Abschiebungen während des laufenden Asylverfahrens
PRO ASYL: Unbestritten rechtswidriges Verhalten
Trotz illegaler Abschiebung keine Korrektur behördlicher Fehlentscheidung
Verwaltungsgericht kann wegen Arbeitsüberlastung nicht entscheiden
Die bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL zeigt sich besorgt über mehrere Fälle der Abschiebung von Asylsuchenden noch während des Asylverfahrens. So wurde trotz eines noch laufenden Asylverfahrens eine 21-jährige Kenianerin am 15. April 1997 nach Kenia abgeschoben. Mehr als fünf Monate danach haben weder das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge noch das zuständige Verwaltungsgericht Gießen dieses offensichtlich rechtswidrige Vorgehen korrigiert.
Die Betroffene gehört der nach zweijähriger Auseinandersetzung um die Anerkennung als Partei am Montag dieser Woche endgültig verbotenen oppositionellen SAFINA-Bewegung an. Zur Zeit hält sie sich in Kenia versteckt. Eine kurzfristige Verhaftung nach ihrer Abschiebung hat sie nach eigenen Angaben mit Glück überstanden.
Mit Schreiben vom 2. September 1997 räumt das Bundesamt ein, daß die Abschiebung rechtswidrig war. Sie dürfte allerdings deutlich gemacht haben, so das Bundesamt, wie es um den Wahrheitsgehalt der behaupteten Verfolgung stehe. Wenn die Klägerin, so die Logik des Bundesamtes, nach ihrer Verhaftung wieder auf freien Fuß gesetzt worden sei und Kontakt mit ihrer deutschen Anwältin aufnehmen könne, so werde sie wohl kaum verfolgt: „Dies auch unter dem Gesichtspunkt, daß eine erneute Ausreise aus Kenia im Wege der Folgenbeseitigung nicht möglich wäre, wenn die Klägerin – wie behauptet – politisch gesucht und verfolgt würde. (…) Von daher besteht kein Anlaß, an der Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidung (…) zu zweifeln.“ (Deshalb solle das Verwaltungsgericht den Antrag auf Folgenbeseitigung – d.h. Wiedereinreise – abweisen.)
Akzeptiert man diese Logik, dann könnten Asylsuchende in Deutschland gleich testweise in ihre Herkunftsländer deportiert werden. Werden sie nicht unmittelbar und dauerhaft inhaftiert, dann waren sie nicht politisch verfolgt und die Abschiebung ist rückwirkend gerechtfertigt. Heiko Kauffmann: „Dies ist die Logik der Inquisition, mit der in der Frühen Neuzeit angebliche Hexen Feuer- und Wasserproben unterzogen wurden.“
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge treffe der Vorwurf, daß offensichtlich ohne nähere Überprüfung des Sachstandes unzutreffende Abschlußmitteilungen zu Asylverfahren an die Ausländerbehörde herausgegeben würden. Auch das Handeln der beteiligten Ausländerbehörden sei rechtswidrig, da sie in diesem Fall lediglich als Handlanger des Bundesamtes gewirkt und die Richtigkeit einer so wichtigen Angelegenheit nicht nochmals überprüft hätten.
Ebenso sind bislang weder Behörden noch Gerichte bereit, Abhilfe zu schaffen, indem der jungen Frau die Wiedereinreise ermöglicht wird. Das Verwaltungsgericht Gießen sieht sich wegen Überlastung der Kammer nicht in der Lage, eine gerichtliche Entscheidung auch nur in Aussicht zu stellen, obwohl ein Antrag auf Wiedereinreise im Eilverfahren seit über vier Monaten anhängig ist. PRO ASYL: „Daß das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf seine Arbeitsüberlastung selbst in einem solch eklatanten Fall keinen effektiven Rechtsschutz gewährleistet, grenzt an Rechtsverweigerung.“
Heiko Kauffmann wies darauf hin, daß es sich nicht um einen Einzelfall handele.