlassenen) fortlaufend und vollständig erfaßt. Danach hat sich die Dauer der Abschiebungshaft wie folgt entwickelt:
Juli 1993 21 Tage
Oktober 1993 28 Tage
Dezember 1993 32 Tage
Januar 1994 36 Tage.
Die zunehmende Dauer der Abschiebungshaft wird von den Innenbehörden u.a. mit erheblichen Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Paßersatzpapieren, ohne die eine Abschiebung nicht möglich ist, begründet. Dies gelte nicht zuletzt für die nordafrikanischen Staaten.
II
Sämtliche Hafträume in allen Abschiebungshafteinrichtungen des Landes sind bzw. werden mit einem Heißwasserbereiter (als Alternative zu Tauchsiedern) und mit einem Fernsehgerät ausgestattet.
Insoweit sind für die Ausstattung der JVA Büren mit einer Satelliten-Empfangsanlage – ohne Fernsehgeräte – folgende Kosten angefallen:
Satellitenempfangsanlage (Schüssel) 15.400,– DM
Kabel zu den drei Hafthäusern 3.600,– DM
Verkabelung in den drei Hafthäusern,
Verstärker vor Ort und Dosen 72.000,– DM
Summe 91.000,– DM
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, daß 72.000,– DM auch dann angefallen wären, wenn von einem TV-Anschluß auf den Zellen Abstand genommen und lediglich eine (notwendige) Durchsage- und Rundfunkanlage installiert worden wäre. Hinsichtlich der Installierung einer Satellitenempfangsanlage ist darauf hinzuweisen, daß hierdurch der Empfang auch von Programmen in einem Großteil der Abschiebungsgefangenen vertrauten Fremdsprachen ermöglicht wird.
Für die Beschaffung der Heißwasserbereiter für alle Abschiebungshafteinrichtungen wurden Mittel von insgesamt 15.700,– DM, für die Beschaffung von Fernsehgeräten – wiederum für sämtliche einschlägigen Anstalten – 128.000,– DM aufgewendet. Kosten insgesamt: rd. 235.000 DM.
2.11 Rheinland-Pfalz
Zuständigkeit: Innenministerium
Rechtsgrundlage: § 4 Landesaufnahmegesetz
Unterbringung: Abschiebungshaftanstalt Birkhausen,
vereinzelt in JVAs, insbesondere Worms
Frauen und Minderjährige in den JVA
Kapazität: Birkhausen: 71 Plätze
Haftdauer: keine Angaben
(nach Angaben des Diakonischen Werkes vier bis sechs Monate)
Das rheinland-pfälzische Landesaufnahmegesetz bestimmt in § 4, daß bei der Durchführung des Vollzugs der Abschiebungshaft auf die §§ 3-108, 173-175 StrafVollzG zurückgegriffen werden soll, „sofern es der Eigenart der Abschiebungshaft nicht entgegensteht“. Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, durch interne Dienstanweisungen die Abschiebungshaft im Vergleich zum Strafvollzug flexibler zu gestalten. Der Vorteil einer solchen Regelung ist die Schnelligkeit, mit der auf besondere Situationen reagiert werden kann, ohne daß der lange Prozeß der Gesetzgebung angekurbelt werden muß. Jedoch liegt hierin auch gerade der große Nachteil dieses Systems. Die Dienstanweisungen sind geprägt von den Interessen der Behörde, die nicht im Rahmen des Gesetzesverfahrens in der Öffentlichkeit diskutiert wurden. Auch sind die besonderen Rechte der Abschiebungshäftlinge nicht gesetzlich festgelegt worden und können so leichter wieder eingeschränkt werden.
Die Zahl der Abschiebungshäftlinge in Rheinland-Pfalz geht zurück.
Seit 01.12.96 ist die neue Abschiebungshaftanstalt in Zweibrücken – Birkhausen – mit einer Kapazität von 71 Zellen in Betrieb. Sie ist noch nicht ganz fertiggestellt. Derzeit sind 60 Plätze belegt.
Es gibt dort Männer- und Frauentrakte, eine gemeinsame Belegung, etwa durch Familien, ist nicht vorgesehen. Im Frauentrakt ist ein grosses Zimmer vorhanden, das für den Fall bereitgehalten wird, daß eine Frau mit einem Kleinkind dort untergebracht werden muß.
Die Abschiebungshäftlinge sind in Wohneinheiten von jeweils 12 Zellen untergebracht. Es handelt sich hierbei um kleine Einzelzellen, die um einen Gemeinschaftsraum gruppiert sind. Zu jeder Einheit gehören Duschen und Toiletten. Innerhalb der Wohneinheit können sich die Abschiebungshäftlinge frei bewegen, können sich aber auch in ihre Einzelzellen zurückziehen.
Es besteht täglich die Möglichkeit des Hofganges, wobei die Häftlinge sich in begrenztem Rahmen sportlich betätigen können (Basketball, Fußball etc.).
Besuch ist prinzipiell jederzeit möglich, jedoch durch die Kapazität des Besucherraumes und die Bewachungsmöglichkeiten begrenzt. Strikte Regelungen gibt es nicht, selbst in den Abendstunden wird gelegentlich aus triftigen Gründen ein Besuch ermöglicht. Eine strikte Regelung ist also nicht vorhanden.
Hat ein Häftling schon mehrere Male Besuch empfangen, wird sein Wunsch nach Besuch natürlich hinter den Wunsch eines Häftlings gestellt, der zum ersten Mal Besuch empfangen soll. Zur Betreuung steht ein Sozialarbeiter zur Verfügung. Daneben kooperiert das Land mit einem Wohlfahrtsverband (ASB), der in eigener Regie und Verantwortlichkeit sich um die Häftlinge kümmert. Mit dieser Mischung ist man sehr zufrieden, da der Wohlfahrtsverband großes Engagement zeigt.
Die Abschiebungshäftlinge erhalten 80,00 DM Taschengeld pro Monat, davon jedoch nur 50,00 DM in bar ausgezahlt. 30,00 DM müssen für Telefon, Zeitschriften und ähnliche Bedürfnisse aufgewendet werden.
Die Kapazität von Birkhausen ist nicht ausreichend. Nach internen Schätzungen beträgt der Bedarf 125 Plätze.
Bisher war die Unterbringung in Amtshilfe in Justizvollzugsanstalten erfolgt. Die letzte Koalitionsvereinbarung enthielt allerdings die Regelung, daß die Justiz keine Plätze für Abschiebungshäftlinge mehr zur Verfügung stelle, so daß eine Neuunterbringung im Regelfalle nicht mehr möglich ist. In den Justizvollzugsanstalten befinden sich daher gegenwärtig nur solche Abschiebungshäftlinge, die auch in Straf- oder U-Haft sind (sogenannte Überhäftlinge) oder solche, die man aus Sicherheitsgründen (z.B. wegen Gewalttätigkeit) nicht in Zweibrücken-Birkhausen unterbringen will. Nach Angaben des Innenministeriums orientiert sich die Praxis der Haftanträge auch nach vorhandenen Kapazitäten: Bevor ein Haftantrag gestellt wird, wird nachgefragt, ob Kapazität frei ist. Ist dies nicht der Fall, unterbleibt der Haftantrag; eine eventuell erforderliche Abschiebung wird gegebenenfalls ohne vorherige Haft durchgeführt.
Die bisherigen, internen Dienstanweisungen gelten vorerst weiter, sie sollen Ende 1997 nach Auswertung der in Birkhausen gemachten Erfahrungen den neuen Bedürfnissen angepaßt werden.
Landesaufnahmegesetz vom 21. Dezember 1993
ausgegeben zu Mainz, den 30. Dezember 1993 Nr. 33
Der Landtag Rheinland-Pfalz hat das folgende Gesetz beschlossen:
§ 1 Aufnahmepflicht
(1) Die Landkreise, die kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte, die verbandsfreien Gemeinden, die Verbandsgemeinden und die Ortsgemeinden sind verpflichtet,
1. Personen, die einen Asylantrag gestellt haben, über den noch nicht unanfechtbar entschieden worden ist und die ihren Asylantrag nicht zurückgenommen haben (Asylbegehrende),
2. Personen, deren Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder die ihren Asylantrag zurückgenommen haben,
3. Asylberechtigte,
4. Ehegatten und minderjährige ledige Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen,
5. Personen, die vom Land nach dem Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge vom 22. Juli 1980 (BGBl I S. 1057) oder nach § 32 des Ausländergesetzes (AuslG) vom 9. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354) in ihrer jeweiligen geltenden Fassung aufgenommen worden sind, und
6. Kriegs- und Bürgerflüchtlinge nach § 32 a AuslG
aufzunehmen und unterzubringen; sie erfüllen diese Aufgaben als Pflichtaufgaben der Selbstverwaltung.
(2) Die Kreisverwaltung kann die dem Landkreis zugewiesenen Personen den großen kreisangehörigen Städten, den verbandsfreien Gemeinden und den Verbandsgemeinden zuweisen; die Verbandsgemeindeverwaltung kann die der Verbandsgemeinde zugewiesenen Personen den Ortsgemeinden zuweisen.
§ 2 Zuständigkeiten und Kostenträger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
(1) Zuständige Behörden für die Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) vom 30. Juni 1993 (BGBl. I S. 1074) in der jeweils geltenden Fassung einschließlich der Verfolgung und Ahnung von Ordnungswidrigkeiten nach § 8 Abs. 3 AsylbLG sind
1. die Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes in der Fassung vom 27. Juli 1993 (BGBl. I S. 1361) in der jeweils geltenden Fassung für die dort untergebrachten Leistungsberechtigten,
2. die Einrichtungen, in denen Abschiebungshaft nach § 57 AuslG vollzogen wird, für die dort untergebrachten Leistungsberechtigten,
3. im übrigen die Kreisverwaltungen und in kreisfreien Städten die Stadtverwaltungen; die Landkreise und die kreisfreien Städte erfüllen diese Aufgaben als Pflichtaufgaben der Selbstverwaltung.
(2) Die Landkreise können bestimmen, daß große kreisangehörige Städte, verbandsfreie Gemeinden und Verbandsgemeinden Aufgaben, die den Landkreisen nach Absatz 1 Nr. 3 obliegt, ganz oder teilweise durchführen und dabei in eigenem Namen entscheiden. Die großen kreisangehörigen Städte, verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden sind vorher zu hören. In diesen Fällen erlassen die Landkreise den Widerspruchsbescheid nach der Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686) in der jeweils geltenden Fassung. Für die Durchführung dieser Aufgaben können die Landkreise Richtlinien erlassen und Weisungen erteilen. Die Weisungen sollen sich in der Regel auf allgemeine Anordnungen beschränken.
(3) Die Landkreise können große kreisangehörige Städte, verbandsfreie Gemeinden und Verbandsgemeinden auf deren Antrag beauftragen, Aufgaben, die den Landkreisen nach Absatz 1 Nr. 3 obliegen, durchzuführen und dabei im Namen des Landkreises zu entscheiden. In diesen Fällen erlassen die Landkreise den Widerspruchsbescheid nach der Verwaltungsgerichtsordnung.
(4) Die Kosten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz trägt in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 das Land; im übrigen sind die Landkreise und die kreisfreien Städte Kostenträger.
§ 3 Erstattung von Aufwendungen
(1) Das Land leistet den kommunalen Gebietskörperschaften einen pauschalen Betrag für
1. Asylbegehrende und deren Ehegatten und minderjährige ledige Kinder,
2. Personen nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, längstens jeweils bis zur Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 5 AuslG,
3. Personen nach § 1 Abs. 1 Nr. 5, längstens für die Dauer von zwei Jahren nach Beginn der Aufnahme durch eine kommunale Gebietskörperschaft, und
4. Personen nach § 1 Abs. 1 Nr. 6, längstens bis zur Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 5 Nr. 1 bis 3 AuslG,
wenn und solange ihnen Aufwendungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, dem Bundessozialhilfegesetz in der Fassung vom 10. Januar 1991 (BGBl. I S. 94, 808), dem Achten Buch Sozialgesetzbuch in der Fassung vom 3. Mai 1993 (BGBl. I S. 637) oder dem Landespflegegeldgesetz vom 31. Oktober 1974 (GVBl. S. 466, BS 217-20) in ihrer jeweils geltenden Fassung entstehen.
(2) Der Erstattungsbeitrag beträgt monatlich 717,- DM pro Person. Er wird für den ersten Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für die Erstattung vorliegen, in voller Höhe geleistet; für den Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für die Erstattung wegfallen, erfolgt keine Erstattung. Die Erstattung erfolgt zum 1. Februar, 1. Mai, 1. August und 1. November auf Grund der Meldungen der Landkreise und kreisfreien Städte für das vorangegangene Kalendervierteljahr; die Erstattung erfolgt erstmals zum 1. Februar 1994 für die Monate November und Dezember 1993. Der Erstattungsbetrag ändert sich prozentual entsprechend den gemäß § 3 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG erfolgenden Neufestsetzungen des Betrags für den Haushaltsvorstand; ein nicht auf volle Deutsche Mark errechneter Erstattungsbetrag ist bis zu 0,49 DM abzurunden und von 0,50 DM an aufzurunden. Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit gibt Änderungen des Erstattungsbetrages im Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz bekannt.
(3) Die Landesregierung kann durch Rechtsverordnung Ausnahmen von der pauschalen Erstattung nach den Absätzen 1 und 2 bis zum 31. Dezember 1994 zulassen, wenn auf Grund von Verpflichtungen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eingegangen wurden, tatsächlich wesentlich höhere Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1 nachgewiesen werden.
§ 4 Vollzug von Abschiebungshaft
außerhalb von Justizvollzugsanstalten
Die Abschiebungshaft nach § 37 AuslG wird in Abschiebungshafteinrichtungen vollzogen, soweit sie nicht im Wege der Amtshilfe in Justizvollzugsanstalten vollzogen wird. Für den Vollzug von Abschiebungshaft in Abschiebungshafteinrichtungen gelten die §§ 3 bis 108 und 173 bis 175 des Strafvollzugsgesetzes vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088; 1977 I S. 436) in der jeweils geltenden Fassung entsprechend, soweit nicht in anderen Rechtsvorschriften, insbesondere im Asylbewerberleistungsgesetz oder im Bundessozialhilfegesetz, etwas anderes bestimmt ist oder Eigenart und Zweck der Abschiebungshaft oder die besonderen Verhältnisse der Abschiebungshafteinrichtung entgegenstehen. Den in Abschiebungshafteinrichtungen untergebrachten Personen dürfen nur die zum Zwecke des Vollzugs der Abschiebungshaft und zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung der Einrichtung erforderlichen Beschränkungen auferlegt werden; eine gemeinsame Unterbringung ist zulässig.
§ 5 Durchführungsbestimmungen
(1) Der Minister für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit oder die von ihm durch Rechtsverordnung bestimmte Stelle regelt die Verteilung der Personen auf die Landkreise und die kreisfreien Städte, wobei deren Einwohnerzahl zu berücksichtigen ist.
(2) Der Minister für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit kann durch Rechtsverordnung die Rechte und Pflichten der in Aufnahmeeinrichtungen und sonstigen Unterkünften des Landes für ausländische Flüchtlinge untergebrachten Personen regeln; insbesondere können Bestimmungen getroffen werden über
1. die Gewährung sowie Art und Maß von Leistungen an die aufgenommenen Personen,
2. die Benutzung der Einrichtungen und die zur Aufrechterhaltung der Ordnung erforderlichen Maßnahmen und
3. die Mitwirkung bei der Pflege und Unterhaltung der Einrichtungen sowie die Folgen einer Verletzung dieser Pflichten.
(3) Die zur Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes, dieses Gesetzes und der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen erforderlichen Verwaltungsvorschriften erläßt das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit.
§ 6 Inkrafttreten
(1) Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. November 1993 in Kraft.
(2) Gleichzeitig tritt das Landesaufnahmegesetz vom 14. Juli 1993 (GVBl. S. 391, BS 26-2) außer Kraft.
Mainz, den 21. Dezember 1993
Der Ministerpräsident
Rudolf Scharping
2.12 Saarland
Zuständigkeit: Innenministerium; in Amtshilfe: Justizvollzugsanstalten
Rechtsgrundlage: Freiheitsentziehungsgesetz, Strafvollzugsgesetz
Unterbringung: JVA Saarbrücken, Jugendhaftanstalt Ottweiler
Kapazität: keine Fixzahl
Haftdauer: Schätzwert (Justizministerium): durchschnittl. 4 – 6 Wochen
Im Saarland waren am 13.09.96 31 Abschiebungshäftlinge in Sicherungshaft, davon 25 Personen in der JVA Saarbrücken und 6 Personen in der JVA Ottweiler. Wegen der geringen Zahl werden die Abschiebungshäftlinge völlig in den normalen Vollzug integriert. Männliche Jugendliche werden in Einzelzellen untergebracht, Frauen können wählen. Auch für etwa 25 % der Männer besteht die Möglichkeit, in einer Einzelzelle unterzukommen. Die Regelungen zu Besuch, Hofgang, Freizeitbeschäftigung und Taschengeld entsprechen denen des Strafvollzugs. Arbeitsplätze können den Abschiebungshäftlingen nur selten zur Verfügung gestellt werden. Eine besondere Betreuung, auch von Seiten der Ausländerbehörde, kommt den Abschiebungshäftlingen nicht zu.
