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Abschiebungshaft in Deutschland

POSITIONEN

EUROPÄISCHER FLÜCHTLINGSRAT (ECRE)

Stellungnahme zur Inhaftierung von Asylsuchenden

Die wichtigsten Empfehlungen (Kurzfassung)

  1. Der Europäische Flüchlingsrat (ECRE) unterstützt die wohlerwogenen Positionen des UN-Hochkommissariates für Flüchtlinge und anderer Menschenrechtsorganisationen, wonach Asylsuchende generell nicht inhaftiert werden sollen. Inhaftierungen darf es nur in Ausnahmefällen in Verbindung mit allen verfahrensrechtlichen Absicherungen geben.
  2. Die in den nationalen Gesetzen enthaltenen Haftgründe sollen u.a. der Tatsache Rechnung tragen, daß illegale Einreise in einen europäischen Staat allein nicht als Begründung für eine Inhaftierung von Asylsuchenden akzeptiert werden kann.
  3. Anderweitige Maßnahmen ohne Freiheitsentzug wie etwa Meldeauflagen sollen immer vor jeder Inhaftierung ins Auge gefaßt werden.
  4. Die für eine Haft zuständigen Behörden müssen eine zwingende Notwendigkeit für die Haft und zwar auf der Grundlage der persönlichen Geschichte eines jeden Asylsuchenden sehen.
  5. In den nationalen Gesetzen soll für eine derartige Form der Haft eine absolute Höchstdauer festgelegt werden.
  6. Überprüfungs- und Beschwerdegremien sollen unabhängig von der für die Haft verantwortlichen Behörde sein.
  7. Unbegleitete Minderjährige sollen nicht inhaftiert werden.
  8. Den Häftlingen sollen die Gründe für ihre Haft und ihre diesbezüglichen Rechte eingehend erläutert werden.
  9. Häftlinge sollen unbeschränkten Zugang zu unabhängiger, qualifizierter und freier Rechtsberatung haben.
  10. Spezialisierte nichtstaatliche Organisationen, UNHCR und Rechtsvertreter/innen sollen zu allen Haftanstalten, einschließlich der Transitbereiche in internationalen Häfen und auf internationalen Flughäfen, Zugang haben.
  11. Die Haftbedingungen sollen dem straffreien Status der Inhaftierten gerecht werden und internationalen Standards entsprechen.
  12. Alle Bediensteten sollen auf die besondere Lage und die Bedürfnisse von inhaftierten Asylsuchenden hin geschult werden.
  13. Die nationalen Behörden sollen ausführlich über ihre Strategie, Praxis und die Zahlen informieren, um die erforderliche Transparenz zu gewährleisten.
  14. Bei der künftigen Abstimmung der europäischen Praxis bezüglich der Inhaftierung von Asylsuchenden sollten die von ECRE befürworteten Standards beachtet werden.

Richtlinien über die Inhaftierung von Asylsuchenden

  1. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, daß Staaten in Westeuropa zunehmend zum Mittel der Inhaftierung von Asylsuchenden greifen. Auch in zentral- und osteuropäischen Staaten scheint es eine Zunahme von Haft zu geben.
  2. Die Anwendung von Haft auf Asylsuchende ist aus der Sicht des UNHCR per se unerwünscht. Dies gilt umso mehr für Angehörige besonders verletzbarer Gruppen wie alleinstehender Frauen, Kindern, unbegleiteter Minderjähriger und Personen mit besonderen medizinischen oder psychologischen Bedürfnissen. Freiheit von willkürlicher Haft ist ein grundlegendes Menschenrecht und die Anwendung von Haft erfolgt in vielen Staaten im Widerspruch zu völkerrechtlichen Normen und Prinzipien.
  3. Der Hochkommissar hat in Übereinstimmung mit Paragraph 8 der Satzung des UNHCR die Aufgabe, die Einhaltung und Anwendung internationaler Abkommen zum Schutz der Flüchtlinge zu überwachen. Die Vertragsstaaten der Konvention von 1951 sind nach Artikel 35 verpflichtet, UNHCR bei der Aufgabe der Überwachung der Anwendung der Bestimmungen der Konvention zu unterstützen.
  4. Das Büro des UNHCR hat eine Anzahl von Prinzipien und Erklärungen bezüglich der Haft von Asylsuchenden erarbeitet, die als international anerkannte Standards gelten. Diese Prinzipien haben ihren Ausdruck gefunden in den Schlußfolgerungen des Exekutivkomitees über Internationalen Rechtsschutz, den jährlichen Notes on International Protection des Hochkommissars an das Exekutivkomitee, den verschiedenen Richtlinien der Division of International Protection und Hinweisen der Division und einzelnen UNHCR-Vertretungen in allen Teilen der Welt zu Fragen des Schutzes der Flüchtlinge.
  5. Von besonderer Bedeutung für die Frage der Haft ist Artikel 31 der Konvention von 1951. Nach Artikel 31 sind Flüchtlinge, die unmittelbar aus einem Verfolgerland kommen, von Strafe wegen unrechtmäßiger Einreise oder Aufenthalt befreit, sofern sie sich unverzüglich bei den Behörden melden und Gründe darlegen, die ihre unrechtmäßige Einreise oder ihren unrechtmäßigen Aufenthalt rechtfertigen. Der Artikel bestimmt ferner, daß die vertragschließenden Staaten Flüchtlingen keine Beschränkungen der Bewegungsfreiheit auferlegen, außer denen, die notwendig sind, und daß jegliche Beschränkungen nur solange Anwendung finden, bis die Rechtsstellung dieser Flüchtlinge geregelt ist oder sie Aufnahme in einem anderen Land erhalten.
  6. Aus diesem Artikel folgt, daß auf Haft nur zurückgegriffen werden soll, wenn dies notwendig ist. Die Inhaftierung von Asylsuchenden, die „unmittelbar“ einreisen, sollte daher nicht automatisch erfolgen und nicht über Gebühr lange andauern. Der Grund hierfür liegt darin, daß, nachdem ihr Antrag geprüft wurde, es sich herausstellen könnte, daß es sich um Flüchtlinge handelt, die in den Genuß der Bestimmungen des Artikel 31 kommen. Beschluß Nr. 44 (XXXVII) des Exekutivkomitees über die Inhaftierung von Flüchtlingen und Asylsuchenden legt genauer fest, was mit dem Begriff „notwendig“ gemeint ist. Sie enthält auch Richtlinien an die Staaten über die Anwendung von Haft und Empfehlungen für bestimmte Verfahrensrechte, auf die Inhaftierte einen Anspruch haben sollten.
  7. Der Begriff „unmittelbar kommen“ umfaßt Personen, die in das Land, in dem sie um Asyl nachsuchen, unmittelbar aus ihrem Herkunftsland oder aus einem anderen Land, in dem ihr Schutz nicht gewährleistet war, einreisen. Aus den travaux préparatoires (der Genfer Flüchtlingskonvention) wird jedoch deutlich, daß der Begriff auch Personen umfaßt, die sich auf der Durchreise für kurze Zeit in einem anderen Land aufgehalten haben, ohne dort Asyl beantragt oder erhalten zu haben. Die Verfasser der Konvention führten den Begriff „unmittelbar kommen“ nicht ein, um diejenigen, die durch ein anderes Land gereist waren, auszuschließen, sondern um die auszuschließen, die sich in einem anderen Land „vorübergehend niedergelassen hatten“ (travaux préparatoires A/CONF.2/SR 14 p. 10). Auf den Begriff „unmittelbar kommen“ kann keine strenge zeitliche Begrenzung angewandt werden; die Entscheidung muß in jedem Einzelfall getroffen werden. Die Frage des „unmittelbar kommen“ steht im Zusammenhang mit dem Problem der Identifizierung des Landes, das für die Prüfung des Asylantrags und die Gewährung angemessenen und effektiven Schutzes zuständig ist.
  8. Vor dem Hintergrund der besonderen Situation eines Flüchtlings, insbesondere der verbreiteten Furcht vor Behörden, Verständigungsproblemen, dem Mangel an Informationen und allgemeiner Unsicherheit, und angesichts der Tatsache, daß diese und andere Umstände von Flüchtling zu Flüchtling sehr verschieden sein können, gibt es keine zeitliche Begrenzung, die mechanisch auf den Begriff „unverzüglich“ (eine Bedingung nach Artikel 31, Abs. 1) angewandt werden könnte. Wie auch bei dem Begriff „gute Gründe“ (eine weitere Bedingung nach Artikel 31, Abs. 1) kommt es auf die näheren Umstände der Flucht an (z. B. Mangel an Zeit für Einwanderungsformalitäten).
  9. Die sich herausbildende Staatenpraxis und Gesetzgebung in Europa verdeutlichen die Notwendigkeit einer Klärung durch den UNHCR der Reichweite der Anwendbarkeit des EXCOM-Beschlusses Nr. 44 (XXXVII), der Situationen, in denen Haft angewendet werden kann und der zulässigen Dauer und Bedingungen der Haft.
  10. Diese Richtlinien wurden in Hinblick auf diese Untersuchung über die Praxis in europäischen Staaten erarbeitet. Sie basieren auf einer Zusammenführung von bereits existierenden Grundsätzen des UNHCR und völkerrechtlichen Bestimmungen über die Inhaftierung.
  11. Im Rahmen der Untersuchung und der vorliegenden Richtlinien schließt der Begriff „Asylsuchender“ Personen ein, die entweder ausschließlich aus formalen Gründen aus dem Asylverfahren ausgeschlossen wurden (z. B. durch Anwendung des Konzepts der sicheren Drittstaaten) oder deren Antrag in der Sache aus inhaltlichen Gründen zurückgewiesen wurde, denen der UNHCR nicht zustimmen könnte (z. B. bei Verfolgung, die nicht vom Staat ausgeht). Wenn eine Prüfung des Falles in der Sache in einem fairen und schnellen Asylverfahren nicht erfolgt ist oder wenn die Ablehnung des Antrages nach Prüfung in der Sache nicht in Übereinstimmung mit Grundsätzen des UNHCR erfolgt ist, unterfallen diese abgelehnten Asylsuchenden weiterhin dem Anliegen des UNHCR. Diese Richtlinien betreffen jedoch nicht „abgelehnte Asylsuchende stricto sensu“, das heißt Personen, bei denen nach der Prüfung ihrer Asylanträge in fairen Verfahren (sowohl ausreichende verfahrensmäßige Rechte als auch eine Auslegung des Flüchtlingsbegriffs in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des UNHCR) festgestellt wurde, daß ihnen die Flüchtlingseigenschaft auf der Grundlage der Kriterien der Konvention von 1951 nicht zusteht und sie auch nicht aus anderen Gründen internationalen Schutzes bedürfen, und denen der Aufenthalt in dem betreffenden Land nicht aus anderen zwingenden Gründen gestattet ist.

