14.05.1998
2 Jahre nach dem Asylurteil des Bundesverfassungsgerichtes:
Asylberatung durch Rechtsanwälte auf
den Flughäfen immer noch nicht gesichert
PRO ASYL: BMI verschleppt die Vertragsunterzeichnung
Flüchtlingsorganisation wendete bereits DM 100.000
für die Asylberatung auf, die der Innenminister nicht zustande bringt
Pro Asyl legt sich mit Kanther an – Frankfurter Rundschau vom 15.05.1998
Flughäfen fehlt Asylberatung – Die Tageszeitung vom 15.05.1998
Am heutigen Donnerstag sind die Grundsatzurteile des Bundesverfassungsgerichtes zum Asylrecht exakt 2 Jahre alt. Die bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL ruft aus diesem Anlaß in Erinnerung, daß das Urteil zum Flughafenasylverfahren zwingend die Einrichtung einer unabhängigen asylrechtskundigen Beratung gefordert hatte. PRO ASYL kritisiert nun, daß auch 2 Jahre nach der Urteilsverkündung ein entsprechender Vertrag zwischen dem Deutschen Anwaltsverein und dem Bundesinnenministerium immer noch nicht unterzeichnet ist. PRO ASYL Sprecher Heiko Kauffmann: „Obwohl das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und sein Dienstherr Kanther Projektmittel in Höhe von fast 300.000 DM aus EU-Quellen für eine staatliche Pflichtaufgabe einstreichen, was bereits anrüchig genug ist, wird die Vertragsunterzeichnung immer noch verschleppt – wegen Marginalien.“ Nach Informationen der Rechtsanwälte wollte das BMI eine Liste vereidigter Dolmetscher zum Vertragsbestandteil machen. Bei einer Durchsicht dieser Liste durch die am Frankfurter Flughafen tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte stellte sie sich als in erheblichem Maße fehlerhaft heraus. Aus Sicht der Anwältinnen und Anwälte macht es auch keinen Sinn, eine Dolmetscherliste, die notwendigerweise ständig aktualisiert werden muß, zum Bestandteil eines Rahmenvertrages über einen Beratungsdienst zu machen.
PRO ASYL wertet die Verschleppung der Verhandlungen nicht als juristische Mätzchen einer verselbständigten Ministerialbürokratie, sondern als Ausdruck des fremden- und asylfeindlichen Habitus des Innenministers selbst. Während dem Bundesgrenzschutz die Wünsche buchstäblich von den Augen abgelesen würden, dauere es Jahre, bis das vom Verfassungsgericht geforderte Quäntchen Rechtsstaat auf den deutschen Flughäfen installiert sei.
PRO ASYL hat seit Anfang Februar 1998 ein Beratungsmodell für die geforderte asylrechtskundige Beratung in einem Probelauf auf dem Rhein/Main-Flughafen getestet. Mehr als 50 praxiserfahrene Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte hatten sich zur Präsenzberatung im Transitbereich oder zum Bereitschaftsdienst in ihren Büros bereit erklärt und so praktische Kritik an der Untätigkeit des Innenministers geübt. PRO ASYL hat diese Rechtsberatung und die damit verbundene Einlegung von Rechtsmitteln seit Februar 1998 mit etwa 100.000 DM finanziert.
In einer ganzen Reihe von Fällen hat sich nach Auffassung von PRO ASYL gezeigt, wie wichtig vor dem Hintergrund extrem kurzer Rechtsmittelfristen die sofort verfügbare Beratung ist.
Kauffmann: „PRO ASYL hat ein Zeichen gesetzt. Es kann aber nicht angehen, daß staatliche Pflichtaufgaben auf Dauer von einer Nichtregierungsorganisation übernommen werden. Kanthers jahrelanges Zögern ist keine Stilfrage sondern eine Mißachtung des Asylrechts und des Verfassungsgerichts.“