2.13 Sachsen
Zuständigkeit: Innenministerium; in Amtshilfe: Justizvollzugsanstalten
Rechtsgrundlage: Freiheitsentziehungsgesetz, Strafvollzugsgesetz
Unterbringung: JVAs Bautzen, Chemnitz, Dresden, Görlitz, Leipzig, Stollberg
Kapazität: 55 Plätze werden für Abschiebungshäftlinge vorgehalten
am 30.04.96 befanden sich 63 Personen in Abschiebungshaft
Haftdauer: 29,69 Tage (1994)
35,14 Tage (1995)
26,88 Tage (Jan. bis April 1996)
Die Belegungssituation in den sächsischen Justizvollzugsanstalten wird durch massive Überbelegung bestimmt: Für rund 3.500 Gefangene standen 1995 nur rund 3.200 Haftplätze zu Verfügung. Es werden 55 Abschiebungshaftplätze speziell vorgehalten und zwar in:
Bautzen 5 Haftplätze Görlitz 10 Haftplätze
Chemnitz 10 Haftplätze Leipzig 13 Haftplätze
Dresden 10 Haftplätze Stollberg 7 Haftplätze
Tatsächlich waren am 30.04.96 63 Personen in sächsischen JVAs in Abschiebungshaft. Darunter waren 10 Frauen (JVA Stollberg) und zwei männliche Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren (JVA Dresden). Minderjährige unter 14 Jahren werden zum Vollzug der Abschiebungshaft nicht in JVAs aufgenommen. Familien werden, wie allgemein üblich, nach Geschlechtern getrennt inhaftiert.
Die Haftbedingungen der Abschiebungshäftlinge entsprechen grundsätzlich den Bedingungen der Straf- und Untersuchungsgefangenen.
Die Häftlinge werden in Zellen von 5,9 – 42 m² zu 1 – 8 Personen untergebracht, Zellenaufschluß gibt es nur in einigen JVAs. Der Haftalltag richtet sich nach den Regelungen der jeweiligen Anstalt. Freizeit- und Besuchsmöglichkeit entsprechen dem Strafvollzug und beschränken sich auf wenige Male im Monat. Arbeit und Beschäftigung findet im Regelfalle nicht statt. Vollzugslockerungen sind, wie überall, ausgeschlossen. Die Freizeitgestaltung entspricht der der Strafhäftlinge.
Bedürftige Häftlinge erhalten Taschengeld nach § 3 I 4 AsylbLG in Höhe von 80,00 DM pro Monat.
Soziale Betreuung erfolgt durch den Sozialdienst in den Häusern. Sind Fragen zur Abschiebung zu klären, kommt die Ausländerbehörde vor Ort. Eigene Rechtsberatung wird aber nicht angeboten. Rechtsschutz wird dadurch gewährt, daß Abschiebungshäftlinge „auf Anfrage … Gelegenheit zur Einsicht in das in der Anstalt vorhandene Rechtsanwaltsverzeichnis“ erhalten, um so Anwälte anschreiben zu können. Die Portokosten hierfür (nicht aber die Anwaltsgebühren!) übernimmt bei bedürftigen Gefangenen die Justizvollzugsanstalt.
1995 und im ersten Quartal 1996 wurden aus Sachsen 1.247 Abschiebungshäftlinge abgeschoben und 71 Personen zurückgeschoben, darunter lediglich 143 bzw. 23 (bei Zurückschiebungen) auf dem Landweg. Im gleichen Zeitraum wurden 290 Personen aus der Abschiebungshaft entlassen. Seit 1991 kam es zu zwei Selbsttötungen von Abschiebungshäftlingen in sächsischen Justizvollzugsansalten.
2.14 Sachsen-Anhalt
Zuständigkeit: Innenministerium; in Amtshilfe: Justizvollzugsanstalten
Rechtsgrundlage: Freiheitsentziehungsgesetz, Strafvollzugsgesetz
Unterbringung: JVAs Volkstedt, Dessau, Halle (junge Abschiebungshäftlinge)
Kapazität: je nach Bedarf, durchschnittlich 50 Personen
Haftdauer: 2 bis 3 Monate
Der Vollzug der Abschiebungshaft erfolgt in Untersuchungshaftanstalten. Der Haftalltag richtet sich nach den Regelungen der jeweiligen Anstalt. Freizeit- und Besuchsmöglichkeiten entsprechen im wesentlichen dem normalen Strafvollzug. Die Häftlinge erhalten Taschengeld entsprechend den Strafgefangenen. Minderjährige unter 14 Jahren werden nicht inhaftiert. Für die Betreuung aller Abschiebungshäftlinge (durchschnittlich circa 50) steht ein Sozialpädagoge zur Verfügung, der vor allem in Volkstedt tätig wird.
Nach einer Abschiebungshaft von sechs Monaten ist der Vorgang dem Innenministerium vorzulegen, das im Einzelfall überprüft, ob eine Haftfortdauer erforderlich und gerechtfertigt ist. Die Abschiebung wird durch eine zentrale Abschiebungsstelle (angesiedelt in Halberstadt) durchgeführt.
2.15 Schleswig-Holstein
Zuständigkeit: Innenministerium; in Amtshilfe: JVA
Rechtsgrundlage: Freiheitsentziehungsgesetz, Strafvollzugsgesetz
Unterbringung: JVAs, vor allem: Kiel, Lübeck, Neumünster
Kapazität: 174
Haftdauer: 63 Tage
Die Abschiebungshaft wird in Schleswig-Holstein in den JVA’s in Amtshilfe durchgeführt. Die Abschiebungshaftgefangenen sollen von den Strafgefangenen getrennt untergebracht werden. Dies geschieht vor allem in den JVA’s Kiel, Lübeck und Neumünster, wo eigene Abteilungen eingerichtet sind. Sowohl bei einer immer wieder vorkommenden Überbelegung, als auch in der Frauenabteilung in der JVA Lübeck und in der Jugendanstalt Neumünster erfolgt die Unterbringung aus organisatorischen Gründen zusammen mit Untersuchungsgefangenen und auch Strafgefangenen. Die Abschiebungshäftlinge erhalten ein Taschengeld entsprechend den Strafgefangenen. Die Betreuung der Abschiebungshäftlinge erfolgt durch ehrenamtliche „Betreuungsgruppen“, die auf Antrag den Status eines freiwilligen Helfers erhalten. Ansonsten findet die Betreuung durch die Gefängnisseelsorger statt. Der Außenkontakt kann über die Betreuungsgruppen relativ liberal gestaltet werden, ansonsten entsprechen die Bedingungen denen der Strafgefangenen.
Erlaß des Innenministeriums Schleswig-Holstein
vom 1.6.1995
Ausländerrecht;
hier: Vollzug der Abschiebungshaft;
Familien, schwangere Frauen, Kinder und Jugendliche
Zeichen: IV 630 a – 212-29.111.1-57, 30.12.1992, 12.10.1993
Um Probleme bei der Durchführung von Abschiebungshaft zu vermeiden, bitte ich um Beachtung folgender Hinweise:
1. Bei hochschwangeren Frauen ist von einem Antrag auf Abschiebungshaft abzusehen, weil die Geburt nicht innerhalb einer Justizvollzugsanstalt erfolgen kann.
2. Mütter mit Kleinkindern sollen grundsätzlich nicht in Abschiebungshaft genommen werden.
3. Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sollen grundsätzlich nicht in Abschiebungshaft genommen werden.
4. Bei Familien mit Kindern soll grundsätzlich vermieden werden, beide Elternteile gleichzeitig in Abschiebungshaft zu nehmen.
5. Falls wegen einer besonderen Sachlage in einem der unter den Nr. 2 – 4 genannten Fälle Abschiebungshaft für den genannten Personenkreis (Nr. 2 bis Nr. 4) unumgänglich ist, ist die Abschiebung so vorzubereiten, daß die Abschiebungshaft in der Regel nicht mehr als drei Tage beträgt.
6. Ist der Vollzug der Abschiebungshaft mit einer Trennung von Mutter und Kind(ern) verbunden, ist durch rechtzeitige Abstimmung mit dem Jugendamt sicherzustellen, wie dem Kindeswohl Rechnung getragen werden kann; die Justizvollzugsanstalt ist über diesen Sachverhalt zu unterrichten.
7. Bei Jugendlichen, die das 16. aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, soll ein Haftantrag nur dann gestellt werden, wenn die Haft für die Sicherung der Abschiebung unabdingbar erscheint.
Meine Erlasse vom 30.12.1992 Az.: IV 280 a – 212-29.111.1-57 und vom 13.10.1993 Az.: IV 630 a – 212.29.111-57 werden aufgehoben.
Im Auftrage
Jens Ruge
Erlaß des Innenministeriums Schleswig-Holstein
vom 10.03.1994
Ausländerrecht;
Vollzug der Abschiebungshaft
Amtshilfe durch das Landesamt für Ausländerangelegenheiten SchleswigHolstein
Landesamt für Ausländerangelegenheiten als Koordinierungsstelle für Flugabschiebungen und Paßbeschaffungen
Besprechung am 02.03.1994 im Innenministerium
1. Nach § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG ist die Sicherungshaft unzulässig, wenn feststeht, daß aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung in den nächsten drei Monaten nicht durchgeführt werden kann. Im Hinblick auf diese Vorschrift bitte ich beim Vollzug der Abschiebungshaft wie folgt zu verfahren:
1.1 Abschiebungshaftgefangene, die sich seit mehr als zwölf Wochen in Haft befinden
Angesichts der am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Entscheidung des Gesetzgebers in § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG bedarf es bei Gefangenen, die sich seit mehr als zwölf Wochen in Sicherungshaft befinden, der Prüfung, ob die Haft aufrechterhalten werden soll. In den Fällen,
in denen der abzuschiebende Ausländer bei der Paßbeschaffung in dem erforderlichen Umfang mitwirkt und
die Durchführung der Abschiebung nach Einschätzung der Ausländerbehörde weiterhin nicht absehbar ist,
ist von der Fortsetzung des Vollzugs der Abschiebungshaft abzusehen.
1.2 Angehörige von Staaten, für die Reisedokumente nicht bzw. nicht innerhalb der Drei-Monatsfrist des § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG beschafft werden können
Nach den Erfahrungen der Ausländerbehörden und des Bundesgrenzschutzes können für Angehörige bestimmter Staaten die für eine Abschiebung erforderlichen Reisedokumente derzeit in der Regel nicht innerhalb von drei Monaten beschafft werden. Dies gilt zur Zeit z. B. für Staatsangehörige Algeriens und Vietnams; für Algerien gilt dies allerdings nur dann, wenn kein Identitätsnachweis (z. B. durch eine Carte d’Identité, einen abgelaufenen Reisepaß oder dessen Kopie, einen Militärausweis oder dessen Kopie) geführt werden kann. In den Fällen, in denen der abzuschiebende Ausländer an der Beschaffung der Reisedokumente in dem erforderlichen Umfang mitwirkt und an seinen Angaben zur Person keine begründeten Zweifel bestehen, kommt daher ein Absehen vom Vollzug der Abschiebungshaft auch schon vor Ablauf von drei Monaten seit der Inhaftnahme in Betracht. Das bedeutet jedoch nicht, daß bei Angehörigen der o. a. Staaten von vornherein auf eine Inhaftnahme verzichtet werden sollte, zumal die Erfahrung gezeigt hat, daß in den meisten Fällen abzuschiebende Ausländer erst unter dem Eindruck der Haft bereit sind, an der Beschaffung der erforderlichen Heimreisedokumente mitzuwirken.
1.3 Abschiebungshaft in Amtshilfe für Ausländerbehörden anderer Länder
In den Fällen, in denen sich ausländische Staatsangehörige im Rahmen der Amtshilfe für Ausländerbehörden anderer Länder in Justizvollzugsanstalten in SchleswigHolstein in Abschiebungshaft befinden, und bei denen zugleich die unter Nr. 1.1 oder 1.2 genannten Voraussetzungen vorliegen, ist Kontakt mit der zuständigen Ausländerbehörde aufzunehmen. Es ist mit ihr zu klären, ob diese einer Haftbeendigung zustimmt; ist dies nicht der Fall, ist zu erwägen, den Abschiebungshäftling im Wege der Verschubung der zuständigen Behörde zuzuführen.
2. Amtshilfe durch das Landesamt für Ausländerangelegenheiten Schleswig-Holstein
2.1 Personen in Abschiebunghaft
2.1.1 Sprechstunden in den Justizvollzugsanstalten
Das Landesamt für Ausländerangelegenheiten Schleswig-Holstein betreut ohne besonderes Ersuchen in Amtshilfe Abschiebungshäftlinge, indem es diese in Fragen berät, die ihren ausländerrechtlichen Status betreffen. Zu diesem Zweck hält es in den Justizvollzugsanstalten Kiel, Lübeck und Neumünster regelmäßig (z. Z. wöchentlich) Sprechstunden ab.
Zur Information des Landesamtes haben die übrigen Ausländerbehörden diesem alle Abschiebungshaftfälle sofort nach Aufnahme in einer Justizvollzugsanstalt mit dem als Anlage beigefügten Formblatt per Telefax anzuzeigen.
2.1.2 Abschiebungen aus der Haft
Das Landesamt für Ausländerangelegenheiten leistet auf Ersuchen der Ausländerbehörden der Kreise und kreisfreien Städte Amtshilfe bei der Vorbereitung und Durchführung der Abschiebung von Häftlingen. In Fällen, in denen die Ausländerbehörde nicht um Amtshilfe ersucht hat, kann das Landesamt die Stellung eines Amtshilfeersuchens anregen, wenn z. B. auf diese Weise die Abschiebung kostengünstiger erfolgen kann. Solchen Anregungen des Landesamtes bitte ich in der Regel zu entsprechen.
Das Landesamt leistet vorrangig Amtshilfe bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Bei andere Häftlingen kann es Amtshilfe leisten, soweit es die Arbeitsbelastung zuläßt. Wird das Amtshilfeersuchen nicht vom Landesamt angeregt, kann es die Amtshilfe unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 3 LVwG ablehnen. Es kann die Amtshilfe einstellen, wenn erkennbar ist oder wird, daß die Abschiebung auf absehbare Zeit nicht durchgeführt werden kann. Die zuständige Ausländerbehörde prüft dann, ob nach den unter Nr. 1 genannten Voraussetzungen die Entlassung aus der Abschiebehaft zu veranlassen ist. Kann hierüber zwischen Landesamt und Ausländerbehörde kein Einvernehmen erzielt werden, ist meine Entscheidung einzuholen.3. Landesamt für Ausländerangelegenheiten Schleswig-Holstein als Koordinierungsstelle für Flugabschiebungen und Paßbeschaffung
Das Landesamt für Ausländerangelegenheiten ist in diesen Fragen gegenüber der Grenzschutzdirektion als Ansprechstelle des Landes benannt worden. Ziel ist es, den Informationsfluß zwischen der Grenzschutzdirektion und den Ländern zu bündeln und die gesammelten Erkenntnisse auf diese Weise besser zu nutzen. Dazu ist es erforderlich, daß die Ausländerbehörden der Kreise und kreisfreien Städte sich in Angelegenheiten der Flugabschiebung und Paßbeschaffung mit ihren Erkenntnissen und Fragen, die nicht nur für den Einzelfall von Bedeutung sind, an das Landesamt für Ausländerangelegenheiten wenden. Dieses wird auf Fragen, wenn es keine eigenen Erkenntnisse hat, Informationen bei der Grenzschutzdirektion einholen.
Solche Fragen von genereller Bedeutung sind z. B.:
Abschiebungswege,
günstige Flugverbindungen/ Charterflüge,
Flugverbindungen, auf denen eine Bewachung von Abzuschiebenden durch die Fluggesellschaft erfolgt,
erforderliche Dokumente für die Abschiebung,
Verfahrensweise der Herkunftsländer bei der Ausstellung von Heimreisedokumenten.
Im Auftrage
Dr. Rainer Haltschneider
2.16 Thüringen
Zuständigkeit: Innenministerium; in Amtshilfe: Justizvollzugsanstalten
Rechtsgrundlage: Freiheitsentziehungsgesetz, Strafvollzugsgesetz
Unterbringung: JVA Erfurt (Gotha) (Männer)
JVA Stollberg (Freistaat Sachsen)
Kapazität: ca. 59 Plätze
Haftdauer: 44 Tage (Mitte 1995)
Die Abschiebungshäftlinge sind in Gotha, einer Zweigstelle der JVA Erfurt, untergebracht. Die Abtrennung von Straf- und Untersuchungshäftlingen erfolgt durch eine Unterbringung in verschiedenen Vollzugsbereichen und zusätzlich auch Maßnahmen der Vollzugsorganisation.
Die JVA Gotha ist in der Stadtmitte gelegen. In der Vergangenheit kam es wiederholt zu Beschwerden von Anliegern über eine Lärmbelästigung durch Gefangene. Aus diesem Grunde soll die Gesamtbelegung der JVA Gotha verringert werden. Abschiebungshäftlinge sollen noch 1996 in die JVA Untermaßfeld verlegt werden, wo ein separates Hafthaus zur Verfügung stehen soll.
Die weiblichen Abschiebungshäftlinge sind seit Durchführung der baulichen Sanierungsmaßnahmen in der JVA Erfurt (Zweigstelle Weimar) seit Februar 1995 in der JVA Stollberg im Freistaat Sachsen inhaftiert.
Künftig soll die Abschiebungshaft in der JVA Hohenleuben (Zweiganstalt Unterwellenborn) durchgeführt werden. Dort werden derzeit umfassende Sanierungsmaßnahmen durchgeführt.