Richtlinie 1: Anwendungsbereich der Richtlinien

Diese Richtlinien betreffen alle Asylsuchenden in Haft oder haftähnlichen Situationen. Sie betreffen alle Personen, deren Aufenthalt auf einen eng umgrenzten oder eingeschränkten Ort beschränkt ist, einschließlich Gefängnisse, geschlossener Lager, Haftorte oder Transitzonen auf Flughäfen, bei denen die einzige Möglichkeit zum Verlassen diesen begrenzten Gebietes darin besteht, das Staatsgebiet zu verlassen.

Personen, die hinsichtlich des Wohnorts Beschränkungen unterliegen, gelten nicht allgemein als inhaftiert.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Asylsuchender in Haft ist, sollten die kumulativen Auswirkungen der Beschränkungen neben dem Ausmaß und der Intensität der einzelnen Beschränkungen berücksichtigt werden.

Richtlinie 2: Allgemeine Regel

Das Recht auf Freiheit ist ein grundlegendes Recht, das in allen wichtigen Menschenrechtsvereinbarungen sowohl global wie auf regionaler Ebene anerkannt ist. Das Recht Asyl zu suchen ist gleichfalls als grundlegendes Menschenrecht anerkannt. Die Asylsuche kann daher nicht als Straftat angesehen werden. Die Tatsache, daß Asylsuchende möglicherweise Verfolgung oder anderes Unrecht in ihrem Herkunftsland erlitten haben und vor jeder Form von rauher Behandlung geschützt werden sollten, sollte berücksichtigt werden.

Asylsuchende sollten im allgemeinen nicht in Haft genommen werden.

Die Stellung von Asylsuchenden unterscheidet sich grundlegend von der anderer Ausländer. Dieser Umstand sollte bei der Bestimmung von Strafmaßnahmen oder Haft wegen unerlaubten Aufenthalts oder unerlaubter Einreise berücksichtigt werden. Auf die Bestimmungen des Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der jedem Menschen das Recht gewährt, Asyl zu suchen und zu genießen, wird ebenso hingewiesen wie auf Artikel 31 der Konvention von 1951, der Asylsuchende, die „unmittelbar“ aus einem Gebiet „kommen“, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht waren, von Strafen ausnimmt. Es besteht Einigkeit, daß Artikel 31 nicht einschränkend angewendet werden sollte.

Richtlinie 3: Gründe, die ausnahmsweise Haft erlauben

Auf die Inhaftierung von Asylsuchenden darf ausnahmsweise zurückgegriffen werden, wenn sie im innerstaatlichen Recht in Obereinstimmung mit allgemeinen Normen und Prinzipien des internationalen Menschenrechtsschutzes eindeutig vorgesehen ist.

Die erlaubten Ausnahmen zu der allgemeinen Regel, nach der Haft normalerweise vermieden werden soll, müssen gesetzlich vorgesehen sein. In solchen Fällen darf auf Haft nur dann zurückgegriffen werden, wenn sie notwendig ist, um

  1. die Identität zu klären;
  2. die Tatsachen festzustellen, auf denen der Antrag auf Gewährung der Flüchtlingseigenschaft oder auf Asyl beruht;
  3. Fälle zu handhaben, in denen Flüchtlinge oder Asylsuchende ihre Reise- oder Identitätsdokumente vernichtet oder gefälschte Dokumente benutzt haben, um die Behörden des Staates, in dem sie Asyl beantragen wollen, zu täuschen oder
  4. die nationale Sicherheit oder öffentliche Ordnung zu schützen.

Wenn Haft für Asylsuchende für notwendig erachtet wird, sollte sie nur verhängt werden, wenn sie angemessen ist und diskriminierungsfrei angewandt wird. Sie sollte verhältnismäßig sein gegenüber dem verfolgten Ziel (z. B. um einen der oben genannten Zwecke sicherzustellen) und von möglichst kurzer Dauer.

Sofern andere Überwachungsmaßnahmen verfügbar sind, die als Alternative zur Haft zur Verfügung stehen (z. B. Meldepflichten oder Bürgen), sollten diese zunächst angewandt werden, es sei denn, es gibt Beweise für die Vermutung, eine solche Alternative wäre nicht wirksam.

Die Inhaftierung von Asylsuchenden aus irgendeinem anderen Grund, zum Beispiel als Teil einer Politik der Abschreckung zukünftiger Asylsuchender, widerspricht den Prinzipien des internationalen Schutzes.

In keinem Fall sollte Haft als Straf- oder Disziplinarmaßnahme bei Verstößen gegen Verwaltungsanforderungen oder Übertretungen von einschränkenden Regeln in Aufnahmezentren, Flüchtlinglingslagern oder anderen Einrichtungen dienen.

Die Flucht aus der Haft sollte in Hinblick auf das Prinzip des non-refoulement nicht automatisch zur Beendigung des Asylverfahrens oder zur Rückschiebung in das Herkunftsland führen.

Richtlinie 4: verfahrensmäßige Schutzvorschriften

Im Falle der Inhaftierung sollten Asylsuchende einen Anspruch auf folgende verfahrensmäßige Mindestrechte haben:

  1. das Recht, über den Grund der Inhaftierung und die damit zusammenhängenden Rechte in einer für sie verständlichen Sprache und Ausdrucksweise unterrichtet zu werden;
  2. das Recht, die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung unverzüglich von einer zuständigen, unabhängigen und unparteilichen Instanz überprüfen zu lassen, vor der der Betroffene seine Gründe entweder persönlich oder durch einen Beauftragten vortragen kann. Dieses Recht auf Überprüfung sollte alle Aspekte der Rechtmäßigkeit des Falles umfassen und nicht nur die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung durch die Exekutive bei der Inhaftierung. Zu diesem Zweck sollte der Betroffene Rechtsbeistand erhalten. Zudem sollte es die Möglichkeit einer Überprüfung der Haft in regelmäßigen Abständen geben;
  3. das Recht der Kontaktaufnahme mit dem örtlichen Büro des UNHCR, vorhandenen nationalen Flüchtlings- oder sonstigen Organisationen und einem Rechtsanwalt. Die Mittel für diese Kontaktaufnahme sollten zur Verfügung gestellt werden.

Richtlinie 5: Inhaftierung von Personen unter 18 Jahren

In Übereinstimmung mit der allgemeinen Regel in Richtlinie 2 und den Richtlinien des UNHCR zu Flüchtlingskindern sollten minderjährige Asylsuchende nicht inhaftiert werden.

Falls Staaten jedoch Kinder inhaftieren, sollte dies in Übereinstimmung mit Artikel 37 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes nur als letztes Mittel und für die kürzeste angemessene Zeit und in Übereinstimmung mit den in Richtlinie 3 genannten Ausnahmen erfolgen.

Es wird insbesondere hingewiesen auf:

Artikel 3 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, wonach bei allen Maßnahmen der Vertragsstaaten, die Kinder betreffen, das Wohl des Kindes ein vorrangig zu berücksichtigender Gesichtspunkt ist;

Artikel 9, der Kindern das Recht gewährt, nicht gegen den Willen ihrer Eltern von diesen getrennt zu werden; und

Artikel 22, wonach Vertragsstaaten verpflichtet sind, besondere Maßnahme zum Schutz von Flüchtlingskindern und minderjährigen Asylsuchenden zu treffen, unabhängig davon, ob sie unbegleitet sind oder nicht.

Wenn asylsuchende Kinder auf Flughäfen, in Einwandereraufnahmezentren oder Gefängnissen inhaftiert sind, dürfen sie nicht unter gefängnisähnlichen Bedingungen festgehalten werden. Es muß jeder Versuch gemacht werden, sie aus der Haft zu entlassen und anderweitig unterzubringen. Sofern sich dies als unmöglich erweist, müssen besondere Vorkehrungen für die Wohnbereiche getroffen werden, die für Kinder und ihre Familien angemessen sind.

Während der Haft haben Kinder ein Recht auf Ausbildung, die vorzugsweise außerhalb der Hafteinrichtung stattfinden sollte, um die Fortführung der Ausbildung nach der Haftentlassung zu erleichtern. Nach den UN Regeln über den Schutz von Jugendlichen, die ihrer Freiheit beraubt sind, sind Staaten verpflichtet, für Kinder ausländischer Herkunft mit besonderen kulturellen und ethnischen Bedürfnissen gesonderte Bildungsprogramme vorzusehen.

Für inhaftierte Kinder gelten dieselben verfahrensmäßigen Mindestrechte (siehe Richtlinie 4) wie für Erwachsene. Zusätzlich sollte für unbegleitete Minderjährige ein Vormund bestellt werden.

Richtlinie 6: Haftbedingungen

Die Haftbedingungen für Asylsuchende sollten menschlich sein und die angeborene Würde der menschlichen Person achten. Sie sollten gesetzlich festgelegt sein.

Es wird hingewiesen auf die anwendbaren Normen und Prinzipien des Völkerrechts und die Regeln über die Behandlung solcher Personen. Von besonderer Bedeutung sind die UN Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen aus dem Jahre 1955, der UN Grundsatzkatalog für den Schutz aller irgendeiner Form von Haft oder Gefangenschaft unterworfenen Personen aus dem Jahre 1988, die UN Regeln über den Schutz von Jugendlichen, die ihrer Freiheit beraubt sind, und die Europäischen Gefängnisregeln.

Besonders die folgenden Punkte sollten hervorgehoben werden:

  1. die Trennung von Männern und Frauen innerhalb der Einrichtungen, die Trennung von Kindern von Erwachsenen (sofern diese nicht Verwandte sind), und die Trennung von Asylsuchenden von verurteilten Straftätern;
  2. die Möglichkeit zu regelmäßigem Kontakt mit und Besuchen von Freunden, Angehörigen und Rechtsbeiständen;
  3. die Möglichkeit, angemessene medizinische Versorgung zu erhalten und
  4. die Möglichkeit, eine Schul- oder Berufsausbildung fortzusetzen.

