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Pressegespräch
26.05.1998

5 Jahre Grundgesetzänderung
PRO ASYL veröffentlicht Mindestanforderungen
an ein neues Asylrecht

Vorstellung des Aufrufes

Pro Asyl nennt Mindestanforderungen zum Flüchtlingsschutz – AP vom 26. Mai 1998
SPD und Grüne wollen Asylregelungen überprüfen – AP vom 26. Mai 1998
Neues Aslyrecht gefordert – Frankfurter Rundschau vom 26. Mai 1998
Beim Asylrecht die Hoffnung aufgegeben – Die Tageszeitung vom 27. Mai 1998

Heute vor 5 Jahren wurde das Grundrecht auf Asyl weitgehend abgeschafft. „Im Jahr 50 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte steht die Bundesrepublik Deutschland vor einem menschenrechtlichen Scherbenhaufen, abgesegnet durch höchste Gerichte. Deutschland liegt weit unter dem Standard des internationalen Flüchtlingsrechts. Wir brauchen eine Koalition für die Menschenrechte in Deutschland“, sagte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL.

Zum Jahrestag der Grundgesetzänderung veröffentlicht PRO ASYL präzise Forderungen bis hin zu konkreten Gesetzesvorschlägen, die nach der Bundestagswahl umgehend realisiert werden müssen. Diese „Mindestanforderungen (Volltext) an ein neues Asylrecht“ werden von Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und Initiativgruppen unterstützt.

Das Grundgesetz wurde angeblich aus folgendem Grund geändert: Der grundrechtliche Schutz für politisch Verfolgte müsse „an das Niveau der Schutzgewähr der internationalen Staatengemeinschaft, wie es in der Genfer Konvention seinen Ausruck findet“ angepaßt werden, so der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Dr. Wolfgang Schäuble am 26. Mai 1993 im Deutschen Bundestag. Das Bundesverfassungsgericht hat das verunstaltete Asylrecht am 14. Mai 1996 als verfassungskonform bestätigt. PRO ASYL erhebt in den Mindestanforderungen an ein neues Asylrecht den schweren Vorwurf:

„Das Gegenteil dessen, was Politik und Verfassungsgericht hier verkünden, ist wahr: Deutschland versucht sich zunehmend von den bisher anerkannten Standards des internationalen Flüchtlingsschutzes zu lösen. Nach dem Abbau des Grundrechts auf Asyl sind die nächsten Angriffspunkte die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention. Beide kommen nur noch eingeschränkt in Deutschland zur Geltung. 1993 wurde das Asylrecht angeblich geändert, um ein europäisches Asylrecht zu schaffen. Jetzt ist die Bundesrepublik die Vorreiterin bei der Demontage des internationalen Flüchtlingsrechtes.“

PRO ASYL fordert von der nächsten Bundesregierung unmittelbar nach der Bundestagswahl Initiativen zur Schaffung eines verbindlichen europäischen Rechts. Damit dieses Vorhaben nicht auf die lange Bank geschoben wird und sich die Politik nicht mit dem Hinweis auf die angeblich so langwierigen internationalen Prozesse entlasten kann, fordern wir konkrete Schritte vom nationalen Gesetzgeber, dem Deutschen Bundestag.

Oberste Priorität hat für PRO ASYL, daß die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention wieder uneingeschränkt in Deutschland Geltung erlangen. Wir erwarten vom neuen Bundestag und der neuen Bundesregierung – gleich welcher Zusammensetzung -, daß sie folgende Mindestanforderungen zum Schutz von Flüchtlingen umsetzen:

  1. Internationale Abkommen wie zum Beispiel die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention müssen in Deutschland wieder uneingeschränkt gelten. D.h. insbesondere:
    Die Abschiebung in einen Drittstaat ist einstweilen auszusetzen, wenn die Gefahr einer Kettenabschiebung nicht ausgeschlossen ist. Dies impliziert die Einführung eines einstweiligen Rechtsschutzes.
    Diese Forderung ist ohne eine erneute Grundgesetzänderung zu realisieren. Im Jahr 1993 hatte die Bundestagsfraktion der SPD einen Änderungsantrag gestellt, in dem sichergestellt werden sollte, daß auch solche Asylsuchenden eine gerichtliche Beschwerdemöglichkeit erhalten, die über einen angeblich sicheren Drittstaat nach Deutschland einreisen.
    Die Akzeptanz von nicht-staatlicher Verfolgung als Asylgrund.
    Es geht nicht an, daß zum Beispiel einem Flüchtling aus Afghanistan höchstrichterlich attestiert wird, daß er „in Afghanistan mit lebensbedrohlicher Verfolgung rechnen müsse“ und ihm trotzdem sowohl der Schutz nach Art. 16a GG als auch der Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention verweigert wird. Entgegen dem Völkerrecht gilt in Deutschland: „Wo kein Staat ist, kann es auch keine politische Verfolgung geben.“
    Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte muß auch in Deutschland als verbindlich akzeptiert werden. Obwohl Art. 3 der Europäische Menschenrechtskonvention (Schutz vor Folter und erniedrigender Behandlung) absoluten Charakter hat und obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dies in mehreren Urteilen so entschieden hat, wird in Deutschland der Schutz der Menschenrechte nach Art. 3 EMRK dann versagt, wenn kein Staat vorhanden ist (z.B. Somalia).
  2. Das Flughafenverfahren ist ersatzlos zu streichen.
  3. Das Asylverfahrensrecht muß menschenrechtlichen Mindeststandards entsprechen. Ein effektiver Rechtsschutz im gerichtlichen Verfahren muß wieder hergestellt werden.
  4. Besonders gefährdete Flüchtlingsgruppen müssen besser geschützt werden:
    Verfolgte Frauen müssen in Deutschland Schutz finden;
    Die Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge muß verbessert werden;
    Der besonderen Situation von Folteropfern ist Rechnung zu tragen.
  5. Wir benötigen eine „Altfallregelungen“ für Flüchtlinge, die länger als 5 Jahre in Deutschland sind (z.B. Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina / Restjugoslawien). Zudem muß die Justiz durch eine „Altfallregelung“ entlastet werden.
  6. Um Einzelfälle menschlich lösen zu können, ist eine Härtefallregelung im Ausländergesetz nötig.
  7. Die inhumanen Bedingungen und die gegenwärtige Praxis der Abschiebungshaft müssen drastisch geändert werden.
  8. Die sozialrechtliche Sonderbehandlung von Flüchtlingen ist zu beenden – das Asylbewerberleistungsgesetz ist ersatzlos abzuschaffen.

Diese Forderungen erhebt PRO ASYL mit Unterstützung von Gewerkschaften, Kirchen, Wohlfahrts- und Menschenrechtsorganisationen an eine neue Bundesregierung. Sie müssen Elemente des 100-Tage-Programmes jeder neuen Bundesregierung sein.


PS: Unterstützt werden die Mindestanforderungen an ein neues Asylrecht von folgenden Organisationen:

Arbeiterwohlfahrt, Bundesverband e.V.
Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“
Deutscher Caritasverband e.V., Abt. Migration
Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband,
Gesamtverband e.V. DGB Bundesvorstand, Referat Migration
Diakonisches Werk in Hessen und Nassau, Ökumenische Diakonie
Ev. Frauenarbeit in Deutschland e.V. Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck, Arbeitsstelle für den Dienst in den Gemeinden an Ausländern, Aussiedlern, Asylsuchenden
Ev. Kirche der Pfalz, Der Ausländerbeauftragte
Ev. Kirche im Rheinland
Humanistische Union e.V.
Interkultureller Beauftragter der Ev. Kirche in Hessen und Nassau
Pax Christi, Internationale Friedensbewegung – Deutsche Sektion
terre des hommes Bundesrepublik Deutschland e.V.
Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V.

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