Nach den vorliegenden Plänen wird die aus zwei Hafthäusern bestehende Anstalt über insgesamt 196 Haftplätze verfügen; die eine Hälfte ist für den Abschiebungshaftvollzug, die andere für den Vollzug kurzer Freiheitsstrafen (Erstvollzug) vorgesehen. Die Inbetriebnahme soll frühestens 1999 erfolgen.
Der Haftalltag entspricht dem der anderen Häftlinge, eine Stunde pro Tag ist Hofgang, zweimal in der Woche kann Kraftsport betrieben werden. Telefonieren ist nur nach besonderer Erlaubnis möglich, Briefe werden kontrolliert.
Die Betreuung wird von den Sozialarbeitern und Psychologen der Anstalt übernommen. Auf Antrag können Anliegen vorgetragen werden. Einmal pro Woche kommt ein ehrenamtlicher Sozialarbeiter, der es auch durchsetzte, daß die Häftlinge Taschengeld erhalten.
Die Kirchen bemühen sich um eine Verbesserung der Haftsituation. Im vergangenen Jahr kam es zu mehreren Gesprächen, die aber keine positiven Veränderungen herbeiführen konnten.
Informationen für Abschiebehäftlinge
Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr,
dieses Merkblatt vermittelt Ihnen die wichtigsten Informationen für Ihren Aufenthalt als Abschiebehäftling in der Justizvollzugsanstalt.
Grund Ihrer Festnahme:
Sie sind festgenommen worden, weil Sie sich unerlaubt in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten und in Ihren Heimatstaat abgeschoben werden sollen. Ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik ist beispielsweise dann unrechtmäßig, wenn Sie unerlaubt eingereist sind, wenn Ihr Asylantrag abgelehnt wurde und wenn Sie eine erforderliche Aufenthaltsgenehmigung nicht oder nicht mehr besitzen.
Die Ausländerbehörde oder im Falle der Ablehnung ihres Asylantrages das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat Sie aufgefordert, innerhalb einer bestimmten Frist auszureisen. Dieser Aufforderung sind Sie nicht nachgekommen. Gründe, die Ihren weiteren Verbleib in Deutschland rechtfertigen würden (z.B. konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bei Rückkehr in Ihren Heimatstaat), liegen nicht vor.
Um Ihren Aufenthalt hier zu beenden, hat das Amtsgericht auf Antrag der Ausländerbehörde Ihre Abschiebungshaft angeordnet, so daß nunmehr ihre Rückkehr in ihren Heimatstaat vorbereitet und durchgeführt werden kann.
Obwohl Sie in einer Justizvollzugsanstalt untergebracht sind, sind sie weder Straf noch Untersuchungsgefangener, da sie nicht wegen einer begangenen Straftat oder des Verdachts einer Straftat inhaftiert sind.
Fortgang der Abschiebung:
Die Ausländerbehörde bemüht sich, die Abschiebung so schnell wie möglich durchführen zu lassen, damit ihr Freiheitsentzug nur kurze Zeit dauert. Sofern Sie keinen gültigen Paß haben, muß ein Reisedokument für Ihre Ausreise bei der konsularischen Vertretung ihres Heimatstaates beantragt werden. Die Bearbeitungszeit des jeweiligen Konsulats ist von Land zu Land unterschiedlich und kann unter Umständen mehrere Monate in Anspruch nehmen. Die Dauer Ihres Verbleibs in dieser Anstalt hängt im wesentlichen von der Ausstellung des Paßersatzpapiers ab.
Liegen die Papiere vor, wird die zentrale Abschiebestelle in Weimar Ihre Rückkehr organisieren. Kehren Sie auf dem Landweg zurück, werden Sie durch Polizeikräfte an die deutsche Grenze gebracht und den dortigen ausländischen Grenzorganen übergeben. Werden Sie nach Hause geflogen wird die Polizei Sie an den Abflughafen begleiten.
Diese Vorsichtsmaßnahmen sind ebenso wie die Haft leider erforderlich, da Sie trotz Aufforderung nicht freiwillig ausgereist sind.
Ansprechpartner:
Wir hoffen, daß Ihr Aufenthalt in dieser Anstalt nicht allzulange dauert. Sollten Sie während dieser Zeit Fragen bzw. Sorgen haben, wenden Sie sich bitte an die Bediensteten der Anstalt. Diese werden sofern sie nicht selbst Abhilfe schaffen können Mitarbeiter externer Beratungs bzw. Dienststellen, Behörden oder Institutionen benachrichtigen, die sich dann mit Ihnen in Verbindung setzen werden.
Darüber hinaus haben Sie das Recht, sich mit Wünschen, Anregungen und Beanstandungen schriftlich im verschlossenen Umschlag oder im persönlichen Gespräch an die Mitglieder des Anstaltsbeirates zu wenden.
Der Anstaltsbeirat besteht aus Personen, die nicht zum Justizvollzug gehören, aber beauftragt sind, bei der Gestaltung des Vollzuges und der Betreuung der Gefangenen mitzuwirken.
Die Anschriften der Anstaltsbeiratsmitglieder und ihre Sprechstunden werden in der Justizvollzugsanstalt durch Aushang bekanntgegeben.
Weitere Ansprechpartner in Ihren persönlichen Angelegenheiten sind die Sozialarbeiter der Justizvollzugsanstalt und der freien Träger der Wohlfahrtspflege.
Die Justizvollzugsanstalt wird regelmäßig von Geistlichen der christlichen Konfessionen besucht. Sie haben die Möglichkeit des vertraulichen seelsorgerlichen Gesprächs und der Teilnahme an gelegentlich stattfindenden Gottesdiensten.
Die medizinische und zahnmedizinische Behandlung sowie eine psychologische Betreuung ist in der Justizvollzugsanstalt bei Bedarf gewährleistet.
Weitere Rechte der Abschiebe-
häftlinge
Der Empfang von Besuchern (Verwandten und Bekannten) wird Ihnen auf Antrag gewährt. Schreiben Sie einen Besuchsantrag mit den Namen und der Anschrift der Person, die Sie besuchen soll! Ihren Verwandten und Bekannten wird dann ein Besuchstermin zugeschickt.
Telefongespräche aus der Justizvollzugsanstalt werden nur in begründeten Ausnahmefällen und gegen Erstattung der Kosten erlaubt.
Der Empfang und das Absenden von Briefen ist gewährleistet. Der Paketverkehr ist auf Antrag und nach Aushändigung einer Paketmarke möglich.
Die Justizvollzugsanstalt verfügt über eine Bibliothek, aus der Sie Bücher in verschiedenen Sprachen entleihen können. Gelegenheiten zum Fernsehen und zur sportlichen Betätigung werden Ihnen in der Justizvollzugsanstalt zu festgelegten Zeiten angeboten.
Ihr Eigentum
Ihr in die Justizvollzugsanstalt mitgebrachtes persönliches Eigentum wird bis zu Ihrer Abschiebung oder Entlassung verwahrt. Ihr Geld wird auf einem mit Ihrem Namen eingerichteten Konto gutgeschrieben. Von diesem Geld können Sie Waren des täglichen Bedarfs in der Verkaufsstelle der Justizvollzugsanstalt erwerben.
Wenn Sie mittellos sind, steht Ihnen ein monatliches Taschengeld zu. Dafür ist ein Antrag zu stellen. Wenden Sie sich an einen Sozialarbeiter!
Erfurt, im März 1995
Eckehard Peters
Ausländerbeauftragter der Thüringer Landesregierung
PF 997
99021 Erfurt
Auszug aus dem Ausländergesetz vom 9. Juli 1990
§ 49 Abschiebung
(1) Ein ausreisepflichtiger Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist und wenn ihre freiwillige Erfüllung nach § 42 Abs. 3 und 4 nicht gesichert oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint.
(2) Befindet sich der Ausländer auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichem Gewahrsam, bedarf seine Ausreise einer Überwachung. Das gleiche gilt, wenn der Ausländer
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist,
nach § 47 ausgewiesen worden ist,
mittellos ist,
keinen Paß besitzt,
gegenüber der Ausländerbehörde zum Zwecke der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat oder
zu erkennen gegeben hat, daß er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.
§ 57 Abschiebungshaft
(1) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn die Ausweisung nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne Inhaftierung wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.
(2) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist,
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
er aus von ihm zu vertretenden Gründen zu einem für die Abschiebung angekündigten Termin nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde,
er sich in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen hat oder
der begründete Verdacht besteht, daß er sich der Abschiebung entziehen will.
Der Ausländer kann für die Dauer von längstens einer Woche in Sicherungshaft genommen werden, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und feststeht, daß, die Abschiebung durchgeführt werden kann. Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nr. 1 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, daß er sich der Abschiebung nicht entziehen will.
Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, daß aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.
(3) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen der Ausländer seine Abschiebung verhindert, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
2.17 Bundesdeutsche Statistik
Die Bundesministerien der Justiz und des Inneren haben dem Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages am 08.10.96 einen umfassenden Situationsbericht über die Abschiebungshaft in Deutschland erstattet. Der Bericht beruht auf den Ergebnissen einer Umfrage bei den Innen- und Justizverwaltungen der Länder vom Juli 1996. Die Antworten bestätigen die hier dargestellten Befunde.
Nach diesem Bericht ist die Gesamtzahl der Abschiebungshaftgefangenen in den Justizvollzugsanstalten von 736 Personen im März 1992 auf 1.957 Personen im März 1996 gestiegen. Der Höchststand war im März 1994 mit 2.858 Menschen erreicht. Interessant ist, daß unter den 1.957 Personen (März 1996) 477 abgelehnte Asylbewerber und 518 sonstige Ausländer statistisch erfaßt wurden. Der große Rest wurde nicht aufgeschlüsselt. Man wird nicht fehlgehen, eine ähnliche Verteilung anzunehmen. Der Anteil der weiblichen Abschiebungsgefangenen lag im Durchschnitt unter 10 %. Über die Zahl der inhaftierten Jugendlichen gibt es keine genauen Angaben, doch führt der Bericht aus, daß in fünf Ländern Jugendliche unter 16 Jahren nicht in Abschiebungshaft genommen würden, in einem Land seit 1992 insgesamt zehn Jugendliche kurzfristig in Abschiebungshaft gewesen wären und in vier weiteren Ländern sich 1996 insgesamt zwölf Jugendliche in Abschiebungshaft befunden hätten. Vier Länder erfaßten Jugendliche nicht gesondert.
Die durchschnittliche Haftdauer beträgt danach fünf bis sechs Wochen.
Nach dem Bericht gab es seit 1992 insgesamt 18 Selbsttötungen von Abschiebungshaftgefangenen und 203 Fälle von Entweichungen.
Abschiebung ehemaliger Asylbewerber 1987 – 1995
Bundesland 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995*
Baden-Württemberg 266 432 559 1.445 1.789 2.557 5.586 4.674 1.607
Bayern 170 252 404 756 1.026 1.152 3.135 2.959 1.226
Berlin 169 144 84 122 155 223 1.398 1.606 175
Brandenburg – – – – 15 393 3.167 2.987 1.094
Bremen 19 10 9 36 89 244 611 583 117
Hamburg 619 536 491 793 1.025 1.123 1.957 2.199 1.030
Hessen 176 186 247 160 298 318 1.238 1.746 576
Mecklenburg-Vorpommern – – – – 8 95 1.005 1.198 475
Niedersachsen 242 308 410 506 735 1.194 3.888 3.215 1.580
Nordrhein-Westfalen 467 605 711 1.243 2.234 1.990 6.627 7.298 3.905
Rheinland-Pfalz 201 183 283 511 525 555 2.231 1.736 1.544
Saarland 18 30 43 59 123 113 525 536 158
Sachsen – – – – 5 178 2.019 2.854 1.477
Sachsen-Anhalt – – – – 6 315 1.062 860 373
Schleswig-Holstein 70 107 86 230 199 302 969 773 298
Thüringen – – – – – 46 747 959 431
Zusammen 2.417 2.793 3.327 5.861 8.232 10.798 36.165 36.183 16.066
* von den Bundesländern für das lfd. Jahr bisher gemeldet.
Stand: 9.11.1995 (BMI-A5-936047/4(10))
Bundesministerium des Innern Stand: 08.11.1995
A 5 – 936 047/4 (11) Abschiebungen von ehemaligen Asylbewerbern nach Ländern
Jahr 1995
insgesamt
davon nach:
BR. Jugosl.
Türkei
Rumänien Bosnien-H.
Afghanist.
Sri Lanka
Togo
Iran
Vietnam
Bulgarien
Baden-Württ. 1.607 65 258 64
Bayern 1.226 49 63 108 8 9 10 2 4 108
Berlin 175 18 2 91 1 52
Brandenburg 1.094 2 717 287
Bremen 117 2 31 17 1 13
Hamburg 1.030 155 223 49
Hessen 576 1 38 77 1 3 3 51
Mecklenb.-Vorp. 475 8 10 328 1 1 44
Niedersachsen 1.580 4 85 292 1 2 3 92
Nordrhein-Wf.** 3.905 3 250 762 1 12 7 8 126
Rheinland-Pfalz 1.544 40 58 217 6 6 5 251
Saarland 158 1 3 23 1 27
Sachsen 1.477 4 21 904 5 1 1 3 156
Sachsen-Anhalt 373 8 151 48 61
Schleswig-Holst. 298 5 61 2 3 1 3 2 17
Thüringen 431 6 5 138 7
Gesamt 16.066 138 801 4.367 64 2 34 29 23 13 1.405
** geschätzte Zahl
Bundesministerium des Innern Stand: 08.11.1995
A 5 – 936 047/4 (11)
Abschiebungen von ehemaligen Asylbewerbern
Jahr 1995
Januar
Februar März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. gesamt
Baden-Württ. 268 303 229 138 199 194 116 162 1.607
Bayern 174 181 169 150 209 199 144 1.226
Berlin 26 61 55 33 175
Brandenburg 164 151 189 136 93 63 81 110 107 1.094
Bremen 32 23 27 19 16 117
Hamburg 153 135 141 106 137 135 108 115 1.030
Hessen 138 128 114 88 108 576
Mecklenb.-Vorp. 49 64 65 53 62 48 52 44 38 475
Niedersachsen 197 204 153 153 193 220 117 213 130 1.580
Nordrhein-Westf.** 535 531 488 409 475 376 340 413 337 3.905
Rheinland-Pfalz 90 161 240 272 357 424 1.644
Saarland 26 21 29 26 17 17 10 13 158
Sachsen 210 176 193 140 140 161 112 196 149 1.477
Sachsen-Anhalt 36 43 46 52 31 39 29 34 36 27 373
Schleswig-Holst. 42 51 35 52 31 40 47 298
Thüringen 64 36 49 47 71 54 54 56 431
Gesamt 2.202 2.269 2.222 1.873 2.139 1.970 1.210 1.356 797 27 16.066
** geschätzte Zahl
3. Die Abschiebungshaft in der Praxis
3.1 Die Verhaftung
Die Abschiebungshaft kann nur vom Richter angeordnet werden. Zuständig ist das Amtsgericht als Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 1, 3 FEVG). Von der Ausländerbehörde muß ein Antrag auf Haftanordnung vorgelegt worden sein, der durch das Gericht geprüft wird. Es ist zwingend vorgeschrieben, bei dieser Prüfung den betroffenen Ausländer mündlich anzuhören. Auf diese Anhörung darf nicht verzichtet werden. Genausowenig ist es zulässig, wenn das Gericht einen Eilbeschluß erläßt, um die Anhörung einige Zeit später nachzuholen. Dies widerspräche dem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG).
Eine Anordnung zur Abschiebungshaft kann grundsätzlich nur dann erfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 57 AuslG vorliegen.
Beispiele:
Nach § 57 II 1 Nr. 2 AuslG kann Abschiebungshaft angeordnet werden, wenn eine von Seiten der Ausländerbehörde bzw. von Seiten des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gesetzte Ausreisefrist abgelaufen und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist. In dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes vom Juli 1994, in dem die Notwendigkeit der Inhaftnahme vom Gericht als zusätzliche Voraussetzung des § 57 II AuslG festgelegt wird, wird ausgeführt, daß berücksichtigt werden muß, daß dem betreffenden Ausländer oft die deutsche Rechtsordnung nicht bekannt sei. Es sei daher entschuldbar, wenn etwa der Ausländer seinen Wohnsitz gewechselt und dies dem Ausländeramt nicht angezeigt hatte, jedoch sich an dem neuen Wohnort bei der Meldebehörde ordnungsgemäß angemeldet hatte, in dem Glauben, damit seiner Pflicht genügend nachgekommen zu sein.
Bei § 57 II 1 Nr. 5 AuslG handelt es sich um eine wenig konkret gefaßte Auffangnorm, nach der die Anordnung von Abschiebungshaft dann möglich ist, wenn der begründete Verdacht besteht, daß sich der Ausländer der Abschiebung entziehen will. Der allgemeinen Formulierung wegen bedarf es gerade hier einer strengen Prüfung der verfassungsrechtlichen Vorgaben, worauf in der Praxis allerdings manchmal verzichtet wird.