Es wird ferner empfohlen, für bestimmte besonders verletzbare Gruppen wie schwangere Frauen, stillende Mütter, Kinder, Alte, Kranke und Behinderte geeignete Fürsorgemaßnahmen vorzusehen, die ihre besonderen Bedürfnisse während der Haft berücksichtigen.

Brief des Bremischen Anwaltsvereins

an den Bremer Senator für Inneres vom 12. Juni 1995

Vollzug der Abschiebehaft

Sehr geehrter Herr Staatsrat Hannemann,

die Erfahrungen, die Mitglieder unserer Arbeitsgemeinschaft mit dem Vollzug von Abschiebungshaft in Bremen seit Mitte 1994 bis jetzt haben sammeln müssen, sowie weitere Erfahrungsberichte, die uns von verschiedenen Organisationen und Initiativen hierzu zugegangen sind, lassen es uns als geboten erscheinen, folgende Fragen und Anregungen Ihnen zu übermitteln:

  1. Bundesrechtlich gelten jedenfalls für den Vollzug von Abschiebungshaft das Freiheitsentziehungsgesetz (vgl. § 8 II FEVG) und Teile des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG).

    Nach unserer bisherigen Kenntnis existiert in Bremen keine landesrechtliche Regelung für den Vollzug von Abschiebungshaft. Bekanntgeworden ist uns lediglich der Erlaß über den Polizeigewahrsam vom 15.12.1989. Dieser hat jedoch eine zeitlich andere Vollzugssituation zur Voraussetzung, als sie im Rahmen der (häufig bedauerlicherweise langen) Abschiebungshaft gegeben ist.

    Aus unserer Sicht erscheint es daher geboten, Vollzugsgrundsätze sowie eine Verfahrensordnung zu erstellen, welche auf die Durchführung der Abschiebungshaft speziell zugeschnitten sind.

    Einen Orientierungspunkt hierzu bieten die Richtlinien über den Vollzug der Abschiebungshaft, die vom Niedersächsischen Ministerium der Justiz am 13.02.1995 erlassen wurden. Wir gehen davon aus, daß Ihnen diese Richtlinien bekannt sind.

    Soweit dort Bezug genommen wird auf die Anwendbarkeit des Strafvollzugsgesetzes, insbesondere den §§ 3-122 und 181, 171 und 173-175, halten wir diese Bezugnahme allerdings nur für in beschränktem Umfange sinnvoll. Anwendbar im Rahmen des Abschiebungshaftvollzuges erscheinen uns die §§ 17-36, die §§ 53-80 sowie die §§ 108-121 des StVollzG.

    Ergänzungsbedürftig erscheint uns, daß auch § 3 StVollzG zumindest analog angewendet werden sollte.

    Im übrigen ist zu beachten, daß Abschiebungshaft jedenfalls insoweit sie als Sicherungshaft vollzogen wird, rechtliche Einschränkungen nur beinhalten darf, wie diese unmittelbar aus der Sicherungsfunktion abzuleiten sind. Abschiebungshaft ist weder Strafvollzug, noch Untersuchungshaftvollzug und erst recht nicht Polizeigewahrsam.

    Auch für Ausländer, die sich in Abschiebungshaft befinden, gelten die Grundrechte, insbesondere Art. 2 Abs. 2 und die Art. 4, 5, 6, 10, 16 a, 17 GG.

    Es sei daran erinnert, daß das Bundesverfassungsgericht bezüglich des Strafvollzuges festgestellt hatte (BVerfGE 33, 11), daß eine Einschränkung dieser Grundrechte nur dann in Betracht kommt, wenn diese zur Erreichung eines von der Werteordnung des Grundgesetzes gedeckten gemeinschaftsbezogenen Zwecks unerläßlich ist und in den dafür verfassungsrechtlich vorgesehenen Formen, d.h. durch Gesetz, geschieht.

  2. Als weiterer rechtlicher Maßstab, wenn auch noch nicht als Rechtsgrundlage, sind aus unserer Sicht die Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen, die die Vereinten Nationen im Jahre 1955 verabschiedet haben, heranzuziehen. Nach diesen Mindestgrundsätzen hat der Europarat europäische Strafvollzugsgrundsätze entwickelt als Empfehlungen und Leitlinien für die Gestaltung des Strafvollzuges. Artikel 99 dieser Grundsätze betrifft die „Zivilgefangenen“, d.h. auch Personen in Abschiebungshaft. Er besagt, daß diese Personengruppe keinen größeren Beschränkungen unterworfen werden darf, als es für die Aufrechterhaltung einer sicheren Verwahrung und guten Ordnung erforderlich ist.

    Aus unserer Sicht folgt aus den weiteren Grundsätzen, daß folgende Mindeststandards auch für Abschiebungsgefangene gelten:

    • Ihnen ist zu gestatten, ihre Familien sofort über ihre Verhaftung zu benachrichtigen; ferner sind ihnen alle angemessenen Möglichkeiten einzuräumen, mit ihren Familien in Verbindung zu treten, sowie mit Freunden und mit anderen Personen, mit denen sie aufgrund eines berechtigten Interesses Kontakt aufnehmen wollen (Artikel 92 Abs. 1 EPR).
    • Es ist ihnen zu gestatten, Besuche von diesen Personen unter menschenwürdigen Bedingungen zu empfangen; die Besuche dürfen nur insoweit eingeschränkt überwacht werden, als es im Interesse der Rechtspflege und der Sicherheit und Ordnung der Anstalt erforderlich ist (Artikel 92 Abs. 2 EPR).
    • Ihnen ist die Möglichkeit der Einzelunterbringung zu geben, es sei denn, die, Umstände lassen dies als nicht angezeigt erscheinen (Artikel 94 EPR).
    • Ihnen ist zu gestatten, auf eigene Kosten oder auf Kosten Dritter Bücher, Zeitungen, Schreibmaterial und andere der Beschäftigung dienende Mittel zu beschaffen, soweit es mit den Interessen der Rechtspflege und der Sicherheit und Ordnung der Anstalt vereinbar ist (Artikel 97 EPR).
    • Ihnen ist auf begründeten Antrag Gelegenheit zu geben, sich von ihrem eigenen Arzt oder Zahnarzt besuchen oder behandeln zu lassen (Artikel 98 EPR).

    In den Grundsätzen ist ferner dargelegt, daß sich die Vollzugsverwaltungen von den Bestimmungen ihrer Gesamtheit leiten lassen sollen, soweit diese in der Praxis auf die jeweils besonderen Gefangenenkategorien anwendbar sind (Artikel 90 EPR). Hierzu ist zu zählen:

    • daß alle für die nächtliche Unterbringung der Gefangenen dienenden Räume den Erfordernissen der Gesundheit und der Hygiene zu entsprechen haben (Artikel 15 EPR);
    • daß die Fenster groß genug sein müssen, damit die Gefangenen unter normalen Voraussetzungen bei Tageslicht u.a. Lesen und Arbeiten können. Sie müssen so eingerichtet sein, daß frische Luft einströmen kann, es sei denn, eine entsprechende Klimaanlage ist vorhanden (Artikel 16 a EPR);
    • es müssen ausreichende Bade- und Duschmöglichkeiten vorgesehen sein, und zwar so häufig, wie dies nach der Jahreszeit und der geographischen Lage zur gemeinen Hygiene nötig ist, jedoch wenigstens einmal in der Woche (Artikel 18 EPR);
    • Gefangene, die nicht im Freien arbeiten, müssen täglich mindestens eine Stunde Spaziergang oder geeignete Bewegung im Freien erhalten, wenn es die Witterung zuläßt (Artikel 86 EPR).
  3. Für die Durchführung des Vollzuges erscheint uns die Umsetzung folgender Forderungen dringend geboten:
    • Es müssen Informationsblätter über den Vollzug der Abschiebungshaft sowie über die Rechtsmittelmöglichkeiten dem Gefangenen zur Verfügung gestellt werden. Diese müssen in den gebräuchlichsten Fremdsprachen (türkisch, arabisch, englisch, französisch, russisch, kurdisch, serbokroatisch, spanisch) abgefaßt sein.
    • Es ist ein regelmäßiger Kontakt zu Angehörigen, Betreuern, Rechtsanwälten und zur öffentlichen Rechtsberatung (eventuell über den Verein für Rechtshilfe im Justizvollzug) zu gewährleisten. Diese Besuche dürfen nicht überwacht werden.
    • § 10 Abs. 3 S. 2 FEVG ermöglicht, bis zur Dauer von einer Woche auch ohne richterliche Anordnung Urlaub aus der Abschiebungshaft zu gewähren. Von dieser Beurlaubungsmöglichkeit sollte in großzügiger Weise Gebrauch gemacht werden beispielsweise bei familiären Anlässen oder zur Vorsprache beim Standesamt zur Aufgebotsbestellung oder Eheschließung. Insoweit sei auch Bezug genommen auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Bremen, wonach auch Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, eine Duldung zur Eheschließung zu erteilen ist, sofern alle von den zukünftigen Ehegatten zu erbringenden Papiere vorliegen (OVG Bremen, Beschluß vom 26.01.1994 -1 B 171/93).
    • Es ist ausreichende Sozialbetreuung durch hauptamtliche Sozialarbeiter in der Abschiebungshaftanstalt sicherzustellen.
    • Es sind Dolmetscherdienste zu organisieren, die insbesondere Bescheide, Beschlüsse und behördliche Briefe in die jeweiligen Heimatsprachen zu übersetzen in der Lage sind.
    • Die medizinische Versorgung ist zu gewährleisten; eine Vorstellung bei einem Arzt des Vertrauens muß möglich sein.
    • Ob aus gesundheitlichen Gründen Haftunfähigkeit besteht, ist nicht vom Polizeiarzt zu entscheiden, sondern vom ärztlichen Dienst des Hauptgesundheitsamtes. Zu dem erforderlichen Untersuchungsgespräch ist ein(e) Dolmetscher/in beizuziehen.
    • Die Habe der Häftlinge, die sich häufig noch in den Unterkünften befindet, ist binnen 24 Stunden nach der Inhaftierung zu sichern und den Betroffenen auch auszuhändigen.
    • Es müssen zumindest zwei Telefonanschlüsse installiert werden, die den Gefangenen ungehinderten Zugang zum Telefon (Telefonieren aus eigenen Mitteln) ermöglichen und ihnen auch gestatten, Anrufe von außerhalb zu empfangen, ohne dabei überwacht zu werden.
    • Gefangenen ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 Asylbewerberleistungsgesetz Taschengeld in Höhe von monatlich DM 80,00 auszuzahlen als Barbetrag für die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens (vgl. dazu auch VG Berlin -Beschluß vom 08.08.1994 – VG 17 A 219.94 -Infobrief Ausländerrecht 94, Seite 369 f). In diesem Zusammenhang bedarf es einer eindeutigen Zuständigkeitsregelung dazu, welche Behörde und welcher Mitarbeiter für die Bearbeitung der entsprechenden Anträge und Leistungsgewährung zuständig ist. Das bisher praktizierte „Verschieben“ von Anträgen zwischen dem Innenressort (insbesondere: Beamte in der Haftanstalt) und dem Senator für Soziales muß durch eindeutige Kompetenzzuweisungen beendet werden. Dies gilt auch und gerade dafür, die regelmäßige Auszahlung des Taschengeldes sicherzustellen sowie den Einkauf von Gegenständen des persönlichen Bedarfs für die Gefangenen in verbindlicher und überschaubarer Weise zu organisieren (Leistungsgewährung gemäß Asylbewerberleistungsgesetz ist kein Gnadenerweis von Vollzugsbeamten).
    • Jeder Person in Abschiebungshaft muß ermöglicht werden, bestimmte Waren (Tabak, Tee, Kaffee, Milch, Süßwaren, Schreibwaren, Hygiene- und Wäscheartikel, Zeitungen und Zeitschriften) selbst einzukaufen oder über Vollzugsbeamte einkaufen zu lassen.
    • Jeder Gefangene muß über ausreichende Bewegungsfläche verfügen. Die Aufenthalts- und Freizeiträume müssen ausreichende Bewegungsmöglichkeiten bieten. In den Schlafräumen müssen jedem/ jeder Gefangenen mindestens sechs Quadratmeter zur Verfügung stehen.
    • Es sind ausreichende Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung zur Verfügung zu stellen (Fernsehempfang, Bücher, Sportmöglichkeiten).
    • Es sollte ermöglicht werden, freiwillige Arbeiten während der Abschiebungshaft gegen geringe finanzielle Entschädigung zu übernehmen.
    • Die Ausländerbehörde hat zu gewährleisten, daß die bisherigen Verfahrensbevollmächtigten der Personen, die in Abschiebungshaft genommen wurden, über den Zeitpunkt der Festnahme, die Anhörung und den geplanten Abschiebungstermin sofort nach der Festnahme informiert werden. Terminabsprachen mit Anwälten sollten getroffen werden. Ferner sollte es den in Abschiebungsverfahren tätigen Anwälten ermöglicht werden, mit den Mandanten vor der Anhörung mit Hilfe eines Dolmetschers ein Gespräch zu führen.
    • Es bedarf einer generellen Zusicherung der Ausländerbehörde, das Ergebnis eines verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens zunächst abzuwarten und nicht bereits vor diesem Zeitpunkt die Abschiebung zu vollziehen.
  4. Wir haben mehrfach der Zeitung und Verlautbarungen von Parteivertretern entnommen, daß beabsichtigt ist oder war, die Haftanstalt zu verlegen. Eine derartige Entscheidung war für den 24.04.1995 im Senat geplant. Uns ist bisher nicht bekannt, ob es noch zu dieser Entscheidung gekommen ist oder im Rahmen welches weiteren Zeitplanes die Verlegung nunmehr realisiert werden soll. Eine räumliche Trennung der Abschiebungshaftanstalt von Polizeigewahrsam, Untersuchungshaft und Strafhaft halten wir für dringend geboten.

    Uns ist deutlich, daß die Vielzahl der oben dargestellten Forderungen einige Arbeit und Initiative in Anspruch nehmen wird. Möglicherweise sind auch nicht alle 3 vorgenannten Standards ganz kurzfristig umzusetzen. Andererseits erscheint es uns möglich, daß qualitativ deutlich mehr zur Bewältigung des Problems „Abschiebungshaft“ seitens Ihrer Behörde unternommen wird, als dies in dem zurückliegenden Jahr der Fall war. Der Beschluß des Landgerichts Bremen über die „menschenunwürdige Unterbringung“ in der Abschiebungshaft vom August 1994 kann nicht ignoriert oder nur mit einigen Umbaumaßnahmen beantwortet werden.

    Bei allem Respekt für die Bemühungen einzelner Beamter, den Vollzug der Abschiebungshaft für die Betroffenen erträglich zu gestalten, ist aus unserer Sicht die derzeitige Gesamtsituation unerträglich. Es sind die vorbeschriebenen juristischen ebenso wie personelle und bauliche Maßnahmen kurzfristig erforderlich, um den Zustand zu ändern.

    Sollten Sie die von uns aufgeworfenen Fragen mit uns diskutieren wollen, sind wir zu einem derartigen Gespräch nach vorheriger Terminabsprache gerne bereit.

  5. Dr. Hoffmann (AG Ausländer- und Asylrecht im brem. Anwaltsverein)

DIAKONISCHES WERK DER EKD

Positionen und Mindestanforderungen zur Abschiebungshaft

Das Diakonische Werk der EKD lehnt die derzeitige Praxis der Abschiebungshaft ab.

Hinsichtlich des Vollzugs der Abschiebungshaft besteht ein erhebliches Regelungsdefizit. Der Rechtsschutz für Betroffene ist schon bei der Anordnung von Abschiebungshaft wegen der eingeschränkten Entscheidungsbefugnis des zuständigen Richters erheblich eingeschränkt. Abschiebungshaftanstalten gehören häufig zu den Orten in Deutschland, in denen die Menschlichkeit und die Rechtsstaatlichkeit unseres Gemeinwesens in Frage gestellt sind. Die Grundrechte von Ausländern sind berührt.

Das Diakonische Werk der EKD hält die Unterbringung von Flüchtlingen und Zuwanderern unter Gefängnisbedingungen zum Zweck der Vollstreckung eines Verwaltungsaktes für überzogen und inhuman.

Dieses Papier soll – basierend auf den Erfahrungen diakonischer Flüchtlingsarbeit – der Einführung und Analyse in das Thema Abschiebungshaft dienen sowie Leitlinien zur Orientierung im Umgang mit der Abschiebungshaft bieten.

1. Ausgangslage

Erheblicher Anstieg aufenthaltsbeendender Maßnahmen

Es ist zu einem erheblichen Anstieg behördlicher Maßnahmen gekommen, die die Aufenthaltsbeendigung einleiten durch

  • die beschleunigte Abwicklung der Asylverfahren bei den Behörden,
  • die erheblich eingeschränkten Rechtsmittel für Flüchtlinge,
  • die drastisch verkürzten Rechtsmittelfristen,
  • und die personelle Verstärkung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge.

Dabei wird zur Sicherstellung der Abschiebung im erheblich erweiterten Maße Abschiebungshaft nach § 57 Ausländergesetz (AuslG) angeordnet.

Leichtfertige Anordnung von Abschiebungshaft

Bedenklich und rechtswidrig ist die weitverbreitete Praxis, daß die bloße behördliche Annahme, daß sich der Betroffene einer Abschiebung entziehen könnte, für einen „begründeten Verdacht“ und somit für eine Inhaftnahme ausreicht. Grundlage sind häufig pauschale Feststellungen, es seien keine ausreichenden Geldmittel für die freiwillige Ausreise vorhanden oder es bestehe offensichtlich nicht die Absicht, freiwillig auszureisen. Es gibt keinen Rechtssatz, der lautet: „Wer abzuschieben ist, ist in Haft zu nehmen.“

Vielfach zu lange Haftdauer

Problematisch ist auch die in Einzelfällen vorkommende lange Haftdauer von bis zu einem Jahr oder gar bis zu 18 Monaten, eine im europäischen Vergleich herausragende vom Gesetzgeber vorgesehene Machtfülle und Praxis. Selbst wenn die Gefangenen bei der Beschaffung von notwendigen Papieren mitwirken, wird häufig die Abschiebungshaft verlängert.

Nichtbeachtung des „Beschleunigungsgebotes“

Ausländerbehörden und Amtsrichter beachten häufig nicht genügend das verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot, nach dem sie verpflichtet sind, alles zu tun, um die Freiheitsentziehung ganz zu vermeiden oder wenigstens so kurz wie möglich zu halten. Das gerichtliche Verfahren ist oft durch gerichtsorganisatorische Mängel, Verfahrensmängel und Fehleinschätzungen der materiellen Rechtslage belastet. Die strikte Einhaltung der Verfahrensrechte ist deshalb von großer Bedeutung, da es schließlich um schwere Eingriffe in die Bewegungsfreiheit und um den Schutz des Betroffenen vor staatlicher Willkür geht.

Kriminalisierungstendenzen

In einheimischen Bevölkerungskreisen kann es in Bezug auf die häufige Anwendung des Instrumentes der Abschiebungshaft zu einer bedenklichen Stigmatisierung der Flüchtlinge und Ausländer als Kriminelle kommen. Die Kriminalisierung der Notlage von Flüchtlingen findet mit der Abschiebungshaft ihren sinnfälligsten Ausdruck.

Fehlende soziale Beratung und Begleitung

Soziale Beratung und Begleitung sind für die Abschiebegefangenen weitgehend nicht vorgesehen, geschweige denn eine Verfahrens­ und Rechtsberatung. Die Vollzugsbedingungen liegen oft weit unter dem Niveau des normalen Straf­ bzw. Untersuchungshaftvollzugs.

Dies ist besonders problematisch angesichts der Hilflosigkeit der Häftlinge, die kein Deutsch können, in aller Regel anwaltlich nicht vertreten sind und deren in Kürze beendeter Aufenthalt Rechtsvorgänge ins Leere laufen läßt.

Die meisten Flüchtlinge bzw. Ausländer in Abschiebungshaft leiden darüber hinaus massiv unter der Inhaftierung. Die Selbsttötungen von Abschiebegefangenen zeigen auf erschreckende Weise die Folgen von Angst, Isolierung und Unsicherheit bei einer solchermaßen geplanten Abschiebung in meistens ungeklärte Verhältnisse.