Vorbildlich erscheinen die Ausführungen des Landgerichtes Aachen in einem Beschluß vom 10.05.95 (3 T 176/95), die aus diesem Grunde hier wiedergegeben werden:
„Nach § 57 II 1 Nr. 2 AuslG ist ein ausreisepflichtiger Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn die Ausreisepflicht abgelaufen ist und er seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist. Vorliegend läßt sich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, daß der Betroffene sich in der ihm zugewiesenen Unterkunft nicht aufgehalten hat. Zwar wurde er ausweislich der Berichte des Außendienstmitarbeiters des Beteiligten zu 2. vom 20.03.95 und 29.03.95 am 17.03.95 sowie am 28.03.95 in der Zeit von 11.15 Uhr – 12.20 Uhr in der Unterkunft nicht angetroffen. Daraus ergibt sich aber nicht zweifelsfrei, daß der Betroffene zum Zeitpunkt der Aufsuchungen der Asylunterkunft durch den Außendienstmitarbeiter des Beteiligten zu 2. Bekannte besucht oder Erledigungen getätigt hat bzw. einer Arbeit nachgegangen ist und seinen Lebensmittelpunkt weiterhin in der ihm zugewiesenen Unterkunft hatte. Zudem hat der Betroffene eidesstattliche Versicherungen des Herrn … und der Frau … vorgelegt, in denen diese erklären, sie hätten den Betroffenen bis zu seiner Verhaftung häufig in der ihm zugewiesenen Unterkunft besucht; er sei dort stets erreichbar gewesen und habe auch bis zu seiner Verhaftung in einer Baumschule in Langerwehe gearbeitet. Soweit es in dem Bericht des Außendienstmitarbeiters des Beteiligten zu 2. vom 29.03.95 weiter heißt, der Betroffene sei den marokkanischen Staatsangehörigen … und … nicht bekannt gewesen, ist diese Feststellung angesichts des weiteren Inhalts des Berichts, ausweislich dessen eine schlechte Verständigung bestanden hat, wenig aussagekräftig. Der Vermerk des Außendienstmitarbeiters des Beteiligten zu 2. vom 05.05.95, in dem es heißt, der Betroffene sei bei mehrmaligen unvermuteten Überprüfungen zu unterschiedlichen Zeiten in der Unterkunft nicht anzutreffen gewesen und halte sich auch dort nicht auf, ist zu pauschal und rechtfertigt gleichfalls nicht die Annahme, daß der Betroffene seinen Aufenthaltsort gewechselt hat. Aus diesem Vermerk ergibt sich weder, an welchen Tagen noch zu welchen Zeitpunkten der Betroffene in der Asylunterkunft nicht angetroffen wurde. Schließlich ist vorliegend auch zu berücksichtigen, daß der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen mit Schriftsatz vom 09.05.95 anwaltlich versichert hat, daß der Betroffene für ihn ihm März 1995 unter seiner Anschrift erreichbar war und sich auf Anschreiben umgehend gemeldet hat. Auf telefonische Nachfrage hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen seine anwaltliche Versicherung vom 10.05.95 dahingehend konkretisiert, daß er den Betroffenen unter dem 10.03.95 angeschrieben habe und dieser ihn daraufhin nach telefonischer Terminvereinbarung noch im März 1995 aufgesucht habe. Angesichts dieser Umstände läßt sich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, daß der Betroffene sich in der ihm zugewiesenen Unterkunft dauernd nicht aufgehalten hat.
…
Das bisherige Verhalten des Betroffenen begründet nicht den an konkrete Tatsachen anknüpfenden hinreichenden Verdacht, daß er sich der Abschiebung entziehen will. Insbesondere läßt sich – wie bereits dargelegt – nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, daß der Betroffene untergetaucht ist. Andere Umstände, die dafür sprechen, daß der Betroffene sich im Falle seiner Entlassung aus der Haft der Kontrolle der Ausländerbehörde und der beabsichtigten Abschiebung entziehen würde, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.“
Auch das Grundrecht auf rechtliches Gehör wird einem Ausländer nicht immer voll gewährt. Aus dem Bericht der Wuppertaler Betreuungsgruppe über einen von ihr betreuten Abschiebungshäftling aus Zaïre: „M. berichtet von seiner Verhaftung, als er in Abschiebungshaft kommen sollte: er bat den Richter um einen Dolmetscher, weil er sich verteidigen wollte. Der Richter des Amtsgerichts Wuppertal ließ ihm allerdings einen englischsprachigen Dolmetscher zukommen. Dieses Ereignis erfüllte M. mit ohnmächtiger Wut.“
Die Ausländerbehörde spielt im Abschiebungsverfahren die dominierende Rolle. Sie darf bei der tatsächlichen Durchführung der Abschiebung vom letzten inländischen Aufenthaltsort des/der Abzuschiebenden bis zur Bundesgrenze unmittelbaren Zwang im freiheitsbeschränkenden Sinne anwenden. Es ist die Ausländerbehörde, die den Antrag auf Anordnung der Abschiebungshaft stellt und die durch ihr Handeln bzw. unterbleibendes Handeln bestimmt, inwieweit auf die richterliche Anordnung zurückgegriffen wird. Sie hat jedoch keinerlei Machtbefugnis, selbst jemanden zur Sicherheit der Abschiebung vorläufig in Abschiebungshaft oder -gewahrsam zu nehmen. Zu jeder mit der Abschiebung im Zusammenhang stehenden Freiheitsentziehung bedarf es ausnahmslos einer vorherigen richterlichen Anordnung. Die Ausländerbehörde ist also weder ermächtigt, eine Person festzunehmen, wenn dies der unmittelbaren Durchführung der Abschiebung dienen soll, noch um einen Ausländer dem Richter vorzuführen. Auf die Dauer der Festhaltung kommt es nicht an.
Doch der Alltag sieht oft anders aus. Die bundesrechtlichen Bestimmungen erschweren die Arbeit der Ausländerbehörde, denn der offizielle Behördenweg ist umständlich. Die Ausländerbehörden verkürzen ihn deshalb oft – contra legem.
Beispiele:
Die folgenden Berichte sind der Anklageschrift der Tribunal AG des Hamburger Flüchtlingrates entnommen. Der Flüchtlingsrat hatte im Februar 1996 einen symbolischen Tribunal gegen die Hansestadt Hamburg veranstaltet, in dem Mißachtung des Gesetzes und verfassungswidriges Verhalten im Umgang mit Ausländern zur Anklage stand.
„M.: Sie befragten mich, und ich erklärte ihnen alles. Sie waren wirklich nicht freundlich. Sie gaben mir keinen Platz, nur einen Paß (Aufenthaltsgestattung). Ich fragte, wo ich denn schlafen solle? Sie sagten, es gebe keinen Platz. Ich sagte ihnen, daß ich 15 Jahre alt bin, denn ich bin 1978 geboren. Dann war ich also in der Stadt, auf der Straße, bei Freunden. Manchmal schlief ich sogar auf dem Bahnhof. Eines Tages schlugen mich Skinheads sehr schlimm auf dem Bahnhof. Ich ging wieder zur Behörde und erzählte dort, daß ich auf dem Bahnhof geschlagen wurde und Probleme mit meinen Zähnen habe, die sie mir z. T. ausgeschlagen haben. Aber auf der Behörde sagten sie wieder, es gebe keine Unterkunft. So ging das etwa drei Monate. Ich ging wieder zum Bieberhaus (so nennen Flüchtlinge weiterhin die Ausländerbehörde, die inzwischen in der Amsinckstraße residiert), um einen Stempel abzuholen. Sie fragten nach meinem Alter. Und sie änderten es einfach, wie sie es wollten. Sie sagten, ich sei älter als 15. Ich sagte, nein, ich bin nicht älter. Aber sie glaubten mir nicht und schrieben einfach „1976“ in die Papiere. Sie schickten mich dann aufs Schiff. Ich war gerade zwei Monate auf dem Schiff, im dritten Monat riefen sie mich zum Bieberhaus. Dort behaupteten sie, ich hätte zwei Asylanträge gestellt, mein wirklicher Name sei Soundso. Ich sagte, nein, mein Name ist M., ich habe keinen zweiten Namen! Aber sie behaupteten weiter, ich hätte mit zwei verschiedenen Namen Asylanträge gestellt, und sie drehten mir die Arme auf den Rücken und legten mir Handschellen an. Sie brachten mich ins Gefängnis und vor Gericht, und das Gericht sagte, ich muß für einen Monat und 15 Tage in Haft, und dann werde ich zurück nach Gambia geschickt, denn dort gebe es keine Probleme. Ich sagte, daß es dort sehr wohl Probleme gibt. Ich bin sehr jung, und habe schon meine Familie verlassen. Ich war in Fuhlsbüttel im Gefängnis. Am 15. Dezember ließen sie mich frei. Sie sagten, ich solle zum Bieberhaus kommen und mir ein Papier namens „Duldung“ abholen. Ich verstand das nicht. Ich habe jetzt einen Anwalt und einen Vormund. Ich lebe wieder auf dem Schiff.“
„Einer meiner Betreuer hatte Mitte September bei der Ausländerbehörde angerufen, um sich zu erkundigen, was mit meiner Aufenthaltsgestattung los sei. Ihm wurde gesagt, daß meine Gestattung verlängert worden sei und ich sie abholen könne.
Ich bin also einen Tag später mit S., meinem Betreuer, zur Ausländerbehörde gegangen. S. ist reingegangen. Ich wartete draußen. S. kam nach 15 Minuten wieder aus der Behörde heraus. Er sagte mir, daß mein Ausweis verlängert worden sei. Ich sollte jedoch selbst kommen, um den Ausweis abzuholen. Wir sind dann zusammen reingegangen. S. blieb vor der Tür (Zi. 146) stehen und sagte mir, daß ich dort meinen Ausweis abholen solle. Die Sachbearbeiterin sagte mir, daß mein Ausweis nicht in dem Raum sei und schickte mich wieder hinaus. Nach einer Weile bin ich wieder in den gleichen Raum hineingegangen. Ich habe auf dem Tisch eine Liste gesehen, auf der auch mein Name stand. Ich habe mit dem Finger auf die Liste gezeigt und gesagt, daß das mein Name sei. Die Sachbearbeiterin sagte, daß ich 5 Minuten draußen warten sollte. Dann war ich mir ganz sicher, daß ich meinen verlängerten Ausweis ausgehändigt bekommen würde. S. stand vor der Tür und sagte mir, daß ich ein bißchen weiter weg gehen sollte, falls es „gefährlich“ werden würde. Dann kam ein Zivilbeamter in das Zimmer 146 mit Handschellen. Danach kam noch einer. Ich wurde dann zu einem anderen Raum gerufen. S. stand vor der Tür. Der Beamte hatte meine Akte vor sich. Er versuchte mir zu erklären, daß mein Asylantrag abgelehnt wurde und mein Vormund keinen Bescheid erhalten hatte.
Ich habe gesagt, daß ich nichts verstehe und angedeutet, daß mein Chef (S.) draußen warten würde.
S. kam sofort rein. Ich wurde dann verhört. Ich wurde gefragt, ob ich noch weiteres zu sagen hätte. Ich mußte das Verhör (-Protokoll, d. Red.) unterschreiben. Der Beamte sagte mir allerdings, nachdem ich nicht unterschreiben wollte, daß es egal sei, ob ich unterschreibe oder nicht.
Ich sagte ihm, daß ich allein in die Türkei fahren würde. Der Beamte hatte plötzlich Handschellen in der Hand. Er sagte, daß heute eh kein Flugzeug mehr fliegen würde und daß er mich deshalb festnehmen müßte.
Es war noch ein Sachbearbeiter im Raum, der meinen Ausweis abholte. Vor der Tür stand noch ein Beamter.
Dann bin ich mit drei Personen in den Keller gebracht worden. Draussen stand ein weißer Transporter. Wir waren zu viert. Eine Frau fuhr. Ich saß hinten. Zwei Beamte saßen mir gegenüber. Wir fuhren zum Amtsgericht am Dammtor(?). Dort wurde ich in den Keller gebracht. Es waren noch andere Leute dort.
Mein Schlüsselbund, mein Portemonnaie und mein Gürtel wurden mir in der Ausländerbehörde schon abgenommen.
Nachts wurden wir in einen Raum mit drei Betten gebracht. Es waren außer mir nur ein Deutscher und ein Türke.
Um acht Uhr gab es Frühstück. Dann haben sie mich wieder zum Kellerraum (mit Vergitterung) gebracht.
Mein Name wurde aufgerufen, und ich wurde gefragt, ob ich mein Gepäck dabei hätte. Ich sagte, daß das bei meinem Onkel sei. Ich rief dort an (der Beamte wählte für mich), aber es war keiner dort. Dann habe ich einen kurdischen Verein angerufen. Das Telefon hat am anderen Ende gar nicht geklingelt. Ich habe am Apparat die Stimme eines Deutschen gehört.
Gegen 12 Uhr kam dieser weiße Transporter. Dann habe ich den Beamten gesehen, der mit Handschellen im Raum 146 war. Der hat mir die Handschellen angelegt. Dann nahmen sie mir die Handschellen wieder ab und brachten mich zurück in den Raum. Sie sagten mir, daß wir erst in einer halben Stunde losfahren würden. Dann haben sie mich mit einem Kurden zusammen mit Handschellen abgeholt und zum Flughafen gefahren. Der andere Kurde war seit 15 Jahren in Deutschland gewesen und konnte sehr gut Deutsch. Er übersetzte mir, daß der Beamte mich fragte, wo mein Gepäck sei. Ich sagte, daß sie mir nicht erlaubt hätten, mein Gepäck zu holen. Der Beamte wurde wütend und sagte, daß er sich um 11 Uhr darum gekümmert hätte. Er drohte mir mit Prügel. Ich habe dann nichts mehr gesagt.
Wir kamen in den Keller (zwei türkische Familien, zwei Kurden und ich). Der andere Kurde war auch fünf Tage in Untersuchungshaft gewesen. Man sagte uns, daß wir bis 14 Uhr warten müßten.
Um viertel vor zwei wurden wir mit 4-5 Beamten abgeholt. Sie haben uns mit einem Transporter zum Flughafen gebracht. Alle Beamten sind mit ins Flugzeug gestiegen.
Wir saßen da. Ich habe mich angeschnallt. Dann kam ein Anruf über Walkie-Talkie. Der Beamte fragte, wer A. sei. Dann sagte er, daß ich hier bleiben würde.
Die Polizei brachte mich aus dem Flugzeug. Dort stand ein großer Polizeitransporter. Ich wurde zur Flughafenhalle gefahren, wo ich mich auf einen Stuhl setzen mußte. Sie gaben mir alle meine Sachen zurück. Sie sagten mir, daß gleich ein Anruf von der Ausländerbehörde käme. Dann kam der Anruf, und man sagte mir, daß ich frei wäre und tun könne, was ich wolle. Sie haben mich gefragt, ob ich Geld hätte, und ich sagte ja. Dann bin ich weggegangen.“
In einem Beitrag äußert sich Karl Friedrich Piorreck, Richter am OLG Frankfurt am Main, zu diesem Problem folgendermaßen:
„Die Praxis sucht und findet eigene Wege. Die Ausländerbehörden lassen Ausländer zur Festnahme ausschreiben. Sie lassen Ausländer auch ganz gezielt – ohne Ausschreibung – festnehmen und bis zur Vorführung vor den Abschiebungshaftrichter im Polizeigewahrsam festhalten. Sie entziehen Ausländern die Freiheit, um sie dem Abschiebungshaftrichter vorzuführen bzw. vorführen zu lassen.“
Piorreck konstatiert, daß die Ausländerbehörden, da die bundesrechtliche Gesetzgebung ihnen keinen Raum zur Festnahme oder Ingewahrsamsnahme einräumt, auf strafrechtliche oder polizeirechtliche Möglichkeiten ausweichen:
„Es haben sich dabei Amtshilfegewohnheiten eingebürgert, bei denen sich unterschiedliche Verwaltungsinteressen an einer Festnahme und einem Festhalten des Ausländers ergänzen. Bei der auf Ersuchen der Ausländerbehörde durchgeführten gezielten Festnahme eines Ausländers z. B. in der Unterkunft, beim Sozialamt oder sogar in Behördenräumen auch der Ausländerämter leistet die Polizei Amtshilfe. Sie sieht in der Festnahme einen Akt der Gefahrenabwehr und vertraut darauf, daß das Amtshilfeersuchen der Ausländerbehörde rechtmäßig ist. (…) Nach einer zufälligen Festnahme eines Ausländers durch die Polizei z.B. bei einer Personenkontrolle leistet die Ausländerbehörde häufig Amtshilfe, insbesondere wenn die Verfehlungen des Ausländers zur Erwirkung eines Untersuchungsbefehls nicht ausreichen. Sie erklärt sich bereit, einen Abschiebungshaftantrag zu stellen und ersucht die Polizei darum, den Ausländer festzuhalten und dem Abschiebungshaftrichter vorzuführen. Die Gefahr, daß die Abschiebungshaft zu einer Art Ersatzfreiheitsstrafe wird, liegt auf der Hand.“
Eine Folge kann sein, daß ein Ausländer selbst am übernächsten Tag nach seinem Ergreifen noch festgehalten wird, obwohl die Polizei dies aus eigener Machtvollkommenheit, also ohne eine richterliche Anordnung, nicht darf. Liegt die so beschriebene Vorgehensweise vor, werden Ausländer aufgrund von Regelungen festgehalten, die nicht dem Abschiebungshaftrecht entstammen. Dennoch werden sie dem Abschiebungshaftrichter vorgeführt und nicht dem Strafrichter, der die Zulässigkeit und Fortführung der im Verwaltungsweg angeordneten und vollzogenen Freiheitsentziehung zu entscheiden hat, oder dem für das Überprüfen des Freiheitsentzugs durch die Polizei zuständigen Richter. Die letzteren prüfen gemäß § 128 StPO oder nach dem jeweiligen Landesrecht die Rechtmäßigkeit der vorausgegangenen polizeilichen Freiheitsentziehung. Dies ist beim Abschiebungshaftrichter nicht der Fall. Er hat in seiner Entscheidung lediglich über die Voraussetzungen der Haft nach § 57 AuslG zu befinden, bestimmt also, ob und innerhalb welchen Zeitraums die Ausländerbehörde ermächtigt sein soll, einen Ausländer in Haft zu nehmen.