2. Positionen zur Abschiebungshaft als Instrument der Sicherung einer Abschiebung

Strikte Beachtung und Einhaltung der Gesetze

In erster Linie ist die strikte Beachtung und Einhaltung der Gesetzeslage und der Rechtsprechung durch die Behörden einzufordern. Daraus und aus der Orientierung an unseren Grundrechten ergibt sich, daß die Abschiebungshaft als Instrument der Sicherung der Abschiebung so weit wie möglich vermieden werden sollte. Bevor die Verhängung von Abschiebungshaft unumgänglich wird, ist insgesamt die Ausschöpfung weniger einschneidender Mittel zu betreiben (z.B. regelmäßige Meldung bei der zuständigen Ausländerbehörde).

Verzicht auf Abschiebungshaft bei bestimmten Personengruppen

  • Von einer Inhaftierung zum Zweck der Abschiebung ist abzusehen bei:
  • Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren;
  • Kranken, Behinderten, alten Menschen;
  • Schwangeren und Müttern mit Kleinkindern.

Die Inhaftierung schwerkranker Personen, ihre mangelhafte medizinische Behandlung in der Abschiebungshaft und ihre Abschiebung ohne die Perspektive einer lebenserhaltenden Behandlung im Herkunfts- oder Drittland kommt dem Tatbestand unterlassener Hilfeleistung gleich.

Von einer Inhaftierung sollte auf Grundlage der derzeitigen Gesetzeslage abgesehen werden, wenn

  • die zur Ausreise Verpflichteten einen Wohnsitz oder Arbeitsplatz haben, weil in diesen Fällen kein begründeter Entziehungsverdacht besteht,
  • die Abschiebung des Betroffenen nicht zeitnah durchsetzbar ist,
  • beim Betroffenen noch ein Rechtsverfahren anhängig ist (Aufenthalts- und/oder Asylverfahren),
  • damit die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe verlängert wird,
  • eine mangelnde Aufnahmebereitschaft und -fähigkeit des Herkunftsstaates besteht, – sie der Identitätsfeststellung dient, trotz Offenlegung durch den Betroffenen,
  • der Antrag von polizeilichen Stellen gestellt wird.

Abschiebungshaft auf 3 Monate begrenzen

Abschiebungshaft darf nicht länger als drei Monate verhängt werden, da jede darüber hinausgehende Haftdauer wegen des Beschleunigungsgebotes unverhältnismäßig ist. Entsprechend ist der § 57 AuslG zu verändern.

Verständliche Rechtsbelehrung und Rechtsbeistand

Jeder muß in einer dem Betroffenen verständlichen Sprache zum Zeitpunkt der Festnahme und bei Beginn der Haft von der verantwortlichen Behörde über seine Rechte belehrt und darüber aufgeklärt werden, wie er diese Rechte in Anspruch nehmen kann (Beschluß der Generalversammlung der UNO vom 20.- 22.12.1988).

Der Abschiebungshaftantrag ist dem Betroffenen schriftlich und in einer ihm verständlichen Sprache zur Kenntnis zu geben.

Das Gericht muß dem Betroffenen Gelegenheit geben, seine persönliche Situation unter Hinzuziehung einer Person des Vertrauens darzustellen. Diese Vertrauenspersonen können die Angelegenheiten der Betroffenen regeln oder sofortige Beschwerde für die Betroffenen einlegen. Ein Rechtsbeistand müßte unmittelbar oder spätestens nach einer Woche nach Inhaftnahme zugeordnet werden, schon weil 14 Tage nach Inhaftnahme die Rechtsmittelfrist abgelaufen ist.

Umfassende Prüfungskompetenz des zuständigen Richters

Der zuständige Richter muß die Rechtmäßigkeit der vorausgegangenen Freiheitsentziehung prüfen. Die Prüfungskompetenz muß auch den Stand des asyl- und ausländerrechtlichen Verfahrens der Betroffenen umfassen können. Eine Einschränkung dieser Kompetenz kann zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Verkürzung des Richtervorbehalts führen.

Der zuständige Richter muß Abschiebungshindernisse berücksichtigen dürfen, die erst nach den Entscheidungen der Ausländerbehörde und/oder des Verwaltungsgerichtes entstanden oder bekannt geworden sind.

Das Gericht muß Hinweisen nachgehen, ob der zulässige Haftvollzug im konkreten Einzelfall zu unverhältnismäßigen und unmenschlichen Bedingungen im Vollzug führt. Wenn dies der Fall ist, darf Haft nicht angeordnet werden oder der Betroffene muß aus der Haft entlassen werden.

Die Zuständigkeit für die Haftprüfungstermine und die Anordnung von Abschiebungshaft sollte von den Amtsgerichten auf die asyl- und ausländerrechtlich erfahrenen Verwaltungsgerichte übertragen werden. Das Freiheitsentziehungsgesetz wäre entsprechend zu ändern. Es muß sichergestellt sein, daß die über den Haftbeschluß oder Haftbeschwerde entscheidenden Richter die notwendige Anhörung auch tatsächlich persönlich durchführen.

Regelung des Vollzugs in einem gesonderten Gesetz

Für den Vollzug in der Abschiebungshaft fehlt es überwiegend an spezifischen gesetzlichen Grundlagen. Deshalb gibt es für den Vollzug nur unzureichende bzw. keinerlei Vorschriften. Daher kann die Achtung der Menschenwürde im Abschiebungsvollzug nicht immer hinreichend durchgesetzt werden. Schon deshalb haben Abschiebungshäftlinge weniger Rechte als Menschen in Untersuchungs- und Strafhaft. Die aktuelle Praxis, auf einzelne Bestimmungen des Strafvollzugsgesetz und des Freiheitsentziehungsgesetz zurückzugreifen, trägt dem besonderen Zweck der Abschiebungshaft nur unzureichend Rechnung und erscheint verfassungsrechtlich bedenklich. Das Gericht darf nicht einen Haftbefehl erlassen, durch den der Betroffene der Ausländerbehörde zur Verfügung gestellt wird, ohne daß die spezifischen Bedingungen für die Abschiebungshaft geklärt sind.

Es ist dringend erforderlich, den Vollzug der Abschiebungshaft in einem gesonderten Gesetz zu regeln. Beschränkungen der Grundrechte sind nicht aufgrund eines besonderen Gewaltverhältnisses zulässig, sondern bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 14.03.1972).

3. Positionen zum Vollzug der Abschiebungshaft

Trennung von Abschiebungshaft und Strafvollzug/ Untersuchungshaft

Eine Vermischung des Vollzugs der Abschiebungshaft mit dem Vollzug einer Freiheitsstrafe oder der Untersuchungshaft ist ungesetzlich und strikt abzulehnen.

Unterbringung mit Wohncharakter

Da die Abschiebungshaft keine Strafhaft ist, dürfen die Haftbedingungen keinesfalls den Charakter einer Bestrafung haben. In der Konsequenz bedeutet das:

  • Die Unterbringung in der Abschiebungshaft muß Wohncharakter haben. Dazu gehört:
    1. Freie Bewegungsmöglichkeit innerhalb der Einrichtung.
    2. Die Inhaftierten müssen über ausreichend Bewegungsfläche verfügen. Die Aufenthalts- und Freizeiträume müssen ausreichend Bewegungsmöglichkeiten bieten. In den Schlafräumen sollte jeder Gefangene mindestens 6 -7 qm zur Verfügung haben.
    3. Freier Zugang zu Zeitungen, Zeitschriften und Büchern in der Muttersprache.
    4. Tabakwaren, Tee, Kaffee, Lebens­ und sonstige Genußmittel sowie Hygieneartikel müssen innerhalb der Abschiebungshaftanstalt gekauft werden können.
    5. Für religiöse Feiern/Gebete müssen entsprechende Sachmittel und Räume zur Verfügung gestellt werden. Seelsorger müssen freien Zugang zu den Abschiebehäftlingen haben.
    6. Möglichkeiten des Fernsehens, Radio Hörens und der sportlichen Betätigung müssen vorgesehen sein.
    7. Die Möglichkeit des ungestörten Zusammentreffens mit Familie, Bekannten und Freunden muß gegeben sein.
    8. Eine freie Arztwahl muß möglich sein. Eine geregelte medizinische Versorgung, die von Polizei und Grenzschutz unabhängig ist, muß gewährleistet sein. Der Standard der medizinischen Versorgung muß zumindest dem in der Strafhaft entsprechen.
    9. Grundsätzlich muß jeder telefonieren oder angerufen werden können.
    10. Das gesetzlich vorgesehene Taschengeld (nach Asylbewerberleistungsgesetz) muß ausgezahlt werden.
  • Eine psychosoziale und soziale Beratung und Begleitung durch Fachkräfte muß sichergestellt werden, genauso die Möglichkeit seelsorgerischen Beistandes.
  • Die persönliche Habe, Wertsachen und Dokumente der Betroffenen sind durch die Behörde sicherzustellen, für den Besitzer zu verwahren und dem Betroffenen auszuhändigen.
  • Die Betroffenen sind mit angemessener Bekleidung und mit Artikeln des persönlichen Bedarfs zu versehen.
    Den Betroffenen müssen Gelegenheiten zur Arbeit und Beschäftigung gegeben werden.

Kommunikationsmöglichkeiten

Folgende Angebote sind zu gewährleisten:

  • Umfassende Information über den Verbleib von Angehörigen, Unterstützung beim Herausfinden wichtiger Adressen, Hinwirkung auf Besuchsmöglichkeiten für Freunde/ Verwandte und auf telefonische Kontakte,
  • Durchführung/ Organisation klarer und verständlicher Informationen über ausländer- und asylrechtliche Fragen und das Abschiebungshaftverfahren durch weisungsunabhängige Berater innerhalb entsprechender Rechtsmittelfristen, über den jeweiligen Stand und über die möglichen Rechtsmittel; Vermittlung von Kontaktmöglichkeiten mit Anwälten, Dolmetschern und sonstigen Hilfspersonen.

4. Notwendige Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Diakonie in den Abschiebungshaftanstalten

Trotz der großen Bedenken gegenüber dem ausländerrechtlichen Instrument der Abschiebungshaft ist die Diakonie bereit, den in Abschiebungshaft befindlichen Menschen zu helfen und ein unabhängiges Beratungs­ und Hilfsangebot aufzubauen. Wichtig ist: Die Verquickung mit hoheitlichen Aufgaben ist auszuschließen. Ziel ist die Verbesserung der Situation der Abschiebehäftlinge unter Berücksichtigung ihrer individuellen Situation.