Der Abschiebungshaftrichter hat (aus Rechtsgründen) weder einen Anlaß, noch wäre er befugt, die vorangegangene Verwaltungsmaßnahme zu überprüfen, denn eine im Verwaltungswege angeordnete vorläufige Abschiebungshaft gibt es im Ausländerrecht nicht. Somit ist die Ausländerbehörde allein für den Verwaltungsgewahrsam verantwortlich. Es unterbleibt die sonst durchzuführende richterliche Kontrolle der Zulässigkeit der polizeilichen Freiheitsentziehung.
Natürlich hat der Ausländer das Recht zu einer förmlichen Anfechtung, doch hat er meist nicht die dazu nötige Kenntnis der Rechtslage.
3.2 Zugangssituation
Von Betreuern wird berichtet, daß gerade die ersten Tage der Haft für die Häftlinge besonders schwierig sind. Für viele Abschiebungsgefangene ist es das erste Mal, daß sie mit dem Gefängnis in Kontakt kommen. Aufregung und Streß führen dazu, daß die Belehrungen beim Abschiebungshaftrichter nur bedingt verstanden wurden. Auch später, beim Zugangsgespräch in der Hafteinrichtung, kennt er meist noch nicht die konkreten Gründe der Abschiebungshaft. Hinzu kommen die einschränkenden Regeln der Haft wie die Verwahrung des Eigentums des Häftlings oder die begrenzte Möglichkeit von Kontaktaufnahmen und das Erlebnis des Eingesperrtseins.
Oft steht den Gefangenen kein dienstliches Telefon zu Verfügung, für den öffentlichen Fernsprecher fehlt ihnen aber das nötige Geld. So kommt es vor, daß Gefangene ihre Familien oder Betreuer in den Unterkünften von ihrer Haft nicht benachrichtigen können. Es kommt auch vor, daß Angehörige in verschiedenen Haftanstalten untergebracht werden und vom Verbleib des anderen nichts erfahren. Gerade eine Verbindung zu den, den Häftlingen vertrauten Personen wäre aber zu Beginn der Haft für die Orientierung und die Stimmung des Inhaftierten wichtig.
Aus der Anklageschrift der Hamburger Tribunal AG sei hier ein Beispiel zitiert:
„3.3 Zum Tatbestand: Abschiebungshaft Minderjähriger
3.3.1 Der Kreole sprechende, zum damaligen Zeitpunkt gerade 16-jährige Zeuge Michel Davis (Liberia, Z-3.5), der aufgrund einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Hamburg im Mai 1995 Abschiebeschutz (wegen erheblicher konkreter Gefahr für Leib und Leben im Falle der Abschiebung nach Liberia) erhalten hat, wurde am 22. 09. 1994 in der Ausländerbehörde Hamburg festgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war sein Asylverfahren nicht abgeschlossen.
Zwar hatte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge seinen Antrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Über die gegen diese Entscheidung eingelegten (Eil-) Rechtsmittel war noch nicht entschieden.
Am 22.09.1994 begab sich der Zeuge in die Ausländerbehörde, um seine Duldung zu verlängern. Dort befand sich der englisch – nicht Kreole – sprechende Dolmetscher ghanaischer Herkunft Kobi, der nach kurzem Gespräch mit ihm behauptete, der Zeuge komme aus Sierra Leone. Hierüber wurde ein Text gefertigt, den der Zeuge unterschreiben sollte. Er verweigerte die Unterschrift und wurde festgenommen und dem Abschiebungshaftrichter vorgeführt.
Aufgrund des Abschiebungshaftbefehls der Abt. 189 des Amtsgerichts Hamburg aus September 1994 wurde der Zeuge in der Folge sechs Wochen in der Hamburger Untersuchungshaftanstalt (UHA) Holstenglacis, (entgegen den Vorschriften des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte) zusammen mit Erwachsenen, inhaftiert.
Der Zeuge war zum Zeitpunkt seiner Inhaftnahme in einer Jugendwohnung untergebracht. Ein Telefonat mit der Jugendwohnung oder seinem Vormund wurde dem Zeugen verwehrt. Weder die Betreuer und Betreuerinnen der Jugendwohnung, noch der ihm bestellte Vormund Hübert vom Jugendamt Hamburg-Wandsbek, wurden von der Inhaftnahme informiert.
Der Zeuge wurde am 03.11.1994 aus der Abschiebungshaft entlassen und erhält seitdem Duldungen.“
Mitarbeiter der Betreuungsgruppe Abschiebungshaft Wuppertal berichten:
„S.A. weiß nicht, wo seine Frau ist. Beim zuständigen Ausländeramt erfahren wir auf Nachfrage, daß sie bereits vor zwei Wochen nach Bulgarien abgeschoben worden ist. Ein Problem sieht man darin nicht, schließlich seien die beiden auch nicht zusammen eingereist.
R.D. weiß nicht, daß seine Frau ins Abschiebungsgefängnis Gütersloh gebracht worden ist. Beim Gespräch ist er sehr nervös und aufgeregt. Er macht sich Sorgen, weil seine Frau krank ist. Ein Telephonat in die Gütersloher Anstalt zu seiner Frau wird ihm nicht ermöglicht. Die Adresse des Abschiebungshafthauses Gütersloh ist beim Vollzugsdienst auf Lichtscheidt nicht bekannt.“
Verschiedene Anstalten versuchen, dem allgemeinen Informationsdefizit durch ausführliche Zugangsgespräche oder Sprechstunden entgegenzuwirken. In manchen Ländern wird von der Ausländerbehörde (z. B. Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen) eine regelmäßige Sprechstunde angeboten, manche Haftanstalten verteilen Informationsblätter (z.B. Thüringen, Berlin). Aber der tatsächliche Betreuungs- und Informationsbedarf eines Häftlings kann nicht von einem Informationsblatt oder durch ein einmaliges Gespräch befriedigt werden. Erst recht nicht, wenn Sprachprobleme die Übermittlung der von vornherein komplizierten juristischen Vorgänge erschweren.
3.3 Haftbedingungen
hj Die Haftbedingungen in den verschiedenen Bundesländern sehen sehr unterschiedlich aus. Ausschlaggebend ist zunächst, ob es eine landesrechtliche Regelung zur Durchführung des Vollzugs gibt (vgl. die Abschnitte zu den Ländern Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz im 2. Kapitel) und in welcher Art von Einrichtung die Häftlinge untergebracht sind.
Der Status der Abschiebungshäftlinge als Zivilgefangene erlaubt und gebietet es, die Abschiebungshaft weniger restriktiv zu gestalten als den normalen Strafvollzug. Sind die Häftlinge jedoch in den allgemeinen Vollzug integriert (also nicht in eigenen Abteilungen), ist es den oft überlasteten Justizvollzugsanstalten schon organisatorisch nicht möglich, für die Abschiebungshäftlinge eine Sonderregelung aufzustellen. Insbesondere die in die Untersuchungshaft integrierten Personen haben schwierige Bedingungen zu ertragen, denn dem Untersuchungshäftling werden in Deutschland teilweise weniger Rechte zuerkannt als dem schon Verurteilten. In der U-Haft wird der Kontakt unter den Häftlingen unterbunden. Gemeinschaftliche Aktivitäten oder gemeinschaftlich genutzte Räume gibt es daher nicht, der Häftling verläßt die Zelle nur für den Hofgang.
In einigen Ländern gibt es separate Einrichtungen für die Abschiebungshaft. Dort ist es dann möglich, den Vollzug dem Status der Abschiebungsgefangenen und dem Zweck der Haft anzupassen, auch wenn dies oft nur ansatzweise geschieht. Manchmal sind diese Abschiebungseinrichtungen reine Provisorien, weil sie gar nicht für einen solchen Zweck geschaffen wurden. Dort können die Haftbedingungen härter als in den normalen Vollzugsanstalten sein (vgl. Punkt 3.3.1).
Die meisten Häftlinge sind zum ersten Mal im Gefängnis. Der Alltag ist geprägt von einer strengen Tages- und Hausordnung und einer rigorosen Einschränkung jeglicher Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit. Einen Einblick in diesen Alltag mögen Auszüge aus der Hausordnung der Uelzener Haftanstalt geben:
„…II. Tageseinteilung
Werktag ab 06.30 Uhr Wecken und Frühstück
07.30 Uhr Arbeitsbeginn
Mo.-Fr. 07.30 – 12.00 Uhr Arbeitszeit
12.00 – 12.30 Uhr Mittagessen
12.30 – 15.00 Uhr Mittagseinschluß
Mo.-Do. 12.30 – 16.00 Uhr Arbeitszeit
Fr. 16.00 – 17.00 Uhr Freistunde
17.15 – 17.45 Uhr Abendessen
17.45 – 18.00 Uhr Vollzähligkeitsfeststellung
(Während dieser Zeit hat sich der Gefangene auf seiner Wohngruppe aufzuhalten)
18.00 – 21.00 Uhr Freizeit
21.30 Uhr Einschluß
…
III. Sicherheit und Ordnung
…
Ohne Zustimmung der Anstalt darf ein Gefangener nur Sachen von geringem Wert (2facher Tagessatz des Ecklohns) von einem anderen Gefangenen annehmen.
…
Auf Antrag können im Einzelfall folgende Gegenstände zugelassen werden:
1 Radiocassettenrecorder, 1 CD-Player, 1 Fernseher (bis 42 cm Bildschirmgröße), 1 Kaffeemaschine, 1 Schreibmaschine ohne Speicherkapazitäten, 1 Taschenrechner, 1 Tages- oder Wolldecke, 1 Bettvorleger (Teppich) ca. 80 x 120 cm, 1 Reisetasche oder Koffer, 1 Tischdecke, 1 Saiteninstrument (z. B. Gitarre), Kassetten, CD’s und Bücher in angemessenem Umfang (ca. 10), Topfblumen (3, Beschaffung nur über die Anstalt), 1 Kopfhörer, 1 Tischlampe, 1 Fön, 1 Tauchsieder, 1 Elektrorasierer, 1 Tischsteckdose 3fach, 1 Wecker, Filzstifte, 1 Beistelltisch 50 x 50 cm. …
V. Privatkleidung
Folgende Kleidungsstücke werden zugelassen:
6 x Unterwäsche, 2 T-Shirts, 2 Hemden, 6 Paar Socken, 2 Hosen, 1 Bademantel, 2 Jogging-Anzüge, 3 Turnhosen, 3 Sporthemden, 2 Paar Sportschuhe, 1 Badetuch, 1 Handtuch, 2 Pullover/Sweatshirts. Die Gefangen haben für die Reinigung selbst zu sorgen. Waschmittel werden von der Anstalt gestellt. Der Tausch von schmutziger Wäsche gegen saubere Wäsche außerhalb der JVA ist nicht zulässig.
…“
Folgendes berichteten zwei Gefangene in einem Interview des ZDF:
„- kein Radio, guck mal, keine Uhr, kein Fernsehen, …gar nichts – was wollen machen 24 Stunden, wohin wir unser Kopf stecken.
– Sie behandeln uns wie Tiere, wie Tiere. Ich bin hier seit sechs Monaten, sechs Monate hier drin. Die Verwaltung sagt, alles geht nach Recht und Ordnung. Aber keiner von uns kennt die Regeln, keiner weiß, was hier eigentlich geschieht.“
Abschiebungshäftlinge sind nicht wie Strafgefangene zur Arbeit verpflichtet. Die Haftanstalt hat daher auch nicht für einen Arbeitsplatz für einen Abschiebungshäftling zu sorgen. Hinzu kommt, daß dies aus der Sicht der JVA bei Abschiebungshäftlingen mit kurzer Haftdauer (nur wer weiß denn, wie lange ein Häftling letztendlich in Haft bleibt?) nicht unbedingt sinnvoll ist. Den Abschiebungshäftlingen, die gerne arbeiten würden, können die Haftanstalten selten einen Arbeitsplatz zuweisen, da sie schon im Bereich der Strafhaft Schwierigkeiten haben, genügend Plätze zu Verfügung zu stellen. Der Tagesablauf in der Uelzener Hausordnung sieht daher für die Abschiebungshäftlinge so aus, daß sie zu den offiziellen Arbeitszeiten Freizeit haben, sich also in dem durch Umschluß zugänglichen Bereich (ein abgeriegelter Bereich, innerhalb dessen die Zellen nicht verschlossen sind) bewegen und die verfügbaren Gemeinschaftseinrichtungen (Fernsehen) nutzen können.
3.3.1 Örtlichkeiten
Frauen und Männer werden grundsätzlich in verschiedenen Einrichtungen untergebracht, Jugendliche in Jugendhaftanstalten.
In Bayern hatte ein mutiger Amtsrichter die Abschiebungshaft nur unter der Bedingung verfügt, daß die Familie zusammen inhaftiert wird und anderenfalls die umgehende Entlassung angeordnet und dies mit dem Vorrang der grundrechtlich geschützten Positionen der betroffenen Eltern bzw. Kinder/Jugendlichen begründet. Das Landgericht München II hob den Beschluß umgehend auf.
Werden Familien getrennt, werden die Kinder oft in Heimen untergebracht. Kleinkinder bleiben meist bei der Mutter.
Die Standardunterbringung erfolgt in Gemeinschaftszellen. Im Saarland können die Häftlinge wählen, ob sie Einzel- oder Doppelzellen bevorzugen. Frauen und Jugendlichen kann die „Wunschunterbringung“ immer gewährt werden, den Männern je nach Belegung der Anstalten. In Berlin haben Häftlinge, deren Haftzeit mehr als sechs Monate beträgt, gemäß § 3 III des Gesetzes über den Abschiebungsgewahrsam in Berlin ein Recht darauf, alleine in einem Haftraum untergebracht zu werden.
Meist kümmert man sich jedoch nicht um solche Wünsche (bzw. kann es nicht).
Größe und Einrichtung der Zellen hängen von der Haftanstalt ab. Dort, wo ein Umschluß nicht praktiziert wird, sind in den Hafträumen Toiletten und Waschbecken vorhanden.
Es kommt immer wieder wegen der Überfüllung der Justizvollzugsanstalten und daraus resultierenden Provisorien zu unhaltbaren Zuständen. Ein Beispiel ist die (zwischenzeitlich abgestellte) Unterbringung in Bremen, die das Landgericht in seinem Beschluß vom 05.08.94 als menschenrechtswidrig und unverhältnismäßig kritisiert hatte. Der Betroffene war in einer Zelle mit vier weiteren Häftlingen untergebracht. Diese Zelle war mit fünf Feldbetten sowie weiterem sperrigem Mobiliar ausgestattet. Ihre Grundfläche betrug 2,7 x 7 m, die Zellenhöhe 2,9 m. Waschbecken und Toilette befanden sich ebenfalls in der Zelle. Die Toilette war durch eine kaum Sichtschutz gewährende, brusthohe schmale Blechwand abgetrennt. Die beiden Zellenfenster bestanden jeweils aus 16 Glasbausteinen. Gelüftet wurde die Zelle allein durch zwei aus vier Glasbausteinen bestehenden Kippfensteröffnungen. Ein Luftschacht zum Abzug der von der Toilette ausgehenden Gerüche existierte nicht.
3.3.2 Hygiene
In vielen Zellen sind Waschbecken zu finden, Toiletten sind je nach Organisation der Anstalt in die Zellen integriert. Andernfalls befinden sich Gemeinschaftstoiletten im Trakt. In den meisten Einrichtung können die Häftlinge zweimal in der Woche duschen. Eigene Seife, Shampoo oder ähnliches muß von den Personen selbst gekauft werden. In einer Sendung in Kennzeichen D (ZDF) äußerte sich ein unzufriedener Häftling zu den hygienischen Bedingungen in der Berliner Abschiebungshaft:
„Man wird regelrecht schmutzig gemacht hier in der Kruppstraße. Das geht so: man wird einfach eingesperrt, monatelange, man hat kein Geld, kein Shampoo, keine Zahnbürste, nichts. Man hat nur die Kleidung, die man am Leib trägt. Wie soll man sich da sauber halten!“
3.3.3 Sicherstellen von Besitztum und Habe
Bei der Verhaftung bleibt die persönliche Habe in den Unterkünften und wird dort oft sehr schnell entwendet. Wird sie jedoch von den Beamten sichergestellt, wird sie von der Ausländerbehörde oder der JVA aufbewahrt. Schwierig gestaltet sich dies bei jenen Häftlingen, die schon einen eigenen Haushalt gegründet hatten. Vor der Abschiebung bleibt den Gefangenen wenig Zeit, das Zusammenstellen des Gepäcks zu organisieren. Mitgenommen werden darf soviel Gepäck, wie im Transportmittel der Abschiebung ohne Erschwerung des Abschiebeablaufs möglich ist, bei einer Flugreise beschränkt sich dies auf 20 kg. Nicht immer bleibt bei schneller Abschiebung überhaupt Zeit, Sorge für das Gepäck zu tragen (vgl. Beispiel in Kapitel 3.1).
Manche der Abschiebungshäftlinge sind jedoch auch völlig mittellos. Sie besitzen kaum mehr als das, was sie am Leibe tragen und sind damit sowohl für eine Abschiebung als auch schon für die Haft nicht ausgerüstet.
Aus dem Bericht der Betreuungsgruppe Abschiebungshaft Wuppertal „Endstation Sedansberg“:
„- Kleidung und Habe: Viele Gefangene werden verhaftet, ohne daß sie die Möglichkeit haben, ihre Habe mitzunehmen. Manche Gefangene wurden in Sommerkleidung festgenommen und mußten im Winter im T-Shirt und Jogginghose zum Hofgang, wenn ihnen nicht Mitgefangene Kleidung liehen. Prinzipiell sollen die Haftanstalten Gefängniskleidung bereitstellen. Dieser Verpflichtung kamen einige erst nach verschiedenen Interventionen der Betreuer und Betreuerinnen nach.
Noch schwieriger gestaltete sich die Ausgabe von Kleidung für die Abschiebung an Gefangene, die keine der Jahreszeit entsprechende Kleidung hatten. So sind Gefangene in dünner Sommerkleidung im Winter in die GUS oder nach Rumänien abgeschoben worden. Auch hier mußten die Ehrenamtlichen einerseits direkt für Kleidung sorgen und andererseits massiv darauf dringen, daß von Justizseite aus für entsprechende Kleidung gesorgt wurde.
Die Ausländerbehörden sind verpflichtet, dafür zu sorgen, daß Häftlinge an ihre Habe kommen. Dieser Pflicht kommen sie nur sehr zögerlich nach, sie verweisen auf Personalknappheit und sind nur selten bereit, auch in schwierigeren Fällen tätig zu werden. Andererseits weigern sich auch Haftanstalten, Habe, die ihnen von der Ausländerbehörde überbracht wird, anzunehmen, es wird auf geringe Platzkapazitäten verwiesen. Das, meist geringe, persönliche Eigentum der Gefangenen – darunter manchmal auch persönlich wichtige Dinge wie Photoalbum, Halskette usw. – wird gering geachtet.“
3.3.4 Vermögen
Wenn Gefangene sich Geld zusammengespart haben, wird dies auf einem Konto gutgeschrieben, von dem sich der Häftling regelmäßig Geld abheben kann, um sich Waren des täglichen Bedarfs in der Verkaufsstelle der Haftanstalt zu erwerben. Ist er mittellos, steht ihm in den meisten Bundesländern ein monatliches Taschengeld zu, dessen Höhe jedoch unterschiedlich bemessen wird. Teils erhalten die Abschiebungshäftlinge lediglich ein Taschengeld von circa 40,00 DM (wie Strafgefangene), teilweise erhalten sie ein monatliches Taschengeld nach dem AsylbLG in Höhe von 80,00 DM. Manchmal wird dieses Taschengeld nur für jeden vollen Monat gewährt, manchmal auch anteilig ausbezahlt.
In manchen Ländern erhalten die Gefangenen zum Zeitpunkt der Abschiebung einen kleinen Betrag (um die 50,00 DM) für die Reise, der aber nicht notwendigerweise die Kosten der Weiterreise (Flughafen – Heimatort) deckt. Kritisch wird es dort, wo Schmiergelder vonnöten sind, um gesund nach Hause zu kommen.
„Am 2. Juni 1994 meldeten die ARD-Tagesthemen den Tod von Kuldeep Singh. Er war aus der Abschiebungshaftanstalt Wuppertal nach Neu-Delhi abgeschoben worden.
1991 war er als Asylbewerber nach Niedersachsen gekommen. Als der Asylantrag abgelehnt wurde, kam er nach NRW und lebte dort vom Rosenverkauf.
Am 9.5.94 – einen Tag vor seinem 21. Geburtstag – wurde er bei einer Kontrolle in Langenfeld/Kreis Mettmann verhaftet und in Abschiebungshaft genommen. Am 27.5.94 wurde er nach Indien abgeschoben.
Aus dem Skript des Tagesthemenbeitrags des ARD-Büros Delhi:
„Als Kuldeep Singh Deutschland verließ, war sein Gesundheitszustand in Ordnung. Sagen die Behörden. Auch bei seiner Ankunft in Indien war er gesund. Wissen die Eltern. Und doch hat er die ungewollte Heimkehr keine 48 Stunden überlebt. Zu Tode gefoltert von der Flughafenpolizei – fast unmittelbar nach seiner Ankunft. Ein hier zwar nicht alltäglicher, aber doch öfters vorkommender Fall. Denn Kuldeep wurde in ein Land abgeschoben, das auch für deutsche Behörden nicht als sicheres Herkunftsland gilt. Seine Angehörigen zeigen warum. Elektroschocks und Schläge haben auf dem gesamten Körper unwiderlegbare Spuren hinterlassen. Fingergroße Foltermerkmale lassen auf die Verhörmethoden schließen.“
Die Flughafenpolizei versuchte zuerst von Kuldeep Singh selbst, dann von seinen Eltern, die in Neu-Delhi leben, Geld (ca 400,– DM) zu erpressen. Sie brachten ihn mit deutlichen Spuren von Schlägen zum Haus seiner Eltern und drohten, ihn umzubringen, wenn diese das Geld nicht aufbrächten. Der Vater, ein Taxifahrer, versuchte bei Kollegen und Bekannten das Geld zu beschaffen, konnte aber nur einen Teil zusammenbringen. In der Nacht vom 29. auf den 30. Mai starb Kuldeep Singh. Der Autopsiebericht der indischen Behörden gibt an, er sei an Hitzeschlag verstorben, nicht an seinen Verletzungen. Die Verletzungen selbst werden nicht bestritten. Die indischen Behörden berichteten weiterhin, der Paß Kuldeeps Singhs sei nicht in Ordnung gewesen, es hätten Seiten und ein Ausreisestempel aus Neu-Delhi gefehlt.
Im Abschiebungsgefängnis Wuppertal-Barmen sitzen zur gleichen Zeit sieben Inder – wie Kuldeep Singh Angehörige des Volkes der Sikhs -, die auf ihre Abschiebung warten und sich fürchten.“
Gefangene, die ein gewisses Geldpolster ihr eigen nennen können, müssen selbst die Kosten für die Abschiebung, inklusive anteiliger Verwaltungs- und Haftkosten übernehmen. Hierfür ein Beispiel aus einem Bescheid:
„Nach § 82 I AuslG hat der Ausländer die durch seine Abschiebung entstehenden Kosten zu tragen. Gemäß § 83 I AuslG umfassen die Kosten der Abschiebung
die Beförderungs- und sonstigen Reisekosten für den Ausländer innerhalb des Bundesgebietes und bis zum Zielort außerhalb des Bundesgebietes,
die bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten einschließlich der Kosten für die Abschiebungshaft und der Übersetzungskosten und die Ausgaben für die Unterbringung, Verpflegung und sonstige Versorgung des Ausländers sowie
sämtliche durch eine erforderliche amtliche Begleitung des Ausländers entstehenden Kosten einschließlich der Personalkosten.
Danach wird Ihre Abschiebung voraussichtlich folgende Kosten verursachen:
Haftkosten (38 Tage x 19,00 DM) 684,00 DM
Flugkosten (Düsseldorf – Lagos) 2343,00 DM
Transportkosten
aa) Kosten des Transportes von Siegen nach Meschede
durch die Abh Stadt Siegen – geschätzt – 156,00 DM
bb) Kosten des Transportes zur JVA Wuppertal
Lichtscheidt einschl. der Personalkosten ¼ 153,83 DM
cc) Transportkosten der ZAB Dortmund zum Flug-
hafen Düsseldorf – geschätzt – 140,00 DM
Kosten für die Paßbeschaffung bei Ihrer Botschaft 50,00 DM
Tagegelder 25,00 DM
Personalkosten der ZAB Dortmund – geschätzt – 1100,00 DM
Gesamtbetrag: 4651,83 DM
Die vorstehenden Kostenansätze wurden, soweit sie nicht als Fixkosten feststehen, entsprechend der hier vorliegenden Erkenntnisse und Erfahrungen sorgfältig und gewissenhaft geschätzt.
Eine Zahlungsfrist kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da Sie bereits in den nächsten Tagen abgeschoben werden.
Da eine anderweitige Realisierung meines Anspruches auf Erstattung der Abschiebungskosten nicht erkennbar ist, war die im Tenor des Bescheides angeordnete Sicherheitsleistung erforderlich, um die öffentlichen Haushalte vor finanziellen Schäden zu bewahren.“
Die festgesetzten Kosten werden von den vorhandenen Mitteln abgezogen. Rechtsgrundlage ist § 82 V AuslG.
3.3.5 Betreuung
Die psychische Situation in der Haft ist schwierig. Manche Häftlinge verstehen die Gründe für ihre Inhaftierung nicht, für viele ist sie Demütigung und Grund zur Scham. Angst, was in der Zukunft passieren wird, beschäftigt diejenigen, denen zu Hause Verfolgung droht. Die schon allein aus der Haft resultierende Isolation wird verstärkt durch Kulturunterschiede und sprachliche Barrieren.
„Paul – ich nenne ihn für mich so – schaut mich fragend unverständig an. Wir stehen uns in seiner Gefängniszelle gegenüber. Daß er nicht Deutsch kann, wußte ich bereits. Bei Englisch schüttelt er den Kopf und meine drei Wörter Französisch haben auch keinen Erfolg. Mit Latein, Altgriechisch und Hebräisch, den Theologensprachen, würde ich wohl auch nicht weiterkommen. Da mir aber die Abteilungsbeamten erzählt haben, daß Paul aus Nepal kommt, greife ich schließlich zur Zeichensprache. Die Bewegung des Rauchens versteht er und nickt. Dann schüttelt er den Kopf. Das soll wohl heißen: Ich möchte rauchen, habe aber keinen Tabak. Diesem kleineren Problem kann abgeholfen werden – für den Moment wenigstens. Ich möchte mich erkundigen, ob er weiß, was mit ihm geschieht und warum. Wie fragt man ohne Sprache nach einem Gerichtsbeschluß? Meine Zeichen von Papier und Schreiben kann er nicht deuten. Schließlich frage ich einfach „Nepal?“. Da nickt er. Sein Gesicht bleibt ernst und angespannt. Paul wartet auf die Abschiebung in seine Heimat. Er ist ruhig, „fragt“ nun ab und zu nach Zigaretten und einem Fernseher.
Wie oft wird Nepal angeflogen? Gibt es überhaupt Abschiebungsmöglichkeiten? Wer könnte mit ihm sprechen?
Das nächste Mal sehe ich Paul in die Sprechstunde des Ausländeramtes gehen, die wöchentlich stattfindet. Für seinen ganz speziellen Fall wurde ein Dolmetscher gefunden, der ihm noch einmal sagt, daß er in Abschiebungshaft zuerst auf seine Papiere und dann auf die Abschiebung warten muß. Einmal wurde ihm der Beschluß zur Inhaftierung schon im Gericht übersetzt. Mehr konnte die Behörde nicht für ihn tun.
Pauls Aufenthalt dauert viele Monate. Mit den anderen Gefangenen geht er in die „Freistunde“ auf den Freistundenhof. Dort kann er eineinhalb Stunden um einen fußballfeldgroßen Platz gehen. Manchmal spielt er während der „Aufschlußzeiten“ von 16.00-19.30 Uhr Tischtennis. Das Taschengeld, das die Justizvollzugsanstalt Abschiebungshäftlingen gewährt, wurde für ihn von den Beamten der Abteilung beantragt. Bald konnte er für 45 Mark im Monat dies und das beim Kaufmann erstehen. Er lernte schließlich drei deutsche Wörter, die er am häufigsten brauchte: Tabak, Fernsehen, Einkauf. Ein paar Mal kam er in den Gottesdienst und blieb hinterher beim Kaffeetrinken. Was er wohl über einen deutschen Gottesdienst gedacht hat?
Warten in einem deutschen Gefängnis …
Im November 1994 wurde Paul abgeschoben – in ein anderes Gefängnis. Sicher – er war ein Extremfall. Viele Abschiebungshäftlinge aus Afrika können sich auf Englisch oder Französisch, einige auch auf Deutsch verständigen. Mit den Menschen aus Osteuropa ist es schwieriger, mit denen aus Asien oft aussichtslos, Unterhaltungen zu führen.“
(Martin Hagenmeier, ev.-luth. Pfarramt an der JVA Kiel, Auszug aus einem Text zum Kirchentag in Hamburg)
Der Abschiebungshäftling befindet sich in einer verzweifelten Situation in einer fremden Gesellschaft. Betreuung ist in sozialer, psychologischer und medizinischer Hinsicht dringend notwendig.
Fraglich nur, wer sie übernehmen müßte …
a) Das Wachpersonal
Das Personal in den Justizvollzugsanstalten kann den Problemen der Einzelnen nicht gerecht werden. Schon eine einfache Kommunikation ist dort nicht mehr möglich, wo Französisch und Englisch nicht beherrscht werden. Auch fehlt es dem Bewachungspersonal an Zeit und Ausbildung, um auf ihre Häftlinge eingehen zu können.
„Der Vollzug der Abschiebungshaft in der JVA belastet vor allem die Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes und des Sozialdienstes. Diese Kollegen sehen sich tagtäglich einer hohen Anforderung durch die Gruppe der Abschiebungshäftlinge ausgesetzt. Viele fühlen sich mit diesem Problem alleingelassen und überfordert.“
In Berlin werden Schulungen durchgeführt, damit das Wachpersonal mit den sich aus der Abschiebungshaft ergebenden Problemen besser umzugehen lernt. Doch helfen auch Fortbildungsseminare nicht, wo nicht ausreichend Personal zu Verfügung steht. Nordrhein-Westfalen hat den Weg gewählt, private Wachdienste zusätzlich zum Stammpersonal einzusetzen:
„Justizminister Krumsiek hat sich entschlossen, erstmals ein qualifiziertes privates Bewachungsunternehmen in die Aufgabe einzubinden. Den Bediensteten des Unternehmens werden bestimmte Funktionen nach einer vom Unternehmen erstellten und vom Justizminister gebilligten Dienstanweisung übertragen. Auf dieser Basis werden Vollzugsbedienstete und die Mitarbeiter des privaten Bewachungsunternehmens Hand in Hand zusammenarbeiten.“
Es fragt sich natürlich, ob diese Maßnahme eine Lösung des Problems ist, ob privates Wachpersonal überhaupt durch die kurze, nicht geregelte Ausbildung in der Lage ist, der Situation der Abschiebungshäftlinge gerecht zu werden. Aber dem Justizminister ging es bei seiner Entscheidung nicht unbedingt um die Häftlinge:
„Gegen die Heranziehung von privaten Wachdiensten ist in der Öffentlichkeit bereits Kritik laut geworden. Dabei wurde jedoch nicht gesehen, daß die Finanzlage des Landes dazu zwingt, auch neue Wege zu beschreiten.“
In anderen Bundesländern scheint dieses Beispiel Schule zu machen. Baden-Württemberg erwägt derzeit, ob zukünftig auch private Wachdienste zur Bewachung von Abschiebungshäftlingen eingesetzt werden sollen.
b) Die Ausländerbehörde
Die Ausländerbehörden von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen bieten regelmäßig Sprechstunden für die Häftlinge an. Doch können die angebotenen Sprechzeiten den Bedarf nicht decken. Da keine Dolmetscher zu Verfügung stehen, wird die Kommunikation durch die Sprachbarrieren erschwert. Außerdem vertreten die Ausländerbehörden nicht die Interessen des Ausländers. Ihnen geht es vorallem darum, die Abschiebung möglichst schnell und reibungslos durchzuführen. Sie haben aber kein Interesse, zu versuchen, im Heimatland Kontakte aufzunehmen, um die Rückkehr zu erleichtern. Solche Arbeiten werden in der Regel von ehrenamtlichen Betreuern übernommen.
c) Rechtsbeistand
Die wenigsten Abschiebungshäftlinge können es sich leisten, einen Rechtsanwalt zu bezahlen. Doch wäre schon viel geholfen, verstünden sie den Hintergrund ihrer Haft oder wüßten sie um die Rechtsmittel, die sie in ihrer Situation einlegen könnten. Eine Rechtsberatung wird aber in den Anstalten nicht angeboten (Ausnahme: Nordrhein-Westfalen).
d) Die soziale Betreuung
Die Notwendigkeit sozialer Betreuung ist bekannt.
So heißt es in einer Mitteilung des Berliner Senats über die Verbesserung der Situation der in Abschiebungsgewahrsam genommenen Ausländer:
„Zwischen Abschiebungshaft und anderen Haftarten besteht ein fundamentaler Unterschied. Während bei der Strafhaft die Resozialisierung angestrebt wird, ist das Ziel der Abschiebungshaft die zügige und sichere Abschiebung. Deshalb muß es für beide Haftformen auch verschiedene Betreuungs- und Beschäftigungsangebote geben.
Allgemeingültig (also auch für Abschiebungshäftlinge) ist festzustellen, daß:
die Inhaftierung von nahezu jedem Menschen als Schock erlebt wird,
die Häftlinge sich – zumindest bei erstmaliger Inhaftierung – in der Anstalt zunächst nicht orientieren können,
sie schlagartig von ihrem gesamten bisherigen Umfeld isoliert sind,
sie auf wenige Verhaltensmöglichkeiten eingeengt sind und
alltägliche Angelegenheiten nicht mehr regeln können,
aus dieser Situation oftmals psychische und physische Schwierigkeiten entstehen.