Notwendige Rahmenbedingungen

Die Rahmenbedingungen sollten unter Berücksichtigung der Möglichkeiten auf Landesebene und örtlicher Ebene im Grundsatz einheitlich geregelt werden. Diakonie soll auf Bundes­ und Landesebene politisch darauf hinwirken, daß die unter Punkt 2 und 3 formulierten Positionen Berücksichtigung finden. Aufgabe von Sozialarbeit der Diakonie in Bezug auf Abschiebungshaft sollte es auch sein, daß die unter Punkt 2.2 geforderten Verhältnisse in der jeweiligen Abschiebungshaftanstalt herbeigeführt werden. Unabdingbar sind zum Einstieg in die Arbeit in Abschiebungshaftanstalten folgende Voraussetzungen:

Freier Zugang zu den Abschiebungshaftanstalten und zeitlich umfassende Präsenzmöglichkeiten zur wirkungsvollen Durchführung der beratenden und begleitenden Arbeit;

Bereitstellung der notwendigen Arbeitsmöglichkeiten (Büroraum / Beratungsraum / Gruppenraum; Telefon, Fotokopierer, Faxgerät etc.) und Zusicherung der für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Hilfesuchenden erforderlichen Schutzatmosphäre;
Bereitstellung oder Ermöglichung des Aufbaus eines Dolmetscherpools;
Fachberatung, Supervision und Begleitung von ehrenamtlicher Arbeit sollte durch die Diakonie gewährleistet und finanziert werden.

Die Beratung und Begleitung von Menschen in Abschiebungshaft sollte in Anlehnung an die Vereinbarungen zwischen freien Trägern und den zuständigen öffentlichen Stellen bezüglich der Sozialarbeit innerhalb des Strafvollzuges finanziert werden.

Notwendige Arbeitsschwerpunkte eines/einer Mitarbeiters/
Mitarbeiterin (z.B. Dipl. Sozialpädagoge/in) in Abschiebungshaft

  • psychosoziale und soziale Einzelberatung;
  • Gemeinwesenarbeit (Arbeit mit Ehrenamtlichen, Kontakte zu Behörden, Beratungsstellen und Behörden etc.);
  • Verfahrensberatung und Ermöglichung von Kontakten nach außen (v.a. Verwandte, Freunde, Behörden, Rechtsanwälte);
  • Gruppen- und Freizeitangebote;
  • Begleitung und Fortbildung von Ehrenamtlichen und Dolmetschern;
  • enge Zusammenarbeit mit der Vollzugsverwaltung, den Seelsorgern, den zuständigen
  • Behörden und Gerichten sowie mit örtlichen Flüchtlingsinitiativen und
  • Beratungsstellen;
  • Öffentlichkeitsarbeit;
  • Beratung zu Rückkehrmöglichkeiten;
  • Fallbesprechungen und Supervision.

Stuttgart, Mai 1996/ PB/CS

Thesen und Forderungen der GRÜNEN in Bayern

  1. Verlagerung der Zuständigkeit für die Anordnung von Abschiebehaft von Flüchtlingen von (bisher) den Zivilgerichten auf die sachnähere und kompetentere Fachgerichtsbarkeit.
  2. Weitere Unterbringungsmöglichkeit in Gemeinschaftsunterkünften (fakultativ) auch bei negativ abgeschlossenem Asylverfahren bis zur faktischen Ausreise. Dadurch kann die angestrebte Trennung von normalem U-Häftlingen bzw. Strafhäftlingen und Abschiebehäftlingen erreicht werden.
  3. Abschiebung und freiwillige Ausreise können auch gewährleistet sein, wenn zuvor keine Abschiebehaft angeordnet wird. Dies kann bei weiterer Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften beispielsweise durch Kontrolle der Anwesenheit, verstärkte Präsenz- und Meldepflichten gewährleistet sein.
  4. Für die Dauer bis zur Ausreise/Abschiebung ist weiterhin entweder die bisherige Arbeitserlaubnis zu verlängern, die bisherige Sozialhilfe weiterzuzahlen oder weiterhin Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren.
  5. Bis eine reale Ausreisemöglichkeit in „Sicherheit und Würde“ gegeben ist, wird eine Duldung mit Arbeitsmöglichkeit erteilt. Eine private Unterbringung mit eventuell verstärkter Meldepflicht und Begrenzung der Duldung auf den Landkreis bzw. die kreisfreie Stadt ist möglich.
  6. Die maximale Dauer der Abschiebehaft (Sicherungshaft) wird für abgelehnte Asylbewerber auf sechs Monate verkürzt.
  7. Die vorherige Anordnung der „Vorbereitungshaft“ bei Flüchtlingen zur Sicherung der späteren Abschiebung ist unzulässig.
  8. Ein neutrales Gremium stellt fest, für welche Länder und für welche Flüchtlinge/Flüchtlingsgruppen zum jeweiligen Zeitpunkt eine sichere Abschiebung/Ausreise möglich ist.
  9. Das Gremium ist zusammengesetzt aus Vertretern des Bundesinnenministeriums, der Länder, des Auswärtigen Amtes, der Kirchen, des UNHCR und amnesty international.
  10. Für Flüchtlinge mit längerem Aufenthalt in Deutschland (seit Beginn ihres Asylverfahrens) als 5 Jahren findet keine Abschiebung statt. Es gilt nur, soweit der Flüchtling zu keiner Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr rechtskräftig verurteilt ist.
  11. Diese Frist verkürzt sich bei Familien mit minderjährigen schulpflichtigen Kindern auf drei Jahre. Satz 2 des vorherigen Punktes gilt entsprechend.
  12. In der Regel soll Abschiebehaft bei Flüchtlingen nur nach vorher vollzogener U-Haft oder Strafhaft vollzogen werden.
  13. Der Haftantrag der Ausländerbehörde ist nur für jeweils drei Monate gültig, er kann nur einmal erneuert werden.
  14. In der Abschiebehaft finden die Bestimmungen des Asylbewerberleistungsgesetzes grundsätzlich Anwendung.
  15. Soweit organisatorisch möglich, findet eine Trennung von Strafhaft und U­Haft auf der einen Seite und andererseits Abschiebehaft statt. Die Justizverwaltungen werden zu entsprechenden baulichen und organisatorischen Maßnahmen aufgefordert und ermächtigt.
  16. Die Haftrichter in Abschiebehaftsachen (= in Zukunft gemäß diesem Vorschlag die Verwaltungsrichter) sind ermächtigt und verpflichtet, Unterbringung, Haftbedingungen etc. zu überprüfen und bei ihrer Haftentscheidung unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Menschenwürde und der Verhältnismäßigkeit (Inhaftierung Nicht-Krimineller, die lediglich der Sicherung der Ausreise dient) angemessen zu berücksichtigen.
UNHCR
Datenbank (DE)

Richtlinien über die Inhaftierung von Asylsuchenden

1. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, daß Staaten in Westeuropa zunehmend zum Mittel der Inhaftierung von Asylsuchenden greifen. Auch in zentral- und osteuropäischen Staaten scheint es eine Zunahme von Haft zu geben.

2. Die Anwendung von Haft auf Asylsuchende ist aus der Sicht des UNHCR per se unerwünscht. Dies gilt umso mehr für Angehörige besonders verletzbarer Gruppen wie alleinstehender Frauen, Kindern, unbegleiteter Minderjähriger und Personen mit besonderen medizinischen oder psychologischen Bedürfnissen. Freiheit von willkürlicher Haft ist ein grundlegendes Menschenrecht und die Anwendung von Haft erfolgt in vielen Staaten im Widerspruch zu völkerrechtlichen Normen und Prinzipien.

3. Der Hochkommissar hat in Übereinstimmung mit Paragraph 8 der Satzung des UNHCR die Aufgabe, die Einhaltung und Anwendung internationaler Abkommen zum Schutz der Flüchtlinge zu überwachen. Die Vertragsstaaten der Konvention von 1951 sind nach Artikel 35 verpflichtet, UNHCR bei der Aufgabe der Überwachung der Anwendung der Bestimmungen der Konvention zu unterstützen.

4. Das Büro des UNHCR hat eine Anzahl von Prinzipien und Erklärungen bezüglich der Haft von Asylsuchenden erarbeitet, die als international anerkannte Standards gelten. Diese Prinzipien haben ihren Ausdruck gefunden in den Schlußfolgerungen des Exekutivkomitees über Internationalen Rechtsschutz, den jährlichen Notes on International Protection des Hochkommissars an das Exekutivkomitee, den verschiedenen Richtlinien der Division of International Protection und Hinweisen der Division und einzelnen UNHCR-Vertretungen in allen Teilen der Welt zu Fragen des Schutzes der Flüchtlinge.

5. Von besonderer Bedeutung für die Frage der Haft ist Artikel 31 der Konvention von 1951. Nach Artikel 31 sind Flüchtlinge, die unmittelbar aus einem Verfolgerland kommen, von Strafe wegen unrechtmäßiger Einreise oder Aufenthalt befreit, sofern sie sich unverzüglich bei den Behörden melden und Gründe darlegen, die ihre unrechtmäßige Einreise oder ihren unrechtmäßigen Aufenthalt rechtfertigen. Der Artikel bestimmt ferner, daß die vertragschließenden Staaten Flüchtlingen keine Beschränkungen der Bewegungsfreiheit auferlegen, außer denen, die notwendig sind, und daß jegliche Beschränkungen nur solange Anwendung finden, bis die Rechtsstellung dieser Flüchtlinge geregelt ist oder sie Aufnahme in einem anderen Land erhalten.

6. Aus diesem Artikel folgt, daß auf Haft nur zurückgegriffen werden soll, wenn dies notwendig ist. Die Inhaftierung von Asylsuchenden, die „unmittelbar“ einreisen, sollte daher nicht automatisch erfolgen und nicht über Gebühr lange andauern. Der Grund hierfür liegt darin, daß, nachdem ihr Antrag geprüft wurde, es sich herausstellen könnte, daß es sich um Flüchtlinge handelt, die in den Genuß der Bestimmungen des Artikel 31 kommen. Beschluß Nr. 44 (XXXVII) des Exekutivkomitees über die Inhaftierung von Flüchtlingen und Asylsuchenden legt genauer fest, was mit dem Begriff „notwendig“ gemeint ist. Sie enthält auch Richtlinien an die Staaten über die Anwendung von Haft und Empfehlungen für bestimmte Verfahrensrechte, auf die Inhaftierte einen Anspruch haben sollten.