Besteht – wie bei der Abschiebungs- und U-Haft – Ungewißheit über Dauer und Ausgang der Inhaftierung, ist dies ein zusätzlicher Streßfaktor. Bei Ausländern kommen Verständigungsschwierigkeiten hinzu.
Das Bewachungspersonal wird auch nach zusätzlicher Schulung weder befähigt noch in der Lage sein, den Häftlingen bei der Bewältigung dieser Haftprobleme ausreichende Unterstützung zu geben. Deshalb wird der kurzfristige Einsatz eines Sozialarbeiters vorgesehen.
Aufgaben:
Ein Sozialarbeiter im Abschiebungsgewahrsam soll insbesondere folgende Aufgaben wahrnehmen:
Orientierungshilfe bei Aufnahme im Abschiebungsgewahrsam (Erstgespräche),
Unterstützung zur Herstellung von Kontakten zur Außenwelt (Familie, Freunde, Vermieter, Arbeitgeber, Botschaften usw.),
Einschätzung der Suizidgefährdung,
Beratung bei persönlichen Problemen,
Betreuung von bestimmten Personengruppen, wie z.B. Schwerbehinderten, Minderjährigen, besonders isolierten oder psychisch labilen Häftlingen, Langzeithäftlingen,
Unterstützung bei der Bewältigung von Alltagsaufgaben (z.B. Haushalts-, Kontoauflösung),
Beruhigung in Krisensituationen (z.B. bei aggressivem Verhalten, Ankündigung von Selbstmordabsichten),
Suche nach geeigneten Beschäftigungsmöglichkeiten (Gruppen- und Einzelbeschäftigungen) für die Häftlinge im Abschiebungsgewahrsam und Einleitung entsprechender Maßnahmen (z. B. Aufbau einer Bibliothek, Spielesammlung),
Informationsaustausch mit Bewachungspersonal und LEA-Beratern.
Beschäftigungsmöglichkeiten:
Der Mensch in Haft ist auf wenige Verhaltensmöglichkeiten eingeschränkt. Durch das Angebot geeigneter Beschäftigungsmöglichkeiten sollen negative Haftwirkungen gemildert werden.
Bei der Überlegung, welche Beschäftigungen den Abschiebungshäftlingen ermöglicht werden können, dürfen Sicherheitsaspekte nicht vernachlässigt werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß durch mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten auch Sicherheitsrisiken entstehen, z.B. wenn die Häftlinge die Einschränkungen als Schikane empfinden und darauf mit gesteigerter Aggressivität reagieren.
Sozialarbeiter aus Justizvollzugsanstalten berichten, daß bei den geringen Beschäftigungsmöglichkeiten für die Häftlinge in früheren Zeiten wesentlich häufiger Probleme durch aggressive Verhalten der Häftlinge (z.B. Sachbeschädigung) aufgetreten sind.
Es wird eine Aufgabe des Sozialarbeiters sein, unter Berücksichtigung der räumlichen Bedingungen und der Sicherheitsaspekte nach geeigneten Beschäftigungsmöglichkeiten zu suchen und für ihre Umsetzung zu sorgen.“
Eine soziale Betreuung findet kaum statt, obwohl ihre Notwendigkeit nicht nur in Berlin bekannt ist. Selbst in Berlin kümmern sich nur zwei Sozialarbeiter um die gesamte Abschiebungshaftanstalt Köpenick mit einer Kapazität von 364 Plätzen. Zwar arbeiten sie mit drei Seelsorgern zusammen, doch werden sie auch bei selbstlosem Engagement nur einem geringen Teil der Häftlinge gerecht werden können. In Baden-Württemberg wird die soziale Betreuung ausschließlich von den beiden großen Kirchen mit Hilfe von ehren- und hauptamtlichen Seelsorgern bestritten. Rheinland Pfalz hat besonders gute Erfahrung mit dem Einsatz von Wohlfahrtsverbänden gemacht, so daß von staatlicher Seite nur ein Betreuer gestellt wird. In Ländern wie dem Saarland oder Bayern, wo die Abschiebungshäftlinge völlig in den normalen Vollzug integriert sind, wird die Betreuung von den für die Strafgefangenen verantwortlichen Sozialarbeitern übernommen.
Ohne das Engagement von Ehrenamtlichen erführen viele Abschiebungshäftlinge keinen Beistand. Mit viel Zeitaufwand und Geduld versuchen diese, dem Ausländer die Situation, in der er sich befindet, zu erklären, ihn bei der Beschaffung von Papieren zu unterstützen und eventuell auch rechtliche Wege gegen die Haft und die Abschiebung zu zeigen. Aus dem Bericht der Betreuungsgruppe Abschiebungshaft Wuppertal:
„Beratung in der Haft: ein Gefangener wird in die Besucherzelle gebracht, vielleicht muß noch ein zweiter zum Übersetzen geholt werden. Er will wissen, warum er in Haft ist, ob er eine Chance hat, wieder herauszukommen. Er erzählt seine Geschichte, will uns überzeugen, warum er nicht zurückkehren kann. Man spürt die Hoffnung, daß wir uns, wenn wir ihm denn nur glauben, auch wirklich einsetzen werden und etwas für ihn erreichen können. Er bittet, für ihn zu erledigen, was er wegen der Verhaftung nicht mehr selbst tun konnte. Er klagt an, wie es denn möglich sei in einem demokratischen Land, daß er im Gefängnis ist.
Wir haben – als Ehrenamtliche – jetzt höchstens eine Stunde Zeit, in der wir alle wichtigen Fragen klären müssen, ein nächster Besuch ist vielleicht erst in einer Woche möglich. Schon die Klärung des Verfahrens, an dessen vorläufigen Ende die Haft steht, ist schwierig: Papiere fehlen oft; Verwaltungsvorgänge konnte kaum einer durchschauen; Zuständigkeiten sind unklar; die Versuche, durch Orts- und Namenswechsel der drohenden Abschiebung zu entgehen, komplizieren die Rekonstruktion. Die Entscheidung, ob und was getan werden muß – Haftbeschwerde? Folgeantrag? Rechtsanwalt? Paß suchen? Einstweilige Anordnung? mit dem Ausländeramt verhandeln? Wiedereinsetzung beantragen? Petition? Haftfähigkeit infrage stellen? …? – ist eine Aufgabe mit vielen Unbekannten, sie muß unter Zeitdruck getroffen werden, dabei geht es um existentielle Fragen.
Mit einigen Gefangenen, die länger einsitzen, entstehen engere Kontakte, es kommt zu persönlichen Gesprächen, wir erfahren etwas über ihr Schicksal, ihre Hoffnungen und Ängste, die Versuche, ihre Probleme zu bewältigen und ihre Gefühle, in der Haft ihr Scheitern zu erleben. In den Bescheiden der Behörden und Gerichte wird das wirkliche Erleben der Gefangenen oft zur Unkenntlichkeit verzerrt. Ihr Leben wird zum Tatbestand. Für Verwaltung, Gerichte – und Öffentlichkeit – wird das Umgehen damit so leichter zu handhaben. Aber die Gefangenen erkennen sich selbst darin nicht wieder.
Unsere Eindrücke bleiben oft lückenhaft. Kontakte brechen ab durch Abschiebung, Verlegung, Entlassung. Oft fehlt die Rückmeldung, welche Interventionen richtig waren, welche vergeblich. Wir erfahren nur selten, was mit den Menschen nach der Abschiebung passiert. Das bleibt menschlich unbefriedigend und belastend.“
Leider gibt es in den wenigsten Ländern solche Betreuergruppen.
e) medizinische und psychologische Betreuung
Häftlinge, die krank werden, können sich an den Sanitätsdienst des Gefängnisses wenden, der gegebenenfalls einen Arzt hinzuruft oder an ein Krankenhaus überweist. Die Möglichkeit, sich den behandelnden Arzt aussuchen zu dürfen, besteht nicht. Oft wird berichtet, daß die Häftlinge kein Vertrauen zu der medizinischen Versorgung haben.
Nicht in allen Anstalten wird eine Eingangsuntersuchung durchgeführt, die zur Feststellung der Haftfähigkeit aber notwendig wäre. Doch selbst mit Eingangsuntersuchung gibt es immer wieder Häftlinge, die dem Druck des Gefängnisalltages nicht standhalten können. Diese bedürften dann einer psychologischen Betreuung, die sie meist nicht erhalten.
Depressionen und suizidale Tendenzen werden unter solchen Umständen oft nicht erkannt, was die Zahl der Selbsttötungen in den Abschiebungshaftanstalten erklärt.
3.4 Die Interessen der Häftlinge
Jede Besonderheit im Häftlingsalltag muß offiziell beantragt werden, sei es die Organisation einer Gemeinschaftsaktivität, die Verlängerung der Fernsehzeit wegen eines überlangen Films oder die Erfüllung individueller Wünsche wie die nach einem besonderen Pflegemittel. Schon zur Durchsetzung kleinerer Wünsche bedarf es also eines großen Einsatzes. Die Abschiebungshäftlinge bräuchten aber gerade auch für die Belange, die über den Haftalltag hinaus gehen, die Möglichkeit, ihre Interessen zu vertreten. Diese wird ihnen nicht gegeben. Sie dürfen kein Organ bilden, durch das sie ihre Interessen artikulieren könnten. Die Abschiebungshäftlinge versuchen trotzdem, ihren Protest und Widerstand zum Ausdruck zu bringen. Ohne ein offizielles Sprachrohr sieht dies oftmals so aus:
4. Frauen und Minderjährige in der Haft
Bei den Abschiebungshäftlingen handelt es sich größtenteils um Männer zwischen 20 und 40 Jahren, meist Anfang zwanzig. Der Frauenanteil beträgt bis zehn Prozent. Der geringe Frauenanteil erklärt sich dadurch, daß schon unter den in Deutschland ankommenden Flüchtlingen der Anteil der Männer stark überwiegt. Hinzu kommt, daß man bei Familien gelegentlich darauf verzichtet, alle Familienmitglieder in Haft zu nehmen und sich auf ein Elternteil beschränkt, wobei aus organisatorischen Überlegungen (Unterbringung eines männlichen Häftlings ist einfacher; Versorgung der Kinder) oft die Wahl auf den Mann fällt.
Viele der in Abschiebungshaft einsitzenden Frauen kommen aus dem Bereich der (Zwangs?)Prostitution. Auf Behördenseite neigt man daher zu Verallgemeinerung und übersieht den individuellen Hintergrund der einzelnen Frauen. Die meisten Frauen sind noch sehr jung, zwischen 18 und 28 Jahren alt. Typischerweise ist bei diesen Frauen ein starkes Schuld- und Schamgefühl zu finden. Dies allerdings nicht nur wegen der Tatsache, im Gefängnis sitzen zu müssen, sondern auch wegen des Erlebten. Sie fühlen sich verantwortlich dafür, gutgläubig einem Schlepper gefolgt zu sein, der eine gutbezahlte Arbeit versprochen hatte. Sie müssen im Gefängnis mit den psychischen Schäden alleine fertig werden und verspüren oft Scham, ihrer Familie gegenüber zu treten.
Da der Anteil der Frauen unter den Abschiebungshäftlingen so gering ist, werden sie in den normalen Vollzug integriert und erhalten daher keinen der Vorteile, der ihnen ihrem Status als Zivilhäftlinge nach eigentlich zustände.
Die Inhaftierung von Hochschwangeren wird in allen Ländern vermieden.
Auch bei Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren wird die Inhaftnahme vermieden, kommt jedoch vor. Sie wird für rechtmäßig gehalten, obwohl sie mit der UN-Kinderkonvention (Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20.11.89; BGBl. 1992, II, S. 122) wohl kaum in Einklang steht. Zur Rechtfertigung dient, daß die Bundesregierung bei der Hinterlegung erklärt hat, „daß das Übereinkommen innerstaatlich keine unmittelbare Anwendung findet“, sondern hierdurch völkerrechtliche Staatenverpflichtungen begründet würden, „die die Bundesrepublik nach näherer Bestimmung ihres mit dem Übereinkommen übereinstimmenden innerstaatlichen Rechtes erfüllt“.
Man kann darüber streiten, ob der Erklärungsvorbehalt wirksam ist oder nicht. Kaum darüber streiten kann man jedoch, daß jedenfalls die Praxis der Abschiebungshaft an Kindern im Sinne der Konvention in Deutschland nicht den Bestimmungen der Kinderkonvention genügt, auch wenn die Abschiebungshaft an Kindern unter 14 Jahren in Kinder- und Jugendheimen vollzogen wird und an Jugendlichen und Heranwachsenden zwischen 14 und 18 Jahren in Jugend-Vollzugsanstalten. Regelmäßig liegt ein Verstoß gegen Art. 9 der Kinderkonvention vor. Wesentliche andere Rechte, beispielsweise aus Art. 12 ff. KK sind regelmäßig erheblich eingeschränkt. Der Fürsorgepflicht aus Art. 20 I KK wird nicht Genüge getan!
5. Der Tod in der Abschiebungshaft
Seit Inkrafttreten des neuen Asylrechtes im Jahre 1993 kamen mindestens 14 Menschen (nach Angaben von Pro Asyl) in Abschiebungshaft ums Leben. Der Bundesjustitzminister zählt in seinem Situationsbericht vom 08.10.96 seit 1992 insgesamt 18 Fälle von Selbsttötungen. Eine – so sehen dies auch die Verantwortlichen für die Haft – erschreckende Bilanz. Auch wenn diese Selbsttötungen natürlich in vielen Fällen ihren ersten Grund in der Psyche der Menschen hatten, also einer psychischen Erkrankung oder zumindest depressiven Struktur, ihren zweiten Grund möglicherweise in persönlichen Problemen und Schwierigkeiten, die sie bedrängten und für die sie keine Lösung sahen, ist der dritte und die Selbsttötung dann auslösende Grund in allen Fällen wohl die Abschiebungshaft gewesen. Da jeder Freiheitsentzug schon für sich genommen eine Unmenschlichkeit darstellt und einen psychisch labilen Menschen aus der Bahn werfen kann, ist eine strafrechtliche Verantwortlichkeit in Form einer unterlassenen Hilfeleistung oder gar einer Tötung durch Unterlassen seitens der Vollzugsorgane oder der die Abschiebungshaft anordnenden Individuen nur selten gegeben und bislang in keinem einzigen Falle ausgesprochen worden.
Gleichwohl ist in vielen Fällen eine moralische Verantwortlichkeit zu bejahen. Der Grund liegt schon darin, daß eine gründliche Eingangsuntersuchung keineswegs selbstverständlich ist und in vielen Fällen unterbleibt. Findet sie statt, spielt die psychische Befindlichkeit keine entscheidende Rolle. Depressionen werden nur allzu leicht als zweckgerichtete Niedergeschlagenheit verharmlost.
Diese Nachlässigkeit setzt sich in der mangelhaften Beobachtung und Betreuung fort. Obwohl jeder kleine Regelverstoß eines Gefangenen während der Haft zu einem Rapport und einer verschärften Beobachtung führt, wird eine apathische Niedergeschlagenheit bei einem Abschiebungshäftling oftmals als normal angesehen. Ein solcher Häftling macht – im Gegensatz zum randalierenden – kein Problem.
Die Überforderung der Beamten durch eine mangelnde Ausbildung und eine Überbelegung der Haftanstalten begünstigt eine solche Haltung. Wenn, wie vielerorts, keine oder keine ausreichende Betreuung durch Sozialarbeiter oder Seelsorger erfolgt, können sich die vorhandene Struktur, die mitgebrachten Probleme und das Erlebnis der Hoffnungslosigkeit in der Abschiebungshaft zu einem unentwirrbaren Knäuel verknüpfen, aus dem der alleingelassene Einzelne nur noch den Weg in den Freitod findet.
Einer der letzten Fälle eines Abschiebungshäftlings, der zu Tode kam, ist hierfür ein Beispiel. Er sei daher geschildert. Juri Palienko, ein ukrainischer Asylbewerber, war im September 1990 nach Deutschland eingereist. Sein Asylantrag wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Er sollte deshalb bereits im Sommer 1995 ausreisen, doch hinderte eine Erkrankung und ein Folgeantrag dies. Herr Palienko litt an schweren Depressionen, befand sich ab Frühjahr 1996 in laufender fachärztlicher Behandlung und war kurzzeitig auch stationär untergebracht. Er nahm laufend Psychopharmaka.
Nachdem aufgrund einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 10.06.96 sein Aufenthaltsbegehren endgültig abgelehnt war, folgte Herr Palienko der Aufforderung des Landratsamtes Erding, sich beim Ukrainischen Konsulat ein Rückreisezertifikat zu besorgen und übergab das am 18.06.96 ausgestellte und bis 18.09.96 gültige Heimreisepapier dem Landratsamt. Daraufhin erhielt er eine Grenzübertrittsbescheinigung, die bis 30.08.96 gültig war. Er erklärte, daß er Anfang Juli ausreisen werde und hierzu von seiner Tochter bzw. deren Freund abgeholt werde. Der Anwalt bekräftigte in einem Schreiben die Ausreisewilligkeit und erklärte, er und sein Mandant gingen davon aus, daß die freiwillige Ausreise bis 30.08.96 möglich sei. Eine Antwort erhielt er nicht. Am Morgen des 09.07.96 wurde Herr Palienko in seiner Wohnung festgenommen und sogleich inhaftiert. Im Nebenzimmer befanden sich die Freunde der Tochter aus der Ukraine, die angereist waren, um sein Hab und Gut einzupacken und ihn nach Hause zu begleiten, weil er selbst infolge seiner Krankheit außerstande war, den weiten Weg alleine zu bewältigen.