7. Der Begriff „unmittelbar kommen“ umfaßt Personen, die in das Land, in dem sie um Asyl nachsuchen, unmittelbar aus ihrem Herkunftsland oder aus einem anderen Land, in dem ihr Schutz nicht gewährleistet war, einreisen. Aus den travaux préparatoires (der Genfer Flüchtlingskonvention) wird jedoch deutlich, daß der Begriff auch Personen umfaßt, die sich auf der Durchreise für kurze Zeit in einem anderen Land aufgehalten haben, ohne dort Asyl beantragt oder erhalten zu haben. Die Verfasser der Konvention führten den Begriff „unmittelbar kommen“ nicht ein, um diejenigen, die durch ein anderes Land gereist waren, auszuschließen, sondern um die auszuschließen, die sich in einem anderen Land „vorübergehend niedergelassen hatten“ (travaux préparatoires A/CONF.2/SR 14 p. 10). Auf den Begriff „unmittelbar kommen“ kann keine strenge zeitliche Begrenzung angewandt werden; die Entscheidung muß in jedem Einzelfall getroffen werden. Die Frage des „unmittelbar kommen“ steht im Zusammenhang mit dem Problem der Identifizierung des Landes, das für die Prüfung des Asylantrags und die Gewährung angemessenen und effektiven Schutzes zuständig ist.

8. Vor dem Hintergrund der besonderen Situation eines Flüchtlings, insbesondere der verbreiteten Furcht vor Behörden, Verständigungsproblemen, dem Mangel an Informationen und allgemeiner Unsicherheit, und angesichts der Tatsache, daß diese und andere Umstände von Flüchtling zu Flüchtling sehr verschieden sein können, gibt es keine zeitliche Begrenzung, die mechanisch auf den Begriff „unverzüglich“ (eine Bedingung nach Artikel 31, Abs. 1) angewandt werden könnte. Wie auch bei dem Begriff „gute Gründe“ (eine weitere Bedingung nach Artikel 31, Abs. 1) kommt es auf die näheren Umstände der Flucht an (z.B. Mangel an Zeit für Einwanderungsformalitäten).

9. Die sich herausbildende Staatenpraxis und Gesetzgebung in Europa verdeutlichen die Notwendigkeit einer Klärung durch den UNHCR der Reichweite der Anwendbarkeit des EXCOM-Beschlusses Nr. 44 (XXXVII), der Situationen, in denen Haft angewendet werden kann und der zulässigen Dauer und Bedingungen der Haft.

10. Diese Richtlinien wurden in Hinblick auf diese Untersuchung über die Praxis in europäischen Staaten erarbeitet. Sie basieren auf einer Zusammenführung von bereits existierenden Grundsätzen des UNHCR und völkerrechtlichen Bestimmungen über die Inhaftierung.

11. Im Rahmen der Untersuchung und der vorliegenden Richtlinien schließt der Begriff „Asylsuchender“ Personen ein, die entweder ausschließlich aus formalen Gründen aus dem Asylverfahren ausgeschlossen wurden (z.B. durch Anwendung des Konzepts der sicheren Drittstaaten) oder deren Antrag in der Sache aus inhaltlichen Gründen zurückgewiesen wurde, denen der UNHCR nicht zustimmen könnte (z.B. bei Verfolgung, die nicht vom Staat ausgeht). Wenn eine Prüfung des Falles in der Sache in einem fairen und schnellen Asylverfahren nicht erfolgt ist oder wenn die Ablehnung des Antrages nach Prüfung in der Sache nicht in Übereinstimmung mit Grundsätzen des UNHCR erfolgt ist, unterfallen diese abgelehnten Asylsuchenden weiterhin dem Anliegen des UNHCR. Diese Richtlinien betreffen jedoch nicht „abgelehnte Asylsuchende stricto sensu“, das heißt Personen, bei denen nach der Prüfung ihrer Asylanträge in fairen Verfahren (sowohl ausreichende verfahrensmäßige Rechte als auch eine Auslegung des Flüchtlingsbegriffs in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des UNHCR) festgestellt wurde, daß ihnen die Flüchtlingseigenschaft auf der Grundlage der Kriterien der Konvention von 1951 nicht zusteht und sie auch nicht aus anderen Gründen internationalen Schutzes bedürfen, und denen der Aufenthalt in dem betreffenden Land nicht aus anderen zwingenden Gründen gestattet ist.

Richtlinie 1: Anwendungsbereich der Richtlinien

Diese Richtlinien betreffen alle Asylsuchenden in Haft oder haftähnlichen Situationen. Sie betreffen alle Personen, deren Aufenthalt auf einen eng umgrenzten oder eingeschränkten Ort beschränkt ist, einschließlich Gefängnisse, geschlossener Lager, Haftorte oder Transitzonen auf Flughäfen, bei denen die einzige Möglichkeit zum Verlassen diesen begrenzten Gebietes darin besteht, das Staatsgebiet zu verlassen.

Personen, die hinsichtlich des Wohnorts Beschränkungen unterliegen, gelten nicht allgemein als inhaftiert.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Asylsuchender in Haft ist, sollten die kumulativen Auswirkungen der Beschränkungen neben dem Ausmaß und der Intensität der einzelnen Beschränkungen berücksichtigt werden.

Richtlinie 2: Allgemeine Regel

Das Recht auf Freiheit ist ein grundlegendes Recht, das in allen wichtigen Menschenrechtsvereinbarungen sowohl global wie auf regionaler Ebene anerkannt ist. Das Recht Asyl zu suchen ist gleichfalls als grundlegendes Menschenrecht anerkannt. Die Asylsuche kann daher nicht als Straftat angesehen werden. Die Tatsache, daß Asylsuchende möglicherweise Verfolgung oder anderes Unrecht in ihrem Herkunftsland erlitten haben und vor jeder Form von rauher Behandlung geschützt werden sollten, sollte berücksichtigt werden.

Asylsuchende sollten im allgemeinen nicht in Haft genommen werden.

Die Stellung von Asylsuchenden unterscheidet sich grundlegend von der anderer Ausländer. Dieser Umstand sollte bei der Bestimmung von Strafmaßnahmen oder Haft wegen unerlaubten Aufenthalts oder unerlaubter Einreise berücksichtigt werden. Auf die Bestimmungen des Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der jedem Menschen das Recht gewährt, Asyl zu suchen und zu genießen, wird ebenso hingewiesen wie auf Artikel 31 der Konvention von 1951, der Asylsuchende, die „unmittelbar“ aus einem Gebiet „kommen“, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht waren, von Strafen ausnimmt. Es besteht Einigkeit, daß Artikel 31 nicht einschränkend angewendet werden sollte.

Richtlinie 3: Gründe, die ausnahmsweise Haft erlauben

Auf die Inhaftierung von Asylsuchenden darf ausnahmsweise zurückgegriffen werden, wenn sie im innerstaatlichen Recht in Obereinstimmung mit allgemeinen Normen und Prinzipien des internationalen Menschenrechtsschutzes eindeutig vorgesehen ist.

Die erlaubten Ausnahmen zu der allgemeinen Regel, nach der Haft normalerweise vermieden werden soll, müssen gesetzlich vorgesehen sein. In solchen Fällen darf auf Haft nur dann zurückgegriffen werden, wenn sie notwendig ist, um

(i) die Identität zu klären;

(ii) die Tatsachen festzustellen, auf denen der Antrag auf Gewährung der Flüchtlingseigenschaft oder auf Asyl beruht;

(iii) Fälle zu handhaben, in denen Flüchtlinge oder Asylsuchende ihre Reise- oder Identitätsdokumente vernichtet oder gefälschte Dokumente benutzt haben, um die Behörden des Staates, in dem sie Asyl beantragen wollen, zu täuschen oder

(iv) die nationale Sicherheit oder öffentliche Ordnung zu schützen.

Wenn Haft für Asylsuchende für notwendig erachtet wird, sollte sie nur verhängt werden, wenn sie angemessen ist und diskriminierungsfrei angewandt wird. Sie sollte verhältnismäßig sein gegenüber dem verfolgten Ziel (z.B. um einen der oben genannten Zwecke sicherzustellen) und von möglichst kurzer Dauer.

Sofern andere Überwachungsmaßnahmen verfügbar sind, die als Alternative zur Haft zur Verfügung stehen (z.B. Meldepflichten oder Bürgen), sollten diese zunächst angewandt werden, es sei denn, es gibt Beweise für die Vermutung, eine solche Alternative wäre nicht wirksam.

Die Inhaftierung von Asylsuchenden aus irgendeinem anderen Grund, zum Beispiel als Teil einer Politik der Abschreckung zukünftiger Asylsuchender, widerspricht den Prinzipien des internationalen Schutzes.

In keinem Fall sollte Haft als Straf- oder Disziplinarmaßnahme bei Verstößen gegen Verwaltungsanforderungen oder Übertretungen von einschränkenden Regeln in Aufnahmezentren, Flüchtlinglingslagern oder anderen Einrichtungen dienen.

Die Flucht aus der Haft sollte in Hinblick auf das Prinzip des non-refoulement nicht automatisch zur Beendigung des Asylverfahrens oder zur Rückschiebung in das Herkunftsland führen.

Richtlinie 4: verfahrensmäßige Schutzvorschriften

Im Falle der Inhaftierung sollten Asylsuchende einen Anspruch auf folgende verfahrensmäßige Mindestrechte haben:

(i) das Recht, über den Grund der Inhaftierung und die damit zusammenhängenden Rechte in einer für sie verständlichen Sprache und Ausdrucksweise unterrichtet zu werden;

(ii) das Recht, die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung unverzüglich von einer zuständigen, unabhängigen und unparteilichen Instanz überprüfen zu lassen, vor der der Betroffene seine Gründe entweder persönlich oder durch einen Beauftragten vortragen kann. Dieses Recht auf Überprüfung sollte alle Aspekte der Rechtmäßigkeit des Falles umfassen und nicht nur die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung durch die Exekutive bei der Inhaftierung. Zu diesem Zweck sollte der Betroffene Rechtsbeistand erhalten. Zudem sollte es die Möglichkeit einer Überprüfung der Haft in regelmäßigen Abständen geben;

(iii) das Recht der Kontaktaufnahme mit dem örtlichen Büro des UNHCR, vorhandenen nationalen Flüchtlings- oder sonstigen Organisationen und einem Rechtsanwalt. Die Mittel für diese Kontaktaufnahme sollten zur Verfügung gestellt werden.