Herr Palienko wurde in die JVA Erding verbracht. Seine Medikamente konnte er in der hektischen Verhaftungssituation nicht mitnehmen. In der JVA wurde er nicht ärztlich behandelt. Mehrere Freunde und Bekannten wiesen die JVA darauf hin, daß Herr Palienko psychisch krank sei und einer Behandlung bedürfe: „Er gehört ins Krankenhaus und nicht in ein Gefängnis.“ Obwohl eine Besucherin zwei Beamte davon unterrichtete, daß er anläßlich des Besuches Selbstmordabsichten geäußert habe und nach einer Schere verlangt habe, wurde dies nicht beachtet. Weder erfolgte eine ärztliche oder psychologische Untersuchung, geschweige denn eine besondere Betreuung. Nicht einmal eine Überwachung wurde angeordnet. Selbst ein Häftling fand die Situation unerträglich und rief einen Bekannten an: Er könne es nicht mit ansehen, wie Herr Palienko zugrunde gehe.
Am 13.07.96 brachte sich Juri Palienko durch Erhängen mit seinem Gürtel ums Leben. Nicht einmal den hatte man ihm abgenommen.
Der zynische Kommentar des für die Abschiebungshaft zuständigen Leitenden Regierungsdirektors Arnolf Egner lautete nach einer Meldung der Süddeutschen Zeitung vom 23.08.96:
„Auch der Gürtel hätte keine spezielle Gefährdung dargestellt. Zum einen könne man die Häftlinge ja nicht in ‚Papierhöschen‘ rumlaufen lassen, zum anderen hätte der Ukrainer anstelle des Gürtels genausogut ein Bettuch zusammenrollen können.“
Die Tochter des Verstorbenen hat Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung und Tötung durch Unterlassen gestellt.
Pro Asyl macht die in der folgenden Auflistung aufgezeigten Suizidfälle von Oktober 1993 bis August 1996 namhaft.
Liste der Suizide
6. Beendigung der Haft
6.1 Beendigung der Haft ohne Abschiebung
Eine erhebliche Zahl von Abschiebungshäftlingen wird wieder freigelassen, ohne daß es zur Abschiebung kommt. Ein genauer Prozentsatz läßt sich nicht angeben, weil die Länder hierüber meist keine Statistiken führen. Wo Zahlenmaterial vorliegt, ist dieses unpräzise. Thüringen beispielsweise teilt in einer Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage mit, 1993 seien 70 von den 384 Abschiebungsgefangenen wieder freigelassen worden und 294 abgeschoben worden. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg antwortet auf eine Anfrage es sei lediglich bekannt, daß aus der Anstalt I (Suhrenkamp) zwischen Juli und Dezember 1993 121 Abschiebungshaftgefangene, aus der Anstalt III (Glasmoor) zwischen 14.12.93 und 30.09.94 73 Abschiebungshaftgefangene ohne nachfolgende Abschiebung entlassen wurden. In Hessen wurden 1994 von 1.463 Abschiebungshäftlingen 964 abgeschoben und 274 entlassen. Da für die Zeiträume konkrete Bezugszahlen fehlen, läßt sich eine prozentuale Quote nicht erstellen.
Als Gründe für die Beendigung der Abschiebungshaft ohne Abschiebung benennt die Anfrage der Landesregierung Thüringen:
Aufhebung des gerichtlichen Beschlusses (53 Personen von 70)
Ablauf der im gerichtlichen Beschluß genannten Frist (12 Personen von 70)
sonstige nicht bekannte Gründe (5 Personen von 70).
Der Hamburger Senat führt als Entlassungsgründe an:
Stellung eines Asylantrages aus der Abschiebungshaft;
Stellung eines Asylfolgeantrages, wenn das Bundesamt ein weiteres Asylverfahren durchführt;
Änderung der Sachlage dahingehend, daß nicht nur vorübergehende tatsächliche oder rechtliche Abschiebungshindernisse eingetreten sind;
Rücknahme von Amtshilfeersuchen auswärtiger Ausländerbehörden;
Ablehnung von Anträgen auf Verlängerung von Abschiebungshaft;
Verbringung in ein anderes Bundesland;
Hinzu kamen Fälle, in denen das Zielland die Aufnahme des Abzuschiebenden verweigert hat und Personen mit ungeklärter und auf längere Zeit unklärbarer Staatsangehörigkeit.
Gleich, ob man unter Zugrundelegung dieser Zahlen von gut 20 % ausgeht, oder, wie Praktiker meinen, von gut 40 % Fällen, in denen Abschiebungshaft nicht durch die Abschiebung, sondern durch Freilassung beendet wird: beide Zahlen machen deutlich, daß ein erheblicher Prozentsatz der Abschiebungshäftlinge zu Unrecht inhaftiert ist.
6.2 Die Abschiebung
Die Abschiebung selbst wird in den meisten Bundesländern durch eine zentrale Abschiebestelle durchgeführt. Lediglich in Bayern initiieren die einzelnen Ausländerbehörden den Vollzug der Abschiebung, die jedoch technisch vom Grenzschutz durchgeführt wird.
Im Falle einer Landabschiebung werden die Häftlinge, teils im Einzeltransport, manchmal auch in Sammeltransporten, zu den Grenzstationen verbracht und dort der Nachbar-Polizei überstellt. Die Luftabschiebung wird vom Bundesgrenzschutz mit deutschen und ausländischen Linien- und Charterfluggesellschaften durchgeführt. Seit 1993 fanden folgende Luftabschiebungen statt:
Flughafen 1993 1994 1995
Berlin-Schönefeld 8.837 7.842 6.943
Berlin-Tegel 207 430 349
Berlin-Tempelhof 43 51 75
Bremen 584 641 603
Düsseldorf 7.768 10.467 6.723
Erfurt 0 10 0
Frankfurt/M. 14.399 11.372 8.215
Hamburg 2.132 2.341 2.085
Hannover 2.036 3.266 632
Köln/ Bonn 216 505 265
Leipzig 15 34 2
München 1.615 5.368 2.955
Nürnberg 15 19 33
Stuttgart 1.163 1.720 1.372
Gesamt 39.030 44.066 30.252
Kommt es zu Widerstandshandlungen, werden diese vom Bundesgrenzschutz unter Verwendung von „Leibfesseln, Handschellen, Klettbändern und Plastikhandfesseln“ unterbunden. Früher kam es auch zu Knebelungen der Abschiebungshäftlinge. Am 30.08.94 sollte der nigerianische Staatsangehörige Kola Bankole vom Flughafen Frankfurt/Main aus abgeschoben werden. Er war mit zahlreichen Fesseln, einschnürendem Brustgurt und bäuchlings überkreuzten Armen an einen Flugsitz geknebelt. Nach heftigem Kampf wurde bei ihm ein Knebel eingesetzt. Ihm wurden psychopharmakologische Medikamente injiziert. Bankole starb bei der Abschiebung. Aufgrund dieses Vorfalles erging am 11.11.94 eine Weisung, daß der BGS Knebelungen zu unterlassen habe. Zu einem Verbot der Verabreichung von Beruhigungsmitteln konnte sich die Bundesregierung jedoch nicht durchringen. In der Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke vom 15.03.96 (Drs. 13/4145) wird jede Stellungnahme unter Hinweis auf die laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen verweigert, in der Antwort der Bundesregierung vom 01.04.96 heißt es ausweichend, es würden keine Medikamente „zu Abschiebungszwecken verabreicht“ und im übrigen sei die Verabreichung von sedierenden bzw. psychopharmakologischen Medikamenten weder im UZwG noch in den Verwaltungsvorschriften des BGS geregelt. Der Hinweis auf die ärztliche Verantwortung bei der Vergabe von Medikamenten legt nahe, daß auch künftig Beruhigungsmittel während einer Abschiebung zum Einsatz gebracht werden sollen – wenn auch von einem Arzt verabreicht.
Aber auch ohne den Einsatz von Psychopharmaka sind die Umstände, unter denen während der Abschiebung Widerstand gebrochen wird, mehr als fraglich. In ihrer Anfrage an die Bundesregierung schildert die Abgeordnete Ulla Jelpke diese Umstände wie folgt:
„Das Antirassismusbüro Bremen dokumentierte Ende des vergangenen Jahres den Fall des 25jährigen algerischen Staatsangehörigen Abdelouahab H. Zum Zwecke des Vollzugs der Abschiebung wurden ihm im November 1995 „die Hände auf den Rücken gebunden, während ihm ein BGS-Beamter ein Klebeband von den Füßen bis zum Hals wickelte: H. konnte sich nicht mehr bewegen, er war verschnürt wie ein Paket. Etwa 15 bis 2O Abschiebungshäftlingen ging es genauso“. Damit H. nicht auf die Toilette gehen müsse, habe er vor seiner Abfahrt aus Bremen stundenlang nichts mehr zu essen oder zu trinken erhalten.
Der leitende Polizeidirektor beim Grenzschutzamt Frankfurt/M. bestätigte gegenüber der „Frankfurter Rundschau“, daß der BGS abzuschiebenden Asylbewerbern „in Einzelfällen“ nicht nur die Hände hinter dem Rücken zusammenbinde, sondern auch ihre Beine von den Fußknöcheln bis zu den Knien mit „Klebebändern“ umwickeln würde. Zum Schutz der Haut werde Paketpapier untergelegt. Die bewegungsunfähigen Menschen würden dann von Beamten ins Flugzeug getragen. (FR, 29. November 1995)
In einem im Hessischen Rundfunk im Herbst 1994 ausgestrahlten Interview gab ein im April desselben Jahres auf der Strecke Frankfurt/M. – Lagos eingesetzter Lufthansa-Kapitän folgendes über die Abschiebung eines nigerianischen Staatsangehörigen an: Bei mir erschienen zwei Stewardessen (…) und zeigten sich völlig schockiert. Eine Stewardeß weinte große Tränen und schluchzte nur, sie könne es sich nicht mehr mit ansehen was auf der Treppe vor der hinteren Tür geschehe(…) (Da lag ein Nigerianer in Rückenlage, die Hände auf dem Rücken gefesselt, die Augen weit aufgerissen, die Hose durch das Handgemenge tief heruntergezogen. Ein BGS-Beamter mit dem Knie auf der Brust des Nigerianers war damit beschäftigt, den hilflosen Mann mit einem Klebeband einzuwickeln. Die Nasenlöcher des Mannes waren gerade noch frei zum Luftschnaufen. Blut am Klebeband. Auch die Beine wurden mit Tape umwickelt, Oberschenkel, die Füße und nochmals von oben nach unten, wie eine Rolle Teppichboden für den Transport fertiggemacht. Auf meine Frage, was das alles werden solle, entgegnete der BGS-Mann: „Wer Widerstand leistet, fliegt halt so mit“.
In einem am 30. März 1995 im Norddeutschen Rundfunk ausgestrahlten Beitrag berichtete ein Lufthansa-Kapitän: „Also fesseln geht nicht, weil das gegen sämtliche Sicherheitsbestimmungen an Bord verstoßen würde (…). Ich habe gesagt: Wenn er sich vehement gegen seine Abschiebung wehrt, kann er nicht mitgenommen werden. Das verbieten unsere Bestimmungen (…). Bei mir an Bord wird grundsätzlich niemand gefesselt, niemand geknebelt. Das gibt es überhaupt nicht, ich habe es bisher immer abgelehnt. Aus anderen Berichten weiß man, daß sie zum Teil wie Pakete verschnürt werden. Es gibt zumindest einen Fall, der mir sehr deutlich geschildert wurde. Daß ihm der Mund verklebt wurde, nachdem vorher etwas hineingesteckt wurde (…). Auch die Nasenlöcher werden zum Teil verklebt, nur noch kurze Luftöffnungen werden freigelassen und auch an Händen und Beinen so verschnürt, daß er eigentlich völlig bewegungsunfähig ist. Also eine Kollegin sprach von einem Teppichpaket.“
Damit kein falscher Eindruck entsteht: nicht jede Luftabschiebung findet in dieser oder ähnlicher Weise statt. Zu solchen Exzessen kommt es nur dann, wenn Widerstand tatsächlich oder vermeintlich zu brechen ist. In diesen Fällen findet eine sogenannte „begleitete Abschiebung“ statt. Im Jahre 1995 war dies bei 3.854 Abschiebungen (= 12,74 %) von insgesamt 30.252 Luftabschiebungen der Fall. Die Begleitung erfolgt regelmäßig durch zwei BGS-Beamte, die gegebenenfalls (bei Gefahr einer „Selbst- oder Fremdgefährdung“) noch durch einen Arzt ergänzt wurde.
Trotz dieses massiven Personaleinsatzes ist nicht stets gewährleistet, daß die Zielstaaten eine Einreise gestatten. In etlichen Fällen mußten die BGS-Beamten mit den Abschiebungshäftlingen unverrichteter Dinge wieder zurückfliegen.
7. Fazit
7.1 Überlegungen
7.1.1 Jede Freiheitsentziehung ist ein Übel, das von einer zivilisierten Gesellschaft nur dann zum Einsatz gebracht werden darf, wenn andere Mittel versagt haben oder nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Praxis der Verhängung von Abschiebungshaft in Deutschland wird diesem Grundsatz nicht gerecht. Es wird viel zu schnell und viel zu leicht Abschiebungshaft verhängt. Manche Ausländerbehörden, manche Länder, versuchen nicht nachhaltig genug, die Betroffenen zur freiwilligen Einhaltung ihrer Ausreisepflicht anzuhalten. Im Gegenteil: nach wie vor glauben manche Stellen, es sei richtig, durch eine überraschende Inhaftierung den Vollzug der Ausreise sicherzustellen.
7.1.2 Vielfach wird die Abschiebungshaft leichtfertig verhängt.
Vielfach kommt es zu leicht und zu schnell zu Anträgen auf Abschiebungshaft. Oft findet durch die Richter eine gründliche Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Abschiebungshaft nicht statt.
7.1.3 Die Haftbedingungen genügen in vielen Ländern nicht rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Mindeststandards. Dabei ist zu beachten, daß die Abschiebungshaft keinen Sanktionscharakter hat. Einziger Haftzweck ist es, sicherzustellen, daß die Betreffenden für die Abschiebung bereit stehen. Dieser Haftzweck rechtfertigt regelmäßig keinerlei Beschränkungen, die über den bloßen Freiheitsentzug hinausgehen. Briefzensur, Einschränkung des Besuchsverkehrs und sonstigen Kontaktes zur Außenwelt, die Unterwerfung unter eine rigide Anstaltsordnung (auch in zeitlicher Hinsicht) etc. sind von dem Zweck der Abschiebungshaft nicht gedeckt und unzulässig. Allenfalls dann, wenn im Einzelfalle Sicherheitsgründe konkret existieren, wäre die eine oder andere derartige Beschränkung rechtlich zulässig.
7.1.4 Die Inhaftierung verlangt eine umfassende soziale Betreuung, die gegenwärtig nicht gewährleistet ist. Die bekanntgewordenen Todesfälle sind auch durch die mangelnde Betreuung mitverursacht.
7.1.5 Die Haftdauer ist vielfach zu lang. Dem Beschleunigungsgebot wird nicht hinreichend Rechnung getragen. Nach wie vor wird Abschiebungshaft angeordnet bzw. verlängert, obwohl es völlig ungewiß ist, ob bzw. wann und wohin eine Abschiebung stattfinden kann.
7.1.6 Ein effektiver Rechtsschutz ist nicht gewährleistet.
In der Praxis scheitert das Gebot der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schon daran, daß die Abschiebungshäftlinge weitgehend nicht anwaltlich vertreten und nicht genügend informiert sind. Darüber hinaus werden Abschiebungshaftsachen teilweise von den Gerichten nicht mit der gebotenen Sorgfalt und regelmäßig nicht mit der gebotenen Dringlichkeit bearbeitet. Wenn Haftbeschwerden mehrere Monate anhängig sind und der Betreffende in dieser Zeit inhaftiert bleibt oder schon vor der Beschwerdeentscheidung abgeschoben wird, stellt dies keinen effektiven Rechtsschutz dar.
7.2 Forderungen
Die Abschiebungshaft ist seit Jahren zu Recht in der öffentlichen Kritik. Vielfach wurden Forderungen und Empfehlungen aufgestellt, deren wichtigste nachstehend dokumentiert werden.
Die wichtigsten Forderungen sind:
Keine Inhaftierung von Kindern und Jugendlichen!
Keine Inhaftierung von Alten, Kranken, Schwangeren, stillenden Müttern oder Müttern von Kleinkindern!
Information und Orientierungshilfe für die Festgenommenen durch sprachkundige Personen!
Gewährung effektiven Rechtsschutzes durch Stellung eines Rechtsanwaltes!
Volle richterliche Überprüfung der Haftgründe!
Soziale Betreuung in der Haft!
Die Haftbedingungen müssen so freizügig wie irgend möglich gestaltet werden!
Hierzu bedarf es einer bundesgesetzlichen Regelung der Haftbedingungen!
Die Höchstdauer der Abschiebungshaft muß deutlich reduziert werden!