Richtlinie 5: Inhaftierung von Personen unter 18 Jahren

In Übereinstimmung mit der allgemeinen Regel in Richtlinie 2 und den Richtlinien des UNHCR zu Flüchtlingskindern sollten minderjährige Asylsuchende nicht inhaftiert werden.

Falls Staaten jedoch Kinder inhaftieren, sollte dies in Übereinstimmung mit Artikel 37 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes nur als letztes Mittel und für die kürzeste angemessene Zeit und in Übereinstimmung mit den in Richtlinie 3 genannten Ausnahmen erfolgen.

Es wird insbesondere hingewiesen auf:

Artikel 3 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, wonach bei allen Maßnahmen der Vertragsstaaten, die Kinder betreffen, das Wohl des Kindes ein vorrangig zu berücksichtigender Gesichtspunkt ist;

Artikel 9, der Kindern das Recht gewährt, nicht gegen den Willen ihrer Eltern von diesen getrennt zu werden; und

Artikel 22, wonach Vertragsstaaten verpflichtet sind, besondere Maßnahme zum Schutz von Flüchtlingskindern und minderjährigen Asylsuchenden zu treffen, unabhängig davon, ob sie unbegleitet sind oder nicht.

Wenn asylsuchende Kinder auf Flughäfen, in Einwandereraufnahmezentren oder Gefängnissen inhaftiert sind, dürfen sie nicht unter gefängnisähnlichen Bedingungen festgehalten werden. Es muß jeder Versuch gemacht werden, sie aus der Haft zu entlassen und anderweitig unterzubringen. Sofern sich dies als unmöglich erweist, müssen besondere Vorkehrungen für die Wohnbereiche getroffen werden, die für Kinder und ihre Familien angemessen sind.

Während der Haft haben Kinder ein Recht auf Ausbildung, die vorzugsweise außerhalb der Hafteinrichtung stattfinden sollte, um die Fortführung der Ausbildung nach der Haftentlassung zu erleichtern. Nach den UN Regeln über den Schutz von Jugendlichen, die ihrer Freiheit beraubt sind, sind Staaten verpflichtet, für Kinder ausländischer Herkunft mit besonderen kulturellen und ethnischen Bedürfnissen gesonderte Bildungsprogramme vorzusehen.

Für inhaftierte Kinder gelten dieselben verfahrensmäßigen Mindestrechte (siehe Richtlinie 4) wie für Erwachsene. Zusätzlich sollte für unbegleitete Minderjährige ein Vormund bestellt werden.

Richtlinie 6: Haftbedingungen

Die Haftbedingungen für Asylsuchende sollten menschlich sein und die angeborene Würde der menschlichen Person achten. Sie sollten gesetzlich festgelegt sein.

Es wird hingewiesen auf die anwendbaren Normen und Prinzipien des Völkerrechts und die Regeln über die Behandlung solcher Personen. Von besonderer Bedeutung sind die UN Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen aus dem Jahre 1955, der UN Grundsatzkatalog für den Schutz aller irgendeiner Form von Haft oder Gefangenschaft unterworfenen Personen aus dem Jahre 1988, die UN Regeln über den Schutz von Jugendlichen, die ihrer Freiheit beraubt sind, und die Europäischen Gefängnisregeln.

Besonders die folgenden Punkte sollten hervorgehoben werden:

(i) die Trennung von Männern und Frauen innerhalb der Einrichtungen, die Trennung von Kindern von Erwachsenen (sofern diese nicht Verwandte sind), und die Trennung von Asylsuchenden von verurteilten Straftätern;

(ii) die Möglichkeit zu regelmäßigem Kontakt mit und Besuchen von Freunden, Angehörigen und Rechtsbeiständen;

(iii) die Möglichkeit, angemessene medizinische Versorgung zu erhalten und

(iv) die Möglichkeit, eine Schul- oder Berufsausbildung fortzusetzen.

Es wird ferner empfohlen, für bestimmte besonders verletzbare Gruppen wie schwangere Frauen, stillende Mütter, Kinder, Alte, Kranke und Behinderte geeignete Fürsorgemaßnahmen vorzusehen, die ihre besonderen Bedürfnisse während der Haft berücksichtigen.

Erklärung der Präsidentin des Zentralkomitees
der deutschen Katholiken (ZdK), Rita Waschbüsch, zur Abschiebungshaft

Infolge der Asylrechtsänderung von 1993 hat sich die Zahl der Abschiebungshäftlinge sprunghaft erhöht. Die zahlreichen Berichte über die bedrückende Lage dieser Menschen erfüllen uns mit großer Sorge. Anders als vom Gesetzgeber intendiert, dauert die Abschiebungshaft oft mehrere Monate, in Einzelfällen bis zu einem Jahr. Gesetzliche Regelungen über die Bedingungen in der Abschiebungshaft bestehen nicht. Abschiebungshäftlinge sind nicht selten schlechter gestellt als Strafgefangene.

Es läßt sich mit humanen und rechtsstaatlichen Prinzipien nicht vereinbaren, wenn

  • Abschiebungshaft angeordnet wird, obwohl keinerlei Aussicht auf Durchführung der Abschiebung in einer vertretbaren Frist besteht;
  • Abschiebungshäftlinge in überbelegten, mitunter hygienisch mangelhaft ausgestatteten Gemeinschaftszellen untergebracht werden;
  • Familien, auch Mütter und Kinder, in der Abschiebungshaft getrennt, Jugendliche und Erwachsene unterschiedslos zusammengelegt werden;
  • eine Trennung von abzuschiebenden Straftätern nicht erfolgt;
  • die Besuchsmöglichkeiten durch Familienangehörige, die soziale Betreuung durch Sozialdienste und ehrenamtliche Helfer wie auch der Kontakt mit Dolmetschern nicht geregelt sind;
  • die Einschaltung von Rechtsanwälten zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen nahezu ausgeschlossen ist, da den Abschiebungshäftlingen gemäß dem neuen Asylbewerberleistungsgesetz lediglich noch ein Taschengeld vom monatlich DM 80,00 zur Verfügung steht;
  • die Inhaftierten trotz längerer Verweildauer ohne Verdienst und Arbeitsmöglichkeiten bleiben.

Eine solche Situation muß bei den betroffenen Menschen ein Gefühl totaler Abhängigkeit, Hilf- und Schutzlosigkeit und der Kriminalisierung hervorrufen. Die Verständigungsschwierigkeiten auf Grund von Sprachbarrieren kommen hinzu. Die meisten Inhaftierten stehen vor einer ungewissen Zukunft; nicht wenige von ihnen fürchten um Leib und Leben bei Rückkehr in das Heimatland. Suizide und Suizidversuche sind ein erschreckendes Alarmsignal.

Wir fordern die Verantwortlichen, namentlich in den Ländern, dringend auf, rechtliche Regelungen zu schaffen, die unzumutbare, die Menschenwürde der Inhaftierten mißachtende Verhältnisse in der Abschiebungshaft ausschließen und die notwendige menschliche und soziale Betreuung der Inhaftierten gewährleisten. Ferner muß sichergestellt sein, daß die Betroffenen die ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsmittel wirklich ausschöpfen können.

Wir appellieren an die zuständigen Gerichte, in jedem einzelnen Fall sorgfältig zu prüfen, ob die Anordnung der Abschiebungshaft unumgänglich ist. Abschiebungshaft sollte nur angeordnet werden, wenn die Abschiebung in einer kurzen Frist tatsächlich durchführbar ist.

Forderungen von PRO ASYL

  • PRO ASYL lehnt die Inhaftierung lediglich zur Sicherung vorgesehener Abschiebungen grundsätzlich ab.

Wenn der Staat meint, jemanden abschieben zu müssen, darf er hierzu nicht in Haft genommen werden. Es genügt eine vorübergehende Festhaltung.

  • Grundsätzlich keine Inhaftierung zum Zweck der Abschiebung darf zulässig sein bei:
    • Personen unter 18 Jahren,
    • zur Ausreise Verpflichteten, die einen festen Wohnsitz oder Arbeitsplatz haben,
    • Kranken, Alten, Schwangeren, stillenden Müttern oder Müttern von Kleinkindern.
  • Für den gegenwärtigen Vollzug der Abschiebungshaft fehlt es überdies nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes an einer gesetzlichen Regelung. Diese muß geschaffen und auch die notwendige Betreuung und Beratung ohne alle Restriktionen ermöglicht werden.
  • Ein solches Gesetz, aber auch Vollzugsrichtlinien auf der Ebene der einzelnen Bundesländer, müssen deutlich machen: Abschiebungshaft ist keine Strafhaft. Die Haftbedingungen dürfen deshalb nicht den Charakter einer Bestrafung haben. Die Unterbringung kann und muß Wohnheimcharakter haben.
  • Die gerichtliche Zuständigkeit für das Abschiebungshaftverfahren ist künftig den Verwaltungsgerichten zuzuweisen, die in einem einheitlichen Verfahren Ausreisepflicht und Vorliegen möglicher Abschiebungshindernisse überprüfen.
  • Einem in Abschiebungshaft Genommenen ist unmittelbar der Grund seiner Inhaftnahme bekanntzugeben. Dabei ist ein Dolmetscher zu beteiligen und der Betroffene muß die Gelegenheit haben, mit Hilfe eines unabhängigen Rechtsbeistandes Stellung zu nehmen. Die Notwendigkeit der Beiordnung eines rechtlichen Beistandes ergibt sich aus dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Flughafenverfahren. Das Betreiben eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens unter den Bedingungen der Abschiebungshaft bedeutet eine vergleichbar schwierige Rechtsschutzsituation.
  • Gewährleistet werden muß der freie Zugang von Besuchern und Initiativgruppen, die Menschen in Abschiebungshaft besuchen, beraten oder betreuen wollen. Weder private Besuche noch Besuche zum Zwecke der Beratung und Betreuung dürfen behindert werden.
  • Im Ausländergesetz oder in den Verwaltungsvorschriften zu § 57 Abs.2 AuslG muß klargestellt werden, daß die Abschiebungshaft dann aufzuheben ist, wenn eine Abschiebung aus technischen Gründen nicht durchgeführt werden kann oder der Heimatstaat durch sein Verhalten zeigt, daß er nicht gewillt ist, die betreffende Person in den nächsten vier Wochen zurückzunehmen oder der Flüchtling sich bereits länger als vier Wochen in Abschiebungshaft befindet